Zwei Sommer
Zwei Sommer
29. September 2016
von Janne
5 Sterne
hat 5 Sterne vergeben

„Ich liebe dich.

Diese SMS stammt von Oliver. Oliver ist mein Freund. Schön bis hierher. Aber: Diese Nachricht ist nicht an mich gerichtet.

Tatsächliche Empfängerin dieser Botschaft ist Isabella. Schön für  Isabella. Schlecht für Isabella: Sie ist meine beste Freundin.“

So beginnt „Zwei Sommer“. Der erste Absatz allein zieht einen direkt in  das Geschehen, denn er fasst zunächst gut zusammen, worum es in dem Buch  geht.

Marie wird von ihrem Freund Oliver mit ihrer besten Freundin Isabella  betrogen. Und all die Pläne, die Marie für diesen Sommer geschmiedet  hatte, fallen plötzlich ins Wasser. Das schöne Wetter mit Oliver  genießen, mit Isa für zwei Wochen nach Spanien fahren. Stattdessen  beginnt für sie ein Sommer voller Tränen, düsterer Gedanken und mit  verdammt großem Herzschmerz. Das ist Maries Sommer. Isa hingegen könnte  den schönsten Sommer überhaupt erleben. Sie ist mit dem Jungen zusammen,  den sie liebt und fährt mit Olli anstatt mit Marie nach Spanien. Aber  das schlechte Gewissen lässt sie nicht los und plötzlich vermisst sie  ihre beste Freundin wie niemand anderen auf der Welt.

Die Geschichte erzählt sich in zwei Teilen. Im ersten Teil „Marie“ wird  sie aus ihrer Perspektive erzählt und im zweiten Teil dann aus Isas  Sicht. Und dieser erzählerische Kunstgriff macht das Buch so spannend,  trotz einer eigentlich banalen Thematik.

Liest man den „Marie-Teil“, scheint einem alles klar zu sein. Natürlich  wird sie von ihrem Freund betrogen, denn Isa ist schön und blond und gut  im Small-Talk und Marie ist und kann nichts von alldem. Der Klassiker  aller Teenager-Bücher also.

Doch liest man den „Isa-Teil“ erfährt man, dass Isa unsicher ist, nicht  versteht, wie jemand sie nach Marie lieben kann, sie Marie beneidet für  ihr Talent und ihre Liebe zum Schreiben, Marie aber auch richtig  egozentrisch und gemein sein kann.

Es gibt keine klassische Täter-Opfer-Aufteilung, es werden zwei  gleichberechtigte Figuren geschaffen, die unterschiedlicher nicht sein  könnten. Dadurch ergibt sich ein komplexes Gerüst aus  zwischenmenschlichen Konflikten und Schwierigkeiten, in das es Spaß  macht einzutauchen. Und man stellt fest, dass es in Wahrheit um viel  mehr geht als zwei Mädchen, die sich um einen Jungen streiten. Es geht  um Freundschaft, um die eigene Identität und darum, wie man wieder auf  die Beine kommt, wenn die eigene Welt vollständig zerstört scheint.

Erst wenn man das Buch mehrmals liest, spürt man, dass in der Marie  vielleicht mehr Herzblut steckt als in der Isa, als hätte die Autorin  ihr selbst näher gestanden. In dem Fall ist das Konstrukt nicht  vollständig ausgeglichen, die Marie doch ein wenig stärker als die Isa.  Doch fällt das kaum ins Gewicht.

Die Geschichte wird dann in einem Ton erzählt, der sehr authentisch  wirkt, wie es bei vielen Büchern der Kategorie „Jugendbuch“ zunächst  nicht der Fall ist. In diesem Buch fühlst du dich ernstgenommen und  verstanden und es ist eines der wenigen Bücher, das ich kenne, in dem  sich die Gleichaltrigen tatsächlich so benehmen wie man selber und sich  vor ähnlichen Problemen und Schwierigkeiten sehen.

Spannend ist auch der Stil des Buches. Er wird gezeichnet durch oftmals  kurze Sätze, die für einen ironischen oder bitteren Klang sorgen. Das  ist bemerkenswert: Obwohl Marie und letztlich auch Isa totunglücklich  sind, ist das Buch unglaublich humorvoll. Es darf auch ruhig  sarkastischer, gemeiner Humor sein, zum zwischenzeitlichen Schmunzeln  bringt er einen auf jeden Fall. Das unterscheidet „Zwei Sommer“ so von  anderen „Mädchenbüchern“. Obwohl für Marie alles schiefgelaufen ist, was  schieflaufen kann, möchte sie trotzdem Spaß haben und sich wieder  verlieben. Isa verliert ihre beste Freundin und versucht sofort  weiterzumachen, weiterzuleben, mit Olli glücklich zu werden. „Zwei  Sommer“ ist kein trauriges Buch, auch wenn es von traurigen Dingen  erzählt.

Der wahre Höhepunkt des Buches aber ist wohl das Ende. Man liest und  liest und letztlich bleibt die Frage, ob die beiden Mädchen wieder  zusammen finden können. Eine klare Antwort darauf gibt das Ende des  Buches nicht, genau wie es im echten Leben selten eindeutige Antworten  auf schwierige Fragen gibt. Und doch greift die letzte Seite die beiden  Charaktere und ihre Beziehung zueinander zum Schluss nochmal so genau  und spiegelt sie so klar, dass es nicht passender sein könnte.

Letztlich ist „Zwei Sommer“ definitiv ein Buch für Mädchen,  wahrscheinlich noch mehr für Mädchen, die gerade Liebeskummer haben oder  ihre beste Freundin vermissen. Man muss in einer ähnlichen Haut  stecken, damit sich manche Passagen nicht doch zu kitschig lesen. Sieht  man über kleinere „rosarote Ausfälle“ hinweg, bleibt einem ein  ehrliches, humorvolles Buch, das einen über den eigenen Kummer  hinwegtrösten kann – und das immer wieder.

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