Interview

Interview mit Mirjam Pressler

Auf der Frankfurter Buchmesse 2013 hatten Mara, Linnea und Bjarne die Gelegenheit, Mirjam Pressler zu interviewen.

Blaue Seite: Was war der Auslöser für Ihren neuen Roman „Wer morgens lacht“?

Mirjam Pressler: Jeder meiner Romane hat verschiedene Auslöser. Bei „Wer morgens lacht“ war es so, dass ich vor vielen Jahren krank war. Ich habe doppelt gesehen. Der Grund war eine Virusinfektion. Um das herauszufinden, musste ich aber erst einmal ins Krankenhaus. Daran kann ich mich sehr deutlich erinnern.

Neben mir stand ein Wasserglas, das ich natürlich doppelt gesehen habe. Und ich dachte: „Jetzt fasse ich das Wasserglas an, dann weiß ich endlich, welches von beiden das richtige ist.“ Da habe ich die Hand ausgestreckt und hatte plötzlich zwei Hände.

Irgendwann danach hatte ich einen wirren Traum: Ich stand vor einem Spiegel und war doppelt. Das hatte wahrscheinlich etwas mit dieser Erkrankung zu tun. Ich stand vor dem Spiegel und sah mich doppelt. Ich wusste nicht, welche von beiden ich bin.

Die Sache mit der Identität hat mich nicht mehr losgelassen. Ein paar Jahre später habe ich ein Buch angefangen, aus dem ist nichts geworden. Aber dieser Gedanke an die Suche nach der Identität kehrte immer wieder zu mir zurück. Und jetzt hab ich es geschrieben. Ich glaube, der Auslöser war es, nicht ganz zu wissen, wer man ist und in verschiedene Rollen schlüpfen zu wollen.

Blaue Seite: Wie schwer fällt es Ihnen persönlich, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden? Mirjam Pressler: Es fällt mir genauso schwer, wie allen anderen Leuten auch. Aber ich bin inzwischen der Meinung, dass es egal ist. Das, was man selber empfindet, was man selber für richtig hält, ist wahr.

Blaue Seite: Vermischen Sie die Handlung eines Romans, den Sie schreiben, auch mit der Realität?

Mirjam Pressler: Ich habe beim Schreiben schon das Gefühl, dass ich Dinge erzähle, die unter anderen Umständen so hätten ablaufen können.

Blaue Seite: Die Großmutter von Anne (Hauptperson des Romans, Anm. d. Red.) war sehr religiös. Hat Anne das geprägt?

Mirjam Pressler: Natürlich hat es sie sehr geprägt. Die Großmutter hat große Angst vor dem Leben. Religiosität hat etwas mit der Angst vor dem Leben zu tun. Dieser Spruch: „Wer morgens lacht und mittags singt, der abends in die Hölle springt“ ist von einem tiefen Misstrauen gegen das Leben geprägt. Natürlich hat sie die Kinder damit beeinflusst.

Blaue Seite: Wie hätte es den Roman beeinflusst, wenn es die Großmutter nicht gegeben hätte? Wäre dann alles anders gekommen?

Mirjam Pressler: Bestimmt. Die Großmutter hat diese beiden Mädchen geprägt. Dadurch, dass sie ihnen immer gesagt hat: „Ihr braucht niemand anderen, ihr habt ja euch.“ Und weil sie von allen anderen nur das Schlimme erwartet, hat sie das große Misstrauen gesät. Anne fällt es schwer, sich von diesem Misstrauen zu befreien.

Blaue Seite: Wie viele Ideen haben Sie, bis eine richtig gute dabei ist?

Mirjam Pressler: Ich habe kein Konzept, wenn ich anfange. Ich fange an zu schreiben und weiß oft selber nicht, was es werden wird.

Blaue Seite: Schreiben Sie täglich oder immer nur phasenweise?

Mirjam Pressler: Wenn es gut läuft, dann bin ich ein Workaholic. Dann schreibe ich, bis mir abends die Augen zufallen.

Blaue Seite: Lesen Sie eigentlich Ihre eigenen Romane noch einmal, wenn diese erschienen sind?

Mirjam Pressler: Nein. Aber ich arbeite sehr, sehr lange am Text. Ich fange von vorne und vom Ende her an und schreibe verschiedene Stellen dazwischen. Dann kenne ich bald das ganze Buch auswendig. Später lese ich es aber nicht mehr.

Blaue Seite: Ist das ein schönes Gefühl, wenn Sie hören, dass viele Menschen in Südafrika Ihr Buch „Bitterschokolade“ im Deutschunterricht lesen?

Mirjam Pressler: Ja, das freut mich schon!

Blaue Seite: Wie lange haben Sie gebraucht, um den Roman „Wer morgens lacht“ fertigzustellen?

Mirjam Pressler: Normalerweise brauche ich ein halbes bis ganzes Jahr für einen Roman. Bei diesem habe ich nur ein halbes Jahr gebraucht. Das liegt natürlich daran, dass ich in all den Jahren immer wieder mal an das Thema gedacht habe. Als ich dann anfing zu schreiben, wurde mir erst klar, wie viel ich mir unterbewusst schon überlegt hatte. Beim Schreiben war dann plötzlich alles da.

Blaue Seite: Haben Sie noch recherchiert oder einfach losgeschrieben?

Mirjam Pressler: Ich habe über Pilze recherchiert, denn die spielen eine Rolle.

Blaue Seite: Werden Sie Ihre Recherchen zur Viehzucht in einem anderen Buch verwenden?

Mirjam Pressler: Nein. Das war eine Idee für dieses Buch. Das ist jetzt vorbei. 

Blaue Seite: Würden Sie noch einmal ein Buch über schwierige Familienverhältnisse schreiben, oder ist das Thema jetzt für Sie abgeschlossen?

Mirjam Pressler: Das weiß ich nicht. Ich denke, dass ich auch mal wieder etwas Historisches schreiben möchte.

Blaue Seite: Was verbinden Sie mit einer Blauen Seite?

Mirjam Pressler: Blau gehört zu meinen Lieblingsfarben.

Blaue Seite: Vielen Dank für das Interview.

RedakteurRedakteur: Linnea, Mara
FotosFotos: Bjarne
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