“Call Me by Your Name”, geschrieben von André Aciman, ist für mich eines dieser Bücher, bei denen ich weiß, dass ich nicht mal ansatzweise beschreiben kann, wie ich mich beim Lesen gefühlt habe. Ich würde am liebsten kurz und kompakt mit dem lautesten Megaphon in die Welt schreien, warum dieses Buch perfekt ist, aber ich würde wahrscheinlich unverständliche Satzfragmente herausbrüllen, die nur für mich Sinn ergeben.
Ich versuche also erstmal alles in Worte zu fassen, was geht:
Die Hauptperson des Buches ist der 17-jährige Elio, der jedes Jahr seinen Sommer in der Ferienresidenz seiner Familie in Italien in der Nähe des Meeres verbringt. Das Buch spielt 1987 und ist aus Elios Ich-Perspektive geschrieben. Jedes Jahr lädt Elios Vater einen jungen Doktoranden zu ihnen ein, den Sommer mit ihnen zu verbringen, der dann an seinem Buchmanuskript arbeitet, und Elios Vater, der Professor ist, assistiert. In diesem Sommer ist der Gast der extrovertierte Oliver, dessen Beziehung zu Elio das Kernthema des Buches ist.
Vom ersten bis zum letzten Satz ist das Buch reine Poesie. Noch nie in meinem Leben habe ich ein Buch gelesen, dessen Sprache sich so real anfühlt. Ungefiltert und ohne Tabus als hätte man ein Mikrofon an Elios Gehirn befestigt. Andererseits wird auch viel nicht gesagt, und zwar das, was für Elio offensichtlich ist oder er verdrängt.
Diese sehr persönliche Sprache war ein direkter Schlüssel zu meinen Emotionen. Die wenigen Erklärungen und die abstrakten Beschreibungen regten meine Vorstellungskraft so stark an, dass ich immer noch regelmäßig in diese Welt abdrifte. Alleine jetzt darüber zu schreiben, überwältigt mich.
Das Buch hat alles: Besondere Charaktere, die wie aus dem Leben gegriffen wirken, aber trotzdem nicht so sind wie irgendwer, den ich jemals getroffen habe. Ein Setting, was so ästhetisch ist, dass man gar nicht anders kann als ‘Italien im Sommer’ ganz oben auf die Liste von Orten, an denen man gerne sein möchte, zu stellen, am besten gleich mit einer Zeitreise. Eine Handlung, die wie das Leben ist: unerwartet, aber nicht unlogisch, vorhersehbar, aber doch nicht, schön, aber enttäuschend und nie perfekt. Und eine Sprache, die unglaubliche Intelligenz des Autors ausstrahlt ohne gezwungen und gewollt zu wirken, ohne grobe Wörter und mit einer schmerzhaften Weichheit, die einen fragil fühlen lässt.
Das Buch ist so persönlich, dass ich glaube, dass es jeder anders wahrnehmen wird, aber ich hoffe, ich konnte einen Einblick geben, was das Buch mit mir gemacht hat. Ich kann die Emotionen einfach nicht beschreiben, die ich so unfassbar stark empfinde, jedesmal wenn ich nur an das Buch oder den Film denke, der übrigens auch wundertoll ist, besser als ich mir je hätte vorstellen können, aber trotzdem sehr anders.
Ich habe das Buch auf Englisch gelesen und kann das so auch nur allen empfehlen, die das können, da ich die deutsche Übersetzung nicht kenne. Aber der deutsche Titel “Ruf mich bei deinem Namen” lässt mich schon schaudern…
Bitte. Lest. Dieses. Buch.
Und wenn es euch nicht gefällt, dann redet auf gar keinen Fall mit mir darüber, da ich niemals aus dieser wunderschönen Welt gerissen werden möchte.