Das Fortschreiten der Nacht ist ein Buch, das sich nur schwer in Worte fassen lässt. Es ist eine Liebesgeschichte, die noch so viel mehr Themen aufgreift als nur die Liebe, es geht um den Krieg als Auslöser einer Angst, die noch über Generationen anhält, um soziale Unterschiede, den Wunsch nach Zugehörigkeit und den Versuch, der Vergangenheit zu entkommen. Das Buch umtänzelt Themen, ohne ihnen je auszuweichen und beschreibt auf so wunderschöne und bezaubernde Weise Zustände, ohne sie je ihrer Ehrlichkeit zu berauben. Die haarscharfen und schonungslosen Darstellungen treffen tief in die Magengrube, ohne brutal zu sein. Und dass sich all diese Widersprüche in einem Buch vereinigen ist, wahrlich beeindruckend.
Paul und Amélia sind Studenten und könnten unterschiedlicher kaum sein. Er, fleißig und pflichtbewusst, stets darauf bedacht nicht aufzufallen, versucht durch die Universität seinem sozialen Hintergrund zu entkommen. Sie, die als wandelndes Gravitationszentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit durch die Universität schreitet, scheint nirgends wirklich anzukommen und wirkt stets fehl am Platz. So wundert es keinen, dass sie einige Jahre später einfach verschwindet. Doch all dieser Unterschiede zum Trotz entwickelt sich zwischen den beiden eine Liebesgeschichte, die sich als roter Faden durch das gesamte Buch zieht. Während all dieser Ereignisse lauert jedoch immer der Jugoslawien-Krieg, die gemeinsame Erfahrung ihrer beider Eltern, im Hintergrund, stets bereit sie wieder einzuholen.
Dieses Buch ist voll von wunderbaren Formulierungen und Beschreibungen, in denen man sich selbst wiederfindet. Während des Lesens musste ich mich oft zwingen, inne zu halten, um ein weiteres schönes Zitat in mein kleines Notizbuch zu übernehmen. Ein paar davon findet ihr auch unter der Kategorie "Wortfetzen" auf dieser Seite.