„Nehmen Sie die junge Dame mit, sie ist Schülerin! Erklären Sie ihr draußen, dass der Kaiser das Recht hat, die Interessen des Staates zu wahren und gegen das Treiben einzelner Querulanten, die glauben, auf eigene Rechte und Ansichten pochen zu dürfen, rigoros vorzugehen. Demokratische Dummheiten respektieren wir nicht!“
Sommer 1914: Über ganz Deutschland schwebt die Bedrohung des Krieges. Nur wird der Krieg nicht als Bedrohung aufgefasst. Und die wenigen, die vor ihm warnen wollen, werden zum Schweigen gebracht. Die Schülerin Mila kriegt diese Anfeindungen deutlich zu spüren, auch, weil sie einen französischen Nachnamen trägt. Als sie Sheena Gilges kennenlernt, eine selbstbewusste, emanzipierte Friedenskämpferin, gerät alles außer Kontrolle: Ein franzosenfeindlicher Lehrer stirbt
in Milas Anwesenheit, Briefe mit hochbrisantem Inhalt werden bei Mila entdeckt und als die Polizei gegen Mila und ihre alleinstehende Mutter ermittelt, gehen auch ihre Nachbarn gewaltsam gegen die beiden Frauen vor. Aus Notwehr muss Milas Mutter den Hausmeister niederschlagen – und wird prompt wegen versuchten Totschlags verhaftet. Nun hat Mila keine andere Wahl mehr: Ohne Wohnung, ohne Verwandte muss Mila sich auf die Hilfe ihres Freundes Wieland und seiner Familie verlassen.
In „Der Krieg und das Mädchen“ wird die Stimmung, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts herrschte, gut eingefangen. Krieg wird für die Jugendlichen als einmalige Chance dargestellt, ein Held zu werden. Vätern wird klargemacht, dass es eine Schande sei, wenn ihre Söhne nicht an die Front gehen. Lehrer müssen alles vergessen, was sie über blutige Kriege und neuartige Waffen gelesen haben, und ihren Schülern von dem „Abenteuer Krieg“ vorschwärmen. Als Leser kann man nur fassungslos den Kopf schütteln.
Gleichzeitig begreift man aber auch, dass die Stimmen, die Angst vor dem Krieg haben, entweder von Anfang an schweigen oder zum Schweigen gebracht werden. Es waren nicht alle für diesen Krieg, aber die Befürworter haben einfach lauter geschrien. Außerdem spielen bei jeder der Figuren auch noch individuelle Probleme eine Rolle bei ihrer Position zum Krieg.
Der eine entdeckt verbotene Gefühle in sich und will sich an der Front „heilen“, ein anderer wird von seinem Vater unter Druck gesetzt. Und am Ende bleibt nur noch eine ernüchterte Gesellschaft, die begreift, dass Blut und Tod nichts mit Ehre und Heldentum zu tun haben.
Insgesamt ist „Der Krieg und das Mädchen“ eine grandiose Gesamtdarstellung der Gesellschaft vor und zu Beginn des ersten Weltkrieges mit all ihrer Komplexität, verpackt in die spannende Geschichte um Mila und ihre Freunde.