Der Krieg und das Mädchen
Der Krieg und das Mädchen
19. August 2015
von Estelle
5 Sterne
Estelle Jahrgang 1997 Redaktion Lübeck
hat 5 Sterne vergeben

„Nehmen Sie die junge Dame mit, sie ist Schülerin! Erklären Sie  ihr draußen, dass der Kaiser das Recht hat, die Interessen des Staates  zu wahren und gegen das Treiben einzelner Querulanten, die glauben, auf  eigene Rechte und Ansichten pochen zu dürfen, rigoros vorzugehen.  Demokratische Dummheiten respektieren wir nicht!“

Sommer 1914: Über ganz Deutschland schwebt die Bedrohung des Krieges.  Nur wird der Krieg nicht als Bedrohung aufgefasst. Und die wenigen, die  vor ihm warnen wollen, werden zum Schweigen gebracht. Die Schülerin  Mila kriegt diese Anfeindungen deutlich zu spüren, auch, weil sie einen  französischen Nachnamen trägt. Als sie Sheena Gilges kennenlernt, eine  selbstbewusste, emanzipierte Friedenskämpferin, gerät alles außer  Kontrolle: Ein franzosen­feindlicher Lehrer stirbt

in Milas Anwesenheit, Briefe mit hochbrisantem Inhalt werden bei Mila  entdeckt und als die Polizei gegen Mila und ihre alleinstehende Mutter  ermittelt, gehen auch ihre Nachbarn gewaltsam gegen die beiden Frauen  vor. Aus Notwehr muss Milas Mutter den  Hausmeister niederschlagen – und wird prompt wegen versuchten Totschlags  verhaftet. Nun hat Mila keine andere Wahl mehr: Ohne Wohnung, ohne  Verwandte muss Mila sich auf die Hilfe ihres Freundes Wieland und seiner  Familie verlassen.

In „Der Krieg und das Mädchen“ wird die Stimmung, die zu Anfang des  20. Jahrhunderts herrschte, gut eingefangen. Krieg wird für die  Jugendlichen als einmalige Chance dargestellt, ein Held zu werden.  Vätern wird klargemacht, dass es eine Schande sei, wenn ihre Söhne nicht  an die Front gehen. Lehrer müssen alles vergessen, was sie über blutige  Kriege und neuartige Waffen gelesen haben, und ihren Schülern von dem  „Abenteuer Krieg“ vorschwärmen. Als Leser kann man nur fassungslos den  Kopf schütteln.
Gleichzeitig begreift man aber auch, dass die Stimmen, die Angst vor dem  Krieg haben, entweder von Anfang an schweigen oder zum Schweigen  gebracht werden. Es waren nicht alle für diesen Krieg, aber die  Befürworter haben einfach lauter geschrien. Außerdem spielen bei jeder  der Figuren auch noch individuelle Probleme eine Rolle bei ihrer  Position zum Krieg.
Der eine entdeckt verbotene Gefühle in sich und will sich an der Front  „heilen“, ein anderer wird von seinem Vater unter Druck gesetzt. Und am  Ende bleibt nur noch eine ernüchterte Gesellschaft, die begreift, dass  Blut und Tod nichts mit Ehre und Heldentum zu tun haben.

Insgesamt ist „Der Krieg und das Mädchen“ eine grandiose  Gesamtdarstellung der Gesellschaft vor und zu Beginn des ersten  Weltkrieges mit all ihrer Komplexität, verpackt in die spannende  Geschichte um Mila und ihre Freunde.

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