Der Report der Magd
Der Report der Magd
05. Mai 2020
von Kathrin
5 Sterne
Kathrin Jahrgang 2002 Redaktion Lübeck
hat 5 Sterne vergeben

„Es gibt mehr als eine Art der Freiheit… die Freiheit zu, und die Freiheit von. In den Tagen der Anarchie war es die Freiheit zu. Jetzt ist dir die Freiheit von gegeben. Unterschätze das nicht.“

Freiheit von was? Von Vergewaltigungen, von Unsicherheit, von Verantwortung. Für die Frauen ändert sich vieles, als sie sich nach einem Staatsstreich in dem Staat Gilead wiederfinden, in dem strenge Regeln, klare Rollen und hin und wieder einige ausartende Gerichtsurteile für Recht und Ordnung sorgen sollen – und natürlich besonders für die Sicherheit der Frauen, versteht sich, die in dieser Gesellschaftsordnung vollständig entmündigt werden.


Blau


Grün


Rot


Das sind die neuen Kategorien, in die die Frauen eingeordnet werden. Leicht zu erkennen, um Missverständnisse zu vermeiden – und ihnen das menschliche zu nehmen. Eine jede ist mit Rechten und Pflichten versehen, und eine jede eingekeilt zwischen den jeweils anderen – je eine Farbe zum Tragen, eine zum Beneiden, eine zum Verachten.

"Normal ist immer das, woran ihr gewohnt seid. Das alles hier mag euch momentan nicht normal vorkommen, aber in einer Weile wird es das sein. Es wird normal werden."

Desfred ist rot. Rot ist auffällig, die Farbe der Mägde. Die Farbe der Fruchtbaren.


Die zunehmende Unfruchtbarkeit der Bevölkerung hat viele Gründe. Giftstoffe spielen eine Rolle, aber auch Verhütungsmittel und Abtreibungen. Kinder sind rar geworden. Es ist die Aufgabe der Mägde, schwanger zu werden und Kinder zu gebären. Kinder, die eigentlich nur 9 Monate lang IHRE Kinder sind. Danach sind sie die Kinder der Familien, denen sie zugeteilt wurden und sie selbst werden weitergereicht - an die nächste Familie. Sie haben nur drei Chancen: werden sie innerhalb dieser Zeitspanne nicht schwanger, so werden sie zu Unfrauen ernannt. Die Gruppe ohne Farbe, die die Leichen und den Giftmüll entsorgen. Sie werden zu denen, die im alltäglichen Leben unsichtbar, jedoch als Drohung stets präsent sind. 

Desfred erinnert sich oft an die Zeit vor den Reformen. Das ist das einzige, was sie bei Verstand hält und gleichzeitig auch eine Waffe. Ihre Generation ist eine Gefahr, weil sie sich eine andere Welt vorstellen können. Für sie gibt es Alternativen, die, wenn sie schon nicht gelebt, doch gedacht werden können.

Der Report der Magd ist ein Buch, das man stehend, liegend, gehend oder wahlweise auch frierend auf einer harten Bank in der Stadt sitzend lesen kann. All das stört tatsächlich nicht. 1985 erstmals erschienen, wird es nicht selten in einem Atemzug mit „1984“ von George Orwell oder „brave new world“ von Aldous Huxley genannt.

Trotzdem ist es keine klassische Dystopie. Sicher, die Zustände sind definitiv dystopisch – allerdings liegt ihr ein zutiefst humanistisches Menschenbild zu Grunde. Obgleich in dieser Welt jeder Mensch seinen Platz zu haben scheint und mechanisch seine Aufgaben ausführt, merkt Desfred langsam, dass sie sich alle ihre persönlichen Freiräume schaffen. Sie spielen alle ein Theaterstück, doch dahinter bröckelt das totalitäre System. 

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