Im letztem Winter war es soweit: der siebte und zugleich auch letzte Band der Hary Potter-Reihe erschien, welchem Ereignis die meisten wohl mit gemischten Gefühlen entgegen sahen. Zum einen wollte man natürlich endlich erfahren wie nun die Geschichte für den berühmten Zauberlehrling ausgeht. Zum anderem war man aber auch ziemlich traurig angesichts der Tatsache, dass nach diesem Band keine neuer ,,Harry Potter“ erscheinen würde und dass die Zeiten vorbei waren, in denen man sehnlichst auf das neue Buch gewartet und währenddessen allerhand Theorien ersonnen hatte.
Nein, dieser Winter trug die Aussicht ,,potterlos“ zu werden, da auch die Verfilmung des 6. Teils ,,Harry Potter und der Halbblutprinz“, welche November 2008 in den Kinos anlaufen sollte, auf den Sommer 2009 verschoben wurde. Doch dann wurden in den Buchläden Plakate ausgehängt, die den 4. Dezember 2008 als Erstverkaufstag für J.K.Rowlings neues Buch verkündeten: ,,Ein Klassiker aus der Zaubererwelt von Harry Potter – Die Märchen von Beedle dem Barden“.
Das 120 Seiten lange Büchlein, erschienen beim Carlsen-Verlag, enthält 5 Märchen: ,,Der Zauberer und der hüpfende Topf“, ,,Der Brunnen des wahren Glücks“, ,,Des Hexers haariges Herz“, ,,Babbitty Rabbitty und der gackernde Baumstumpf“ und das Potterfans wohl schon bekannte ,,Märchen von den drei Brüdern“. Das Buch wird mit einer Einleitung von J.K. Rowling begonnen und endet mit einer persönlichen Mitteilung von Baroness Nicholson of Winterbourne MEP. In der Einführung erfährt der Leser, dass die Märchen von Beedle dem Barden eine Ansammlung von Geschichten darstellt, welche vor allen Dingen Kindern vorgetragen werden, um ihnen allgemein anerkannte Werte und Tugenden nahezubringen und daher mit den Märchen der Gebrüder Grimm vergleichbar sind. Gleichzeitig werden aber auch die Unterschiede zu den Grimms Erzählungen deutlich. Die persönliche Mitteilung erklärt, dass man mit dem Kauf dieses Buch die Wohltätigkeitsorganisation ,,Children`s High Level Group“ unterstützt, die unter anderem für die vollständie Umsetzung der Kinderrechtskonvention in der ganzen Welt kämpft.
Nun, da hat sich J.K. Rowling einer anspruchsvollen Aufgabe gestellt. Märchen sind, laut Definition, Prosaerzählungen mit einfacher Handlung, ohne räumliche und zeitliche Anbindung, welche besonders für Kinder verständlich und durch eine Moral am Ende gekennzeichnet sein müssen. In ihnen sind die Grenzen zwischen Wirklichkeit und phantastischen Dingen aufgehoben. Doch in der Welt des Harry Potter ist dies sowieso der Fall. Rowling versucht also gewissermaßen sich mit den Gebrüder Grimm zu messen und ihnen gleichzeitig eine neue Bedeutung zu geben, nämlich das Lehren vom Sinn der Magie und ihrer Gefahren. Die Abgrenzung zu den Muggelgeschichten gelingt ihr insgesamt, wie ich finde, recht gut; nur ,,Babbitty Rabbitty und der gackernde Baumstumpf“ lässt einem stark an ,,Des Kaisers neue Kleider“ erinnern.
Doch gleich die erste Geschichte schafft einen guten Einstieg in das Buch. Die Moral am Ende könnte deutlicher kaum sein und auch stilistisch gesehen wirkt diese Geschichte für mich als Märchen glaubhaft. Aber schon die zweite Geschichte lässt, was meinen Anspruch anbelangt, eher zu wünschen übrig. Meine Bemängelung gilt der Handlung, die, meines Erachtens nach, eher mittelmäßig unterhaltend ist und am Ende schon fast in Kitsch endet, ohne dass dabei eine wirkliche Moral zu erkennen wäre. Den Tiefpunkt erreicht für mich das Buch mit ,,Des Hexers haariges Herz“. Inhaltlich betrachtet ist es das grausamste Märchen und ich empfinde diese Grausamkeit irgendwie als unangebracht, weil sie für mich nicht unbedingt viel zur Lehre beiträgt, wodurch man sie auch weniger hätte anbringen müssen. Vielleicht wollter J.K Rowling aber auch nur betonen wie wichtig es als Frau bzw. ,,Hexe“ ist, nicht auf sein Glück zu warten, sondern tatkräftig etwas dafür zu tun. Andernfalls ende man womöglich genauso unglücklich wie die Märchenprinzessin in dieser Geschichte. Einen wirklichen Aufschwung erfährt das Buch auch durch das vierte Märchen nicht. Die Geschichte zieht sich in die Länge, trifft weniger einen ,,märchenhaften“ Stil und die Handlung ist für meinen Geschmack auch ein bisschen wirr und desweiteren nicht gerade spannend.
Entschädigung findet der Leser mit dem letzten und Potterfans auch schon bekannten Märchen ,,Das Märchen von den drei Brüdern“. Hier stimmt einfach alles: eine kurzweilige, lehrreiche Geschichte, welche, meines Empfindens nach, auch sprachlich am meisten nach einem Märchen klingt. Diejenigen, die auch mit den restlichen Harry-Potter-Büchern vertraut sind, wissen über die Wichtigkeit dieses Märchens und dass es einen Schlüssel zur Auflösung der Handlung enthält. Mag sein, dass J.K. Rowling sich daher bei diesem Märchen besondere Mühe gegeben hat, weil es auch zur Geschichte von Harry Potter insgesamt beiträgt. So oder so nimmt die letzte Geschichte eine besondere Stellung ein und lässt den Leser beim Zuklappen des Buches dann doch mit dem Gefühl zurück wie schade es ist, dass nun wirklich kein Buch mehr zu erwarten ist, welches uns in die Welt von Harry Potter entführt.
Nun noch ein paar Worte zu Dumbledores Kommentaren am Ende jedes Märchens. Diese sollen dazu dienen, dass die Märchen von Muggeln anständig gewürdigt werden. Ich persönlich empfand die Idee anfangs interessant, doch als ich das Buch ausgelesen hatte, die Vorstellung, das Albus Dumbledore solche Randbemerkungen verfasst haben soll, recht unglaubwürdig. Es wird nur allzu deutlich, dass Dumbledores Anmerkungen eigentlich nur eine erklärende bzw. deutende Funktion bezüglich der Märchen darstellen sollen. Angereichert sind sie dann noch mit ein paar Nebeninformationen, z.B. die Tatsache, dass ,,Der Brunnen des wahren Glücks“ Objekt für den einzigen Versuch einer Theateraufführung in Hogwarts war. Den Schreibstil, den J.K. Rowling dabei verwendet, lässt nicht immer an Dumbledore erinnern, da seine Kommentare ja noch einen anderen Zweck zu erfüllen haben. Nur manchmal glitzern noch Momente durch, wo man die typische Wesensart Dumbledores in seinen Worten wiederfinden kann wie z.B. wenn er seine Meinung zu Mrs. Bloxams Märchen kundtut. Nichtsdestotrotz erfüllen die Kommentare schon ihren Nutzen, obgleich ich sie nicht immer als gut geschrieben empfinde.
Insgesamt würde ich sagen, dass das Buch für Potterfans, zu denen ich auch gehöre, durchaus lesenswert ist, weil es einen noch einmal in die magische Welt zurückholt, von welcher man sich ja eigentlich mit dem 7. Band verabschiedet hatte. Es stellt somit eine nette Ergänzung dar. Allerdings lädt es nicht gerade zum ,,Immer-wieder-lesen“ ein, wie es sonst bei den Potter-Büchern der Fall ist, da die Geschichten, meines Erachtens nach, nicht gerade einen großen Unterhaltungswert liefern. Nur ,, Das Märchen von den drei Brüdern“ ist für mich wirklich gelungen und wird wohl schon ein zweites Mal gelesen werden, da es auch entscheidend für den Verlauf der Harry-Potter-Geschichte ist.