In dem Roman „Die verborgene Sprache der Blumen“ von Vanessa Diffenbaugh geht es um die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die sich in diesem Fall deutlich dadurch äußert, dass die Hauptperson, Victoria Jones, ein Pflegekind ist, das seine leiblichen Eltern nicht kennt und so im Laufe seines Lebens mehrere Personen mit Mutterrollen hat.
Der Leser setzt bei Victorias achtzehntem Geburtstag ein ab dem ihr selbständiges Leben beginnt und erfährt immer wieder durch Rückblenden etwas über ihre Vergangenheit. Eine prägende Rolle als Pflegemutter hinterlässt Elizabeth, die der verschlossenen und teils aggressiven Victoria die Sprache der Blumen beibringt. Doch im Laufe der Jahre nach der tragisch endenden Zeit bei Elizabeth lernt Victoria durch Grant, der in einer komplizierten Beziehung zu Elizabeth steht, dass die Sprache der Blumen nicht immer eindeutig ist und dass auch sie selbst nicht die ist, für die sie sich lange Zeit hielt.
Die Stimmung ist oftmals rau, beinahe erdrückend unter Victorias Argwohn gegenüber sich selbst und dem Rest der Welt. An anderer Stelle ist es faszinierend und beinahe rührend wie Victoria in ihrer späteren Arbeit als Floristin den Ehrgeiz entwickelt den passenden Blumenstrauß für jeden Kunden als Individuum zu kreieren.
Besonders gut zeigt sich das, als sie für die depressive Frau eines Kunden einen Blumenstrauß zusammenstellen soll und sie bei den genannten Charaktereigenschaften sofort die Pflanzen im Kopf hat, die der Frau zu neuer Lebensfreude verhelfen können, zum Beispiel Immergrün für Zärtliche Erinnerung und Chrysanthemen für Wahrheit.
Als ich das Café erreichte, war es fast sechs Uhr. Aber ich wusste, dass er noch dort sein Würde. Ich öffnete die doppelflüglige Glastür und sah ihn allein an einem Tisch sitzen. Er hatte einen rosafarbenen Karton mit sechs Donuts vor sich.
Ich ging auf den Tisch zu, nahm aber nicht Platz.
„Rhododendron?“, fragte ich fordernd, wie Elizabeth es früher getan hatte.
„Warnung.“
„Mistelzweig?“
„Ich überwinde alle Hürden.“
Ich nickte. „Löwenmaul?“, fuhr ich fort.
„Anmaßung.“
„Silberpappel?“
„Zeit.“
Wieder nickte ich und verteilte die unterwegs gesammelten Disteln vor ihm auf dem Tisch.
„Gemeine Distel“, sagte er. „Misanthropie.“
Ich setzte mich. Er hatte meine Prüfung bestanden. Meine Erleichterung war jedoch trotz der fünf richtigen Antworten übertrieben. Plötzlich hungrig, nahm ich einen Donut mit Ahornsirup-Geschmack aus der Schachtel. Ich hatte den ganzen Tag nicht gegessen.
„Warum Distel?“, fragte er und entschied sich für einen, der mit Creme gefüllt war.
„Darum“, entgegnete ich zwischen zwei großen Bissen. „Mehr brauchst du über mich nicht zu wissen.“
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, denn obwohl Victoria alles andere als sympathisch ist, war ich fasziniert von ihr und ihrer Geschichte, deren Ende man unbedingt erfahren wollte. Durch die Rückblenden zwischendurch gibt es so viele ungeklärte Fragen: Warum hat sie Elizabeth verlassen, wenn sie doch so glücklich bei ihr war? Was für eine Bedeutung hat Grant für den weiteren Verlauf des Romans? Welche Gefühle drückt Victoria durch die Blumen aus? Und nicht zuletzt: Wird sie mit sich selbst glücklich?
Gleichzeitig ist die Sprache des Romans nicht kompliziert aber doch komplex in ihrem Inhalt und der Gedankenführung, die Victorias Wesen wiederspiegelt.„Die verborgene Sprache der Blumen“ ist ein ergreifendes Buch über Mütter, Töchter und unerkannte und falsch verstandene Botschaften, das einen in seinen Bann zieht.