Wie erklärt man jemandem aus dem „Westen“, dass dort, woher man kommt, die Frauen verschleiert rumlaufen müssen, man nicht händchenhaltend mit seinem Freund durch die Straßen laufen darf, Alkohol trinken ein Verstoß gegen das Gesetz ist und man für kontrarevolutionäre Gedanken ins Gefängnis kommt.
Die Revolution 1979 und der Sturz des persischen Schahs, hat nicht nur das politische Bild des Irans verändert. In dieser Umbruchszeit wächst ein junges Mädchen in Teheran auf. Marjane Satrapi erzählt in ihrem 2. Persepolis Comic mit dem schlichten Titel „Jugendjahre“ ihre Geschichte weiter. Inzwischen wurde die rebellische 14-jährige von ihren Eltern nach Österreich geschickt, wo sie fern vom Bombenregen, der während des Iran-Irak-Krieges auf die Hauptstadt schüttete, in Wien das französische Lycée besucht. Marjane lernt neue Menschen kennen, den Punk Momo, der ihr die Wiener Subkultur näher bringt und Markus, mit dem sie sich eine rosige Zukunft ausmalt, bevor es zerbricht. Es, das ist Marjane, die sich selbst verliert. Fern von der Heimat ist sie zwar frei, doch vergisst, woher sie kam, für welche Ideale sie den Iran verließ. Drogen lassen sie zwar Probleme verdrängen. Nach mehreren Monaten auf der Straße, weiß die nun fast 20-jährige, dass sie nach Hause muss. In der Hoffnung im Iran die Wiener Jahre, die geprägt waren von den Folgen grenzenloser Freiheit in der Fremde, zu vergessen, findet sie sich im Teheran nach 1979 wieder. Märthyrer-Namen auf jedem Straßenschild und an den Gebäudewänden sind flächendeckende Darstellungen, jener zu sehen, die das heutige Iran ermöglicht haben, Soldaten und Mullahs. Marjanes Depressionen treiben sie fast in den Tod. Aber nur fast. Die junge Frau beginnt mit neuem Selbstbewusstsein ein Leben im Iran. Ein schizophrenes Leben, in dem sie in der Universität eine Maske aufsetzt und sie zu Hause erst wieder absetzt oder wenn sie sich mal wieder mit Freundinnen über Männer auslässt. Nach dem sie merkt, dass sie in der eigenen Heimat fremd geworden ist, verlässt Marjane endgültig den Iran und geht nach Frankreich.
Satrapis expressionistischer, sehr bescheidener Zeichenstil, der aus dem qualitativen Mangel der Anatomie-Stunden entsprungen ist, da im Iran auch die weiblichen Modelle verschleiert sind, wird durch die tiefgreifende Thematik und die autobiographischen Inhalte gefüllt. Fünf Schüler im Alter von 17 bis 18 Jahren zweier Lübecker Gymnasien gestalten die Lesung am 17.2, 19.30 Uhr, auf den Lübecker Jugendbuchtagen, während im Hintergrund die Bilder auf eine Leinwand projiziert werden. Ihre Figuren sind der Realität entnommen. Ihre Schicksale beschreibt Satrapi. Ihre Bilder zeigen mal mit wunderbarem Humor ihre Metamorphose vom jungen Mädchen zur Frau mit Monster als Zwischenstadium. Dann erscheinen Menschen, die Reihe für Reihe zusammenstürzen, wie Marionetten, dabei werden sie standrechtlich erschossen. Vielschichtigkeit beweist sie. Das Thema Freiheit steht während des ganzen Comics als abstrakter Begriff im Vordergrund: Im Iran bleiben heißt Freiheit einbüßen. Doch will sie nach diesen turbulenten Jugendjahren überhaupt noch „grenzenlose“ Freiheit genießen? Marjanes Leben beschreibt, wenn auch nicht durchgehend, das Gefühlschaos der Heimatlosigkeit. Doch sie entdeckt für sich selbst, der Freiheit und der Heimat mögen Grenzen gesetzt sein, doch ein zu Hause findet sie überall.