Phoebe, ein neunjähriges Mädchen, schreibt Briefe an ihre ältere Schwester April, welche aufgrund ihrer Magersucht in einer Klinik ist. Die kleine Phoebe hat so viele Fragen und schreibt, um die Leere, die ihre April in der Familie hinterlassen hat, zu füllen. Wann wird April zurückkommen? Wird sie zurückkommen? Phoebe, die eigentlich noch viel zu klein ist, sucht Antworten, die sie noch gar nicht verstehen kann, und versteht sie doch besser als ihre Eltern. Durch ihre Briefe versuchen die beiden Schwestern sich mit Hilfe ihrer Worte zu retten.
„Rücksicht nehmen ist eine schöne Wortzusammensetzung. Weil es klingt, als würde man sich umdrehen, jemanden sichten und dann zurückgehen, um für ihn da zu sein. Ich werde immer für dich zurückgucken. Und auch nach vorne und zur Seite. Überallhin wo du gerade bist! Und ich werde dich immer sichten, selbst wenn Tausende von Menschen um dich herumstehen und einige davon dir ganz ähnlich sehen.“
Worte voller Emotionen und tiefer Gedanken besetzen jede Seite ganz dicht, sodass einem teilweise die Luft zum Atmen wegbleibt. Lilly Lindner spielt so selbstverständlich und federleicht mit ihren Worten, dass ich manchmal vergaß, dass diese leicht bewegbaren Worte mich auf eine ganz intensive Weise berühren.
In ihrem Buch gibt es jedoch keine Seite, die nicht die tiefe und stille Verzweiflung der beiden Mädchen aufs Schärfste ausdrückt. Es sind Worte, so messerscharf wie eine Rasierklinge, die das Leid greifbar machen. Das Leid und vor allem die Stille, welche durch die Briefe in die Leere ganz besonders zu spüren ist, die einen verschluckt.
Ich habe mich noch nie beim Lesen eines Buches so alleine gefühlt. Dieses Gefühl, zu wissen, dass jemand gegen die Stille und den leeren Platz anschreibt und doch keine Antwort erhält, hat mich teilweise selbst zerrissen. Dazu dieser Kontrast, dass die Worte einen auffangen und versuchen einen zu beschützen, macht das Buch einzigartig. Die Verzweiflung der Schwester mit ihren vielen Worten ist gefühlvoll und zart beschrieben. Derartige Worte ließen mich spüren, wie kostbar Worte sein können und dass es nicht die schweren Worte sein müssen, sondern die vorsichtigen. Eine ganz besondere, außergewöhnlich poetisch schön traurige Geschichte, die mich immer wieder zu Tränen gerührt hat.