„Ich liebe dich.
Diese SMS stammt von Oliver. Oliver ist mein Freund. Schön bis hierher. Aber: Diese Nachricht ist nicht an mich gerichtet.
Tatsächliche Empfängerin dieser Botschaft ist Isabella. Schön für Isabella. Schlecht für Isabella: Sie ist meine beste Freundin.“
So beginnt „Zwei Sommer“. Der erste Absatz allein zieht einen direkt in das Geschehen, denn er fasst zunächst gut zusammen, worum es in dem Buch geht.
Marie wird von ihrem Freund Oliver mit ihrer besten Freundin Isabella betrogen. Und all die Pläne, die Marie für diesen Sommer geschmiedet hatte, fallen plötzlich ins Wasser. Das schöne Wetter mit Oliver genießen, mit Isa für zwei Wochen nach Spanien fahren. Stattdessen beginnt für sie ein Sommer voller Tränen, düsterer Gedanken und mit verdammt großem Herzschmerz. Das ist Maries Sommer. Isa hingegen könnte den schönsten Sommer überhaupt erleben. Sie ist mit dem Jungen zusammen, den sie liebt und fährt mit Olli anstatt mit Marie nach Spanien. Aber das schlechte Gewissen lässt sie nicht los und plötzlich vermisst sie ihre beste Freundin wie niemand anderen auf der Welt.
Die Geschichte erzählt sich in zwei Teilen. Im ersten Teil „Marie“ wird sie aus ihrer Perspektive erzählt und im zweiten Teil dann aus Isas Sicht. Und dieser erzählerische Kunstgriff macht das Buch so spannend, trotz einer eigentlich banalen Thematik.
Liest man den „Marie-Teil“, scheint einem alles klar zu sein. Natürlich wird sie von ihrem Freund betrogen, denn Isa ist schön und blond und gut im Small-Talk und Marie ist und kann nichts von alldem. Der Klassiker aller Teenager-Bücher also.
Doch liest man den „Isa-Teil“ erfährt man, dass Isa unsicher ist, nicht versteht, wie jemand sie nach Marie lieben kann, sie Marie beneidet für ihr Talent und ihre Liebe zum Schreiben, Marie aber auch richtig egozentrisch und gemein sein kann.
Es gibt keine klassische Täter-Opfer-Aufteilung, es werden zwei gleichberechtigte Figuren geschaffen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dadurch ergibt sich ein komplexes Gerüst aus zwischenmenschlichen Konflikten und Schwierigkeiten, in das es Spaß macht einzutauchen. Und man stellt fest, dass es in Wahrheit um viel mehr geht als zwei Mädchen, die sich um einen Jungen streiten. Es geht um Freundschaft, um die eigene Identität und darum, wie man wieder auf die Beine kommt, wenn die eigene Welt vollständig zerstört scheint.
Erst wenn man das Buch mehrmals liest, spürt man, dass in der Marie vielleicht mehr Herzblut steckt als in der Isa, als hätte die Autorin ihr selbst näher gestanden. In dem Fall ist das Konstrukt nicht vollständig ausgeglichen, die Marie doch ein wenig stärker als die Isa. Doch fällt das kaum ins Gewicht.
Die Geschichte wird dann in einem Ton erzählt, der sehr authentisch wirkt, wie es bei vielen Büchern der Kategorie „Jugendbuch“ zunächst nicht der Fall ist. In diesem Buch fühlst du dich ernstgenommen und verstanden und es ist eines der wenigen Bücher, das ich kenne, in dem sich die Gleichaltrigen tatsächlich so benehmen wie man selber und sich vor ähnlichen Problemen und Schwierigkeiten sehen.
Spannend ist auch der Stil des Buches. Er wird gezeichnet durch oftmals kurze Sätze, die für einen ironischen oder bitteren Klang sorgen. Das ist bemerkenswert: Obwohl Marie und letztlich auch Isa totunglücklich sind, ist das Buch unglaublich humorvoll. Es darf auch ruhig sarkastischer, gemeiner Humor sein, zum zwischenzeitlichen Schmunzeln bringt er einen auf jeden Fall. Das unterscheidet „Zwei Sommer“ so von anderen „Mädchenbüchern“. Obwohl für Marie alles schiefgelaufen ist, was schieflaufen kann, möchte sie trotzdem Spaß haben und sich wieder verlieben. Isa verliert ihre beste Freundin und versucht sofort weiterzumachen, weiterzuleben, mit Olli glücklich zu werden. „Zwei Sommer“ ist kein trauriges Buch, auch wenn es von traurigen Dingen erzählt.
Der wahre Höhepunkt des Buches aber ist wohl das Ende. Man liest und liest und letztlich bleibt die Frage, ob die beiden Mädchen wieder zusammen finden können. Eine klare Antwort darauf gibt das Ende des Buches nicht, genau wie es im echten Leben selten eindeutige Antworten auf schwierige Fragen gibt. Und doch greift die letzte Seite die beiden Charaktere und ihre Beziehung zueinander zum Schluss nochmal so genau und spiegelt sie so klar, dass es nicht passender sein könnte.
Letztlich ist „Zwei Sommer“ definitiv ein Buch für Mädchen, wahrscheinlich noch mehr für Mädchen, die gerade Liebeskummer haben oder ihre beste Freundin vermissen. Man muss in einer ähnlichen Haut stecken, damit sich manche Passagen nicht doch zu kitschig lesen. Sieht man über kleinere „rosarote Ausfälle“ hinweg, bleibt einem ein ehrliches, humorvolles Buch, das einen über den eigenen Kummer hinwegtrösten kann – und das immer wieder.