Ein fantastisches Leseglück- ein Gespräch mit Rufus Beck
Wir sitzen in einem kleinen Raum in der Petri-Kirche in Lübeck. Uns gegenüber sitzt ein Mann mit grauen Haaren und einem Bart. Seine Weste ist blau und schon bei den ersten Worten, die aus seinem Mund kommen, verspüren wir eine angenehme Ruhe und Gelassenheit. Diese Stimme zieht einen sofort in ihren Bann und jeder verbindet mit ihr seine ganz eigenen Erinnerungen. Fotos von Celina Kuhn.
Ob im Auto, im Kinderzimmer, auf dem MP3-Player, in Regalen voller CDs, überall begegnet man dieser außergewöhnlich schönen Stimme. Die Rede ist natürlich von Rufus Beck. Wir hatten das große Glück, ihn in der Lübecker Petri-Kirche kennen zu lernen. Das TheaterFigurenMuseum Lübeck hatte ihn, im Rahmen ihrer Sonderausstellung „Sapperlot! Der Räuber Hotzenplotz auf Achse“, zu einer Lesung aus Ottfried Preußlers „Räuber Hotzenplotz“ eingeladen. Leider wurden wir die Opfer modernster Technik und unser Diktiergerät versagte uns, dieses Interview in seiner Gesamtheit mit Euch zu teilen. Dennoch werden wir mit diesem Artikel versuchen, die wichtigsten Sachen für Euch zusammenzubringen.
Die anfängliche Nervosität, die uns bei dem Gedanken, gleich unseren „Kindheits-Hörbuchhelden“ zu treffen, in den Augen zu lesen war, ist wie weggeschoben, als wir uns vorstellen und uns seine aufgeschlossene Aura umhüllt. Rufus Beck klingt nicht nur nett, er ist es auch! Als wir anfangen uns und unsere Arbeit vorzustellen, ist er sofort dabei und gibt uns das Gefühl, dass wir ernst genommen werden. Schon gleich verfällt er in einen leichten Plauderton und erzählt von seinen ersten Begegnungen mit dem Thema Lesen in seiner Internatszeit: „Die Primaner, also die Oberstufenschüler, haben damals immer uns „Kleinen“ vorgelesen. Aber die fanden die Kinderbücher natürlich total langweilig, deshalb haben sie uns das vorgelesen, was sie selbst gut fanden. Das ist der Grund, weshalb ich mit zehn den „Fänger im Roggen“ vorgelesen bekommen habe.“ Rufus Beck ist jedoch der Ansicht, dass das gut so war. Er glaubt, dass Kinder mit einem Filter lesen. Er selbst halte sich beim Fernsehen auch noch die Hände vor die Augen, wenn es zu brutal wird und gucke nur zwischen den Fingern hindurch. Man möchte es nicht sehen, aber man kann auch nicht ganz wegschauen.
Rufus Beck hat alles, was er eingesprochen hat, mit seinen Kindern ausprobiert. Seine Tochter hat in jungen Jahren Hörbücher gehört, die ganz und gar nicht für Kinderohren geeignet waren, aber er hat sie nicht davon abgehalten. Für ihn gibt es, wie für uns, keine klare Trennung zwischen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenliteratur. Was wir lesen, ist Jugendliteratur.
Für Rufus Beck ist gute Kinderliteratur ein Buch, das nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen gefällt. Seiner Meinung nach, seien für Kinder jedoch die Handlungen wichtiger, als die Figuren. Bei manchen Büchern, zu denen er die Hörbücher gesprochen hat, kann er sich nicht mehr an die Handlung erinnern, weil er so intensiv an den einzelnen Figuren gearbeitet hat.
Lesen spielt im Leben von Rufus Beck eine sehr wichtige Rolle. „Lesen muss man trainieren. Wenn man nicht regelmäßig liest, dann ist man nach drei, vier Seiten müde. Ich denke, dass das Leseverhalten der Kinder von dem Leseverhalten der Eltern abhängt. In meiner Familie war das sehr untypisch. Mein Sohn, Jonathan, hat immer sehr viel gelesen und meine Töchter eher weniger.“
Auf Grund dessen habe er seinen Sohn manchmal als „Lektor“ benutzt. „Ich habe manchmal in Manuskripte reingelesen und war nicht davon überzeugt. Dann habe ich es meinem Sohn gegeben. Wenn ich dann gesehen habe, dass er schon seit zwei, drei Stunden liest, dann wusste ich immer, dass da wohl doch irgendwas an dem Buch sein muss.“ Einige Projekte hätte er, ohne seinen Sohn, wahrscheinlich gar nicht gemacht. Inzwischen muss Rufus Beck aber wohl alleine die Entscheidungen treffen, da seine Kinder bereits erwachsen sind.
Rufus Beck liest gerne Bücher, die in Kapitel unterteilt sind. „Dann kann man sich selbst motivieren: Komm, ein Kapitel schaffst du jetzt noch.“
Beim Lesen Musik zu hören, empfindet Rufus Beck als eine Ablenkung. Deswegen findet er auch, dass die Musik bei Hörbüchern sehr gut ausgewählt sein muss. Die Musik soll unterstützen und nicht alle Geräusche, die beschrieben werden, nachahmen.
Außerdem sei es bei Hörbüchern anstrengend, sich auf die verschiedenen Stimmen der Charaktere zu konzentrieren, wenn beispielsweise alle durcheinander reden. Er habe bei Hörbüchern aber auch verschiedene technische Möglichkeiten, um die Personen bei Dialogen klar heraus zu kristallisieren. Zum Beispiel das Aufnehmen seiner Stimme auf unterschiedlichen Kanälen, damit es sich so anhört, als ob die beiden Personen neben dem Hörer stehen.
Hörspiele, welche von vorneherein als Hörspiele konzipiert wurden, empfindet er auch als eine gute Sache.
Obwohl Rufus Beck viel liest, sei Fantasy nicht sein Genre. „Manche Fantasy-Bücher sind mir einfach zu fantastisch. Da gibt es dann immer eine epische Schlacht am Ende oder so...“. Harry Potter habe ihm aber gefallen. „ J.K. Rowling wurde ja erst reihenweise abgelehnt, da es gleich sieben Bücher waren und keiner wusste, ob es überhaupt ein Erfolg wird.“ Die Hörbücher von Harry Potter sind zusammen mit dem Erscheinen der Bücher herausgekommen. „Da habe ich dann wirklich immer die Manuskripte bekommen.“
Als die Lesung immer näher rückt, verrät er uns, dass er noch gar nicht genau weiß, wie er die Personen in „Räuber Hotzenplotz“ lesen soll. Auch ein Buch, welches er als Kind nicht gelesen hat. „Was mir da entgangen ist... Ich mag die Bücher, das sind kleine abgeschlossene Geschichten, die kann man gut vor dem Einschlafen lesen.“ Kurz gibt er uns eine Kostprobe seines Könnens, indem er eine kurze Stelle liest und dabei mit verschiedenen Stimmen experimentiert.
Natürlich haben wir zum Abschluss unsere Standard-Interviewfrage gefragt: Was verbinden Sie mit einer blauen Seite?
Nach einem kurzen Zögern sagt Rufus Beck: „Wenn du eine blaue Seite siehst, dann weißt du, dass du am Abend vorher zu viel getrunken hast.“ Er lacht und fügt hinzu: „Ihr seht, ich bin nicht so fantasievoll.“
Schon müssen wir unseren Kindheitshelden wieder verlassen. Auch, wenn wir hiermit nicht das ganze Interview mit Euch teilen können, hoffen wir, dass wir Euch einen Eindruck von dem Mann geben konnten, dessen Stimme sofort jeden Raum mit Wärme durchflutet. Wir haben uns sehr gefreut, Rufus Beck treffen zu dürfen!