Interview mit Boris Koch
Im Rahmen der Leipziger Buchmesse hatte unser Blaue Seite-Redakteur Jan die Möglichkeit, Boris Koch zu interviewen.
Blaue Seite: Möchten Sie gerne die Rollen tauschen und selbst mal einen Autor interviewen?
Boris Koch: Das ist quasi die falsche Frage. Ich habe jahrelang als Literaturredakteur für eine Zeitung gearbeitet und sehr viele Kollegen interviewt. Es gibt natürlich noch andere Autoren, die ich gerne interviewen würde.
Blaue Seite: Welchen Autor fanden Sie am interessantesten? Worüber haben Sie sich am meisten gefreut?
Boris Koch: Schwer zu sagen, es waren wirklich einige. Ein sehr angenehmes Interview hatte ich etwa mit Tad Williams, der unter anderem „Otherland“ geschrieben hat. Er war zu der Zeit ein großer Star, ist er immer noch. Aber er nimmt sich Zeit und kann pointiert reden.
Es gibt ja andere Leute, die Interviews zusagen, ohne eigentlich Zeit dafür zu haben. Das sind dann sehr zähe Interviews. Natürlich muss auch die Chemie stimmen. Einmal durfte ich Christian von Aster interviewen. Wir haben inzwischen um die 120 Lesungen zusammen gemacht, das heißt wir haben einen Draht zueinander. Wir müssen uns am Anfang nicht erst „abtasten“. Das ist in einem Interview hilfreich, wenn du gleich auf den Punkt kommen kannst. Solche Interviews machen Spaß. Aber eigentlich haben mir die meisten Interviews Spaß gemacht, auch die Vorbereitung.
Blaue Seite: Sie haben eine gute Idee im Kopf: Würden Sie die lieber lesen oder aufschreiben?
Boris Koch: Wenn ich eine gute Idee habe, dann lieber schreiben.
Blaue Seite: Das ist Ihnen lieber, als Ihre Idee in einem fertigen Buch zu lesen?
Boris Koch: Ja, tatsächlich, außer ich bin müde. Ich lese gern und viel. Aber ich unterbreche das Lesen, wenn ich eine gute Idee habe. Das Schreiben geht vor.
Blaue Seite: Können Sie sich vorstellen, einmal eine Welt zu erfinden, in der Drachen böse sind?
Boris Koch: Theoretisch ja. Vielleicht wäre es auch spannend, das mal anders zu machen. Aber ich glaube, ich würde dann ein anderes Monster erfinden, weil ich viele Facetten an Drachen schon gezeigt habe. Aus Angst, mich zu wiederholen, würde ich mir etwas anderes ausdenken. Aber ich mag auch böse Drachen, zum Beispiel den aus der Nibelungensage. Ich finde die Idee eines gewaltigen Monsters faszinierend. Ich habe auch diverse Horrorgeschichten geschrieben – mich fasziniert also die dunkle Seite.
Blaue Seite: Entsprechen die Begabungen in „Die Feuer von Arknon“ Ihrer Vorstellung von Magie?
Boris Koch: Ich habe keine Vorstellung von Magie, ich halte Magie für Fiktion. Ich kann mir also ausdenken, was ich will. Ich hatte die Idee, dass die Magie an angeborene Kräfte gebunden ist, sodass man sie nicht erlernen kann. In den Büchern spielt Aberglaube eine große Rolle: Es bringt Glück, die Knubbel von Drachenflügeln zu reiben. Manchmal funktioniert das und manchmal nicht. Ich lasse es gern im Vagen, ob das Treffen mit einer Fee wirklich etwas bewirkt, und ob es die Feen überhaupt gibt. Ich mag dieses Schwammige, weil Magie etwas Mysteriöses hat. Wenn sie dann immer nach den Regeln funktioniert, die man einmal festgelegt hat, dann sind es halt Regeln. Und das ist mir zu nüchtern für so etwas Faszinierendes wie Magie.
Doch in den Romanen gibt es noch andere Magie. So kann der Schlüsselmacher ja einen Schlüssel bauen, der etwas bewirkt – und dieser Schlüssel wirkt auch ohne den Begabten. Es gibt also magische Gegenstände.
Blaue Seite: Hätten Sie selbst gerne eine magische Begabung? Und wenn ja, welche?
Boris Koch: Selbstverständlich. Aber so etwas, wie Drachen heilen zu können, wäre unsinnig, da es in unserer Welt keine Drachen gibt …
Vielleicht den Klassiker: fliegen, in Kombination mit der Fähigkeit, im All atmen zu können. Dann könnte ich mir den Mond ansehen und wieder zurückkommen. Ich könnte möglichst viel von der Welt sehen.
Blaue Seite: In Ihrem Buch werden verschiedene Götter angebetet. Stellen sie sich vor, diese Götter existieren?
Boris Koch: In meiner Vorstellung sind sie irrelevant. Sie existieren nicht oder sie existieren, kümmern mich aber nicht. Sie werden nie eine Rolle spielen. Mich interessiert vielmehr, was der Glaube an die Existenz von solchen Wesen mit den Leuten macht.
Blaue Seite: Lassen Sie sich bei Ihren Charakteren von realen Personen inspirieren?
Boris Koch: Bis zu einem gewissen Grad ja, weil auch erfundene Figuren Details brauchen und echt wirken sollen. Am einfachsten ist es für mich, mich an wirklichen Menschen zu orientieren, die ich getroffen habe – auch wenn ich noch nie eine Person eins zu eins übernommen habe.Ich habe Zivildienst in einer Kinderpsychatrie geleistet: Da hatte ich viel mit Leuten zu tun, denen das Leben übel mitgespielt hatte. Diese Personen fand ich für den „Drachenflüsterer“ viel interessanter als die typischen Fantasyhelden.
Blaue Seite: In einem Ihrer Bücher haben Sie Ihren Kopf als eine felsige Bucht beschrieben. Existiert dieser Ort wirklich? Wo liegt er?
Boris Koch: Nur in meinem Kopf. Früher in Interviews gab es häufig die Entweder-Oder Frage: „Das Meer oder die Berge?“ Ich habe immer geantwortet: „Beides“, weil ich in der Natur das Große, Bombastische mag. Deshalb also beides verknüpft in der felsigen Bucht.
Blaue Seite: Ben hat oft bewiesen dass er ein guter Anführer ist. Warum stellt er es trotzdem immer wieder in Frage?
Boris Koch: Ben ist in seinem Dorf als Außenseiter aufgewachsen, außerhalb der Gesellschaft, es fällt ihm also schwer, in Hierarchien zu denken. Einerseits möchte er sich dem Orden nicht unterordnen, auch sonst niemandem, doch zugleich gibt er anderen auch nur ungern Befehle. Doch wenn es aber drauf ankommt, merkt er, dass etwas getan werden muss und wird aktiv.
Blaue Seite: Im Buch wird an einer Stelle sehr ausführlich über die Herkunft der großen Felsen in der Bucht der zerrütteten Titanen diskutiert. Kennen Sie die Antwort?
Boris Koch: Die Frage ist, ob ich es verraten würde, wenn ich es wüsste …
In diesem Fall weiß ich es noch nicht. Mir ging es darum, wie eine Gesellschaft ohne wissenschaftliche Methoden sich eine Vergangenheit ausdenkt und sich aus diesem Nicht-Wissen starre Behauptungen entwickeln, die schlussendlich zu richtigem Zoff führen. Das alles kombiniert damit, dass es eigentlich keine Rolle spielt, welche Auslegung richtig ist. Mir geht es in dem Buch oft darum, was etwas, von dem man eigentlich überhaupt nichts weiß, dennoch für Auswirkungen haben kann.Falls ich die Herkunft der Felsen aber irgendwann mal doch festlege, wird es mit Sicherheit eine komplett neue Variante sein, denn keine der sich zoffenden Seiten hat Recht.
Blaue Seite: Hatten Sie noch eine feste Anstellung, während Sie Ihr erstes Buch geschrieben haben?
Boris Koch: Das ist etwas kompliziert. Ich habe lange studiert und nebenbei Kurzgeschichten geschrieben, die ich dann selbst mit 300 bis 400 Exemplaren veröffentlicht habe. Gelebt habe ich einerseits von der Gage für Auftritte in Buchhandlungen, Kneipen oder auf Musikfestivals, daneben habe ich jahrelang in der Redaktion der „Mephisto“ gearbeitet und in einer Buchhandlung gejobbt. Ich habe dann das Studium abgebrochen und bin so schleichend zum Schreiben gewechselt.
Blaue Seite: Haben Sie zu der Zeit schon regelmäßig geschrieben?
Boris Koch: Während meines Studiums nur, wenn ich mal eine Idee hatte. Nachdem ich dann das Studium abgebrochen hatte, habe ich natürlich regelmäßig geschrieben.
Blaue Seite: Dann noch eine abschließende Frage: Was stellen Sie sich unter einer Blauen Seite vor?
Boris Koch: Die Löschpapierseiten waren früher immer blau, obwohl ich eigentlich nicht an eine Seite denken möchte, die alles auslöscht …
Blaue Seite: Dann bedanke ich mich für das Interview.
Boris Koch: Ich bedanke mich für das Interesse.