Interview mit Claudia Kühn
Autorin: Claudia Kühn
Datum des Interviews: 08.09.2009
Interviewer: Johanna Schramm
Bücher der Autorin: Türkisch für Anfänger, Band 1 bis 4
die-blaue-seite.de: Guten Tag, Frau Kühn! Erst einmal vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben.
Claudia Kühn: Aber gerne!
Sie haben die Bücherreihe „Türkisch für Anfänger“ geschrieben. Es gibt auch eine passende Serie dazu. Was war nun zuerst da?
Nachdem die 1. Staffel in der ARD gesendet war, bekam ich das Angebot, die Bücher dazu zu schreiben, und war echt begeistert. Ich kannte bereits die Drehbücher von „Türkisch für Anfänger“ ziemlich gut und bin nach wie vor der Meinung, dass es eine der besten Serien im deutschen Fernsehen ist.
Okay, Sie haben also das Buch zur Serie geschrieben. Wie sind Sie denn dazu gekommen?
Als die Buchrechte verkauft waren, hat mir der Produzent der Serie den Tipp gegeben, mich beim Carlsen-Verlag als Autorin zu bewerben. Und als ich dann mit der Lektorin und der Taschenbuchchefin vom Carlsen-Verlag zusammensaß, haben wir ziemlich schnell festgestellt, dass wir dieselbe Vorstellung vom Buch haben. Das war ein guter Einstieg.
Und haben Sie es bereut, den Auftrag angenommen zu haben?
Nein, das habe ich nie bereut! Die Bücher zu schreiben, war für mich wie eine große Reise in ein unbekanntes Land zu unternehmen.
Inwieweit mussten Sie sich an die Drehbuchvorlagen halten?
Die Bücher sind meist nahe an den Drehbüchern erzählt. Allerdings erzähle ich immer aus der Ich-Perspektive von Lena. Sie ist zwar auch in der Serie die Hauptfigur, dennoch springt man im Film in verschiedene Perspektiven. Ich habe konsequent eine Perspektive eingehalten, mit der ich mich persönlich auch am meisten identifizieren konnte. Das wäre mir mit Opa Hermis Beinprothese vielleicht ein bisschen schwerer gefallen. Außerdem werden Drehbücher ja immer im Präsenz geschrieben. Romane dagegen meist in der Vergangenheit. Durch das Präsenz entsteht das Gefühl, die Geschichte passiert gerade eben und oft wird man dadurch einfach mehr mitgerissen. Inzwischen gibt es auch eine Menge Romane, die im Präsenz geschrieben sind. Ich habe das auch für die Bücher überlegt, mich dann aber doch für die Vergangenheit entschieden, weil ich die Vorstellung schön fand, dass Lena alles, was ihr in dieser verrückten Familie passiert, aufschreibt – in ihr Tagebuch. Die Geschichte einer Unterdrückung nennt sie das im Buch.
Konnten Sie sich mit den Figuren identifizieren? Mochten Sie vielleicht eine besonders?
Lena war für mich natürlich die Hauptidentifikationsfigur. Aus ihren Augen betrachte ich ja auch das gesamte Geschehen in der frischgebackenen Patchworkfamilie Schneider-Öztürk. Anfangs finde ich den neuen Bruder Cem, die neue Schwester Yagmur schrecklich, ich hasse, dass Metin meinen Vater spielen will und ich freunde mich schließlich mit Yagmur an, verliebe mich ein bisschen in Axel und furchtbar in Cem. Das habe ich mit Lena natürlich alles mit durchlebt.
Aber auch andere Figuren waren mir nah. Ich mag Doris. Egal, wie chaotisch und anstrengend sie ist. Und ich mag auch Nils, Lenas kleinen Bruder, mit seiner Sehnsucht nach einer heilen Familie. Aber auch Cem, der ein cooler Macho sein will, aber eigentlich ziemlich weich und verletzlich ist, und Axel, der alles dafür geben würde, Lenas Freund zu sein, weil auch er nach einer Familie sucht … Selbst Opa Hermi ist zwar ein echter Kotzbrocken, aber auch das ist doch nur Fassade. Er ist heilfroh bei Doris und ihrer Familie leben zu dürfen, denn dann gibt es wenigstens etwas worüber er sich aufregen kann …
Hat es Sie manchmal auch geärgert, nicht selbst kreativ werden zu können?
Der Versuchung musste ich widerstehen, weil während meiner Arbeit an den Büchern schon die nächsten Staffeln gedreht wurden. Ich hätte doch Opa Hermi unmöglich von Doris umlegen lassen können und dann taucht er in der 2. Staffel als Untoter wieder auf??? Klingt eigentlich gar nicht so schlecht…
Sprechen Sie türkisch?
Nein, leider nicht. Aber es gehörte von Anfang an zu meinem Buchkonzept dazu, dass es zumindest einige türkische Sätze und am Ende des Buches auch ein deutsch-türkisches Glossar geben wird. Es heißt: ‚Lenas Türkisch-für-Anfänger-Survival-Tipps‘, in denen man zum Beispiel erfährt, was „Durch die Hölle geht man besser zu zweit!“ auf türkisch heißt und wie man Köfte oder Imam bayildi macht.
Ich habe mich durch die Bücher der türkischen Kultur angenähert. Inzwischen habe ich türkische Freunde und mein Interesse an ihrem Leben hier in Deutschland oder in der Türkei ist geblieben. Trotzdem lachen die türkischen Schüler und Schülerinnen bei den Lesungen über mich, wenn ich türkisch spreche. Aber es ist ein freundliches Lachen, mit dem ich gut leben kann.
Hatten Sie Kontakt zu den Schauspielern der Serie?
Ja, inzwischen habe ich viele von ihnen auf meinen Lesungen getroffen. Zuerst Lena (Josephine Preuß), dann Yagmur (Pegah Ferydoni), Axel (Axel Schreiber), Doris (Anna Stieblich), Cem (Elyas M’Barek) und Costa (Arnel Taci).
Natürlich war ich immer aufgeregt, bei Cem hatte ich aber tatsächlich Herzklopfen. Da war in mir die Lena wieder lebendig.
Aber sie sind alle wirklich sehr sympathisch.
Schreiben Sie mit der Hand oder am Computer?
Ich schreibe alles am Computer. Manchmal mache ich mir Notizen in einem Notizbuch, was ich immer dann verbummle, wenn ich die Notiz unbedingt brauche. Das ist mir gerade wieder passiert. Das ist dann wie ein Computerabsturz. Alles weg …
Was ist das für ein Gefühl, im Laden zu stehen und auf dem Buchrücken den eigenen Namen zu lesen?
Ach, da war die doppelseitige Ankündigung vom Carlsen Verlag viel aufregender. Aber auch das war ein Gefühl, das sich relativ schnell verflüchtigt hat.
Ein viel schöneres Gefühl ist es für mich, auf Lesereise zu gehen. Im Mai habe ich z.B. in der Nähe von Heilbronn für drei Hauptschulklassen gelesen. Die wenigsten von den Schülern hatten jemals zuvor eine Lesung erlebt. Und dann haben sie anderthalb Stunden mucksmäuschenstill zugehört. Selbst die Lehrer haben mir für so viel Aufmerksamkeit gratuliert. Aber ich wäre am liebsten nochmal so lange bei ihnen geblieben und hätte alle Lesungen nachgeholt, die sie bisher versäumt haben. Das ist für mich ein unvergessliches Gefühl, irgendwie schön und traurig zugleich.
Gab es Zeiten, zu denen Sie so gar keine Lust oder Ideen mehr hatten und kurz davor waren, den Computer aus dem Fenster zu werfen?
Aber ja! Natürlich! Jeden Tag! Immer wieder aufs Neue! Aber das gehört dazu und ist nichts, was mich vom Schreiben abhalten könnte.
Es war ja gar nicht so einfach einen Termin zu finden. Womit waren Sie beschäftigt? Was tun Sie sonst noch so?
Türkisch für Anfänger waren meine ersten vier Bücher. Davor habe ich Drehbücher geschrieben und als Dramaturgin und Lektorin für Film und Fernsehen gearbeitet. Ich lektoriere auch jetzt noch Bücher für die Kinderbüchersendung Quergelesen vom RBB. Seit einem Jahr leite ich Schreibkurse für Kinder und Jugendliche (www.schreibkurse.com) und seit einem halben Jahr sind auch Erwachsene dazugekommen. Einer meiner Autoren hat sogar schon den Theo-Preis der schreibenden Schüler Berlin Brandenburgs für seine Geschichte bekommen. Und ich habe ein Buch mit zehn Geschichten und einem Gedicht der jungen Autoren und Autorinnen herausgegeben. Es heißt: „Reisen, Riesen, Roboter“.
Außerdem habe ich, gemeinsam mit Nadia Budde, an ihrem Buch über ihre Kindheit gearbeitet: „Such dir was aus, aber beeil dich“. Es ist im Frühjahr im Fischerverlag erschienen. Dafür haben wir auch eine sehr schöne Veranstaltung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene konzipiert.
Und gerade sitze ich bereits an einer nächsten Kinderbuchreihe für den Carlsen Verlag, die allerdings erst 2011 erscheint.
Können wir in der nächsten Zeit ein weiteres Buch zu „Türkisch für Anfänger“ von Ihnen erwarten?
Leider sieht es im Moment gar nicht danach aus. Aber ich bin da immer für alles offen …
Eine Frage noch, in meinem persönlichem Interesse: Funktioniert das Madeleines-Rezept wirklich?
Aber ja! Es ist zwar im Buch stark vereinfacht wiedergegeben, aber es funktioniert!
Gut. Dann vielen Dank für das Gespräch. Und wir freuen uns auf ihre neuen Bücher.
Ich bedanke mich auch für das nette Gespräch.