Interview

Interview mit Cornelia Franz

Die Blaue Seite im Gespräch mit Cornelia Franz

Bei den Jugendbuchtagen 2013 las die Autorin Cornelia Franz am 30. Januar aus ihrem neuesten Jugendbuch „Ins Nordlicht blicken“. Die Blaue Seite nutzte die Gelegenheit, um nach der Lesung mit ihr zu sprechen.

Blaue Seite: Ihr Buch „Ins Nordlicht blicken“ spielt in Grönland. Waren Sie schon einmal in Grönland?

Cornelia Franz: Ja, als ich das Buch angefangen habe, noch nicht, aber bevor es ganz fertig war, bin ich hingeflogen, um alles nachzurecherchieren und zu schauen, ob die Atmosphäre und die Einzelheiten stimmen.
Ich war vor genau einem Jahr, im Winter, für 12 Tage dort.

BS: Wie kamen Sie darauf, die Geschichte teilweise im Jahr 2020 spielen zu lassen? 

Cornelia Franz: Weil der Hintergrund der Geschichte auch die Klimaveränderung ist. Das steht nicht im Mittelpunkt der Geschichte, aber vor dem Thema der Erderwärmung, die für Grönland eine große Rolle spielt, entwickelt sich die Geschichte, denn Jonathan will eigentlich nach New York, aber New York ist im Jahr 2020 eben geflutet. Und der Blick in die Zukunft macht es noch ein bisschen besser möglich, zu zeigen, wie die Auswirkungen für dieses Land sind, das, wie kaum ein anderes, von der Klimaerwärmung vielleicht auch profitiert, also nicht nur die negativen Seiten mitbekommt, sondern eben auch die positiven Seiten.

BS: Wie haben Sie Ihre Charaktere gefunden? 

Cornelia Franz: In diesem Buch, das eigentlich ganz weit fern von meinem eigenen Leben ist, steckt trotzdem ganz viel von mir selbst drin. Pakkutaq [die Hauptfigur des Buches] hat sehr viel von mir. Er erzählt eine Geschichte und die Entfremdung, die er empfindet, dieses Gefühl, dass er keine Nähe zu seinem Vater aufbauen kann, dieses Gefühl weg zu wollen – das alles sind Sachen, die ich als Jugendliche in dem Alter auch so empfunden habe, auch wenn mein Leben natürlich ein völlig anderes Leben war. Aber ich bin auch bei meiner Großmutter aufgewachsen, genau wie Pakku. Meine Mutter ist gestorben, als ich noch ein Baby war, da gibt es also durchaus Parallelen. Und von daher war mir die Figur des Pakkus sehr nah. Die anderen Figuren haben sich dann aus der Konstellation der Geschichte heraus ergeben.

BS: Jetzt eine ganz andere Frage: Sie haben auch Reiseführer geschrieben. Was hat Ihnen daran gefallen?   

Cornelia Franz: Ich habe damals, als ich Lektorin gewesen bin, in einer Reiseführerredaktion gearbeitet, von daher gab es da schon deswegen eine Anbindung. Und ich habe einfach schon immer sehr gerne Reisen unternommen – exotische Reisen, das war immer ein ganz wichtiger Teil meines Lebens, den ich aber, seitdem ich Kinder und eine Familie habe und nicht nur an mich selbst denken kann, auch nicht mehr so ausleben kann.

BS: Sprechen Sie auch verschiedene Sprachen, wenn Sie so gerne reisen? 

Cornelia Franz: So die üblichen, also Englisch, Französisch, Spanisch, ein bisschen Italienisch.

BS: Was lesen Sie selbst gerne? 

Cornelia Franz: Ich lese sehr gerne realistische Bücher. Ungerne lese ich reine Thriller, wo das Blut spritzt und wo es wirklich brutal zugeht. Ein Buch, das ich im letzten Jahr gelesen habe und das ich großartig fand, ist das Buch „Ein Geheimnis“ von Philippe Grimbert. Das ist die Geschichte eines Jungen, der in Frankreich während der deutschen Besatzungszeit aufwächst. Das ist spannend, aber eben tatsächlich passiert, also in gewisser Weise auch eine historische Geschichte, die aber so ist, dass man denkt, das kann man sich eigentlich nur ausgedacht haben. Echt sehr raffiniert.

BS: Gibt es Punkte, von denen Sie sagen, dass sie in einem spannenden Buch unbedingt vorhanden sein müssen? 

Cornelia Franz: Ja, eine Geschichte muss vorhanden sein. Eine richtigeGeschichte. Ich lese z.B. nicht gerne Kurzgeschichten, denn kaum hat man angefangen, ist die Geschichte schon wieder zu Ende. Ich finde es toll, wenn man in eine Geschichte hineingezogen wird. Es gibt ja auch Bücher, die eher Episoden erzählen, ohne dass die Handlungsstränge wirklich miteinander verwoben sind. Das mag ich nicht so gerne. Ich finde es toll, wenn sich die Autoren die Mühe geben, eine richtig spannende Geschichte zu erzählen, bei der man auch wissen will, wie es weitergeht. Und wenn das dann noch dazu mit ein bisschen Tiefgang und psychologisch Ausgefeiltem verbunden ist, mag ich das am liebsten.

BS: Gibt es bei Ihnen Tage, an denen Sie nicht schreiben können, Sie also eine Schreibblockade haben? 

Cornelia Franz: Schreibblockaden an sich kenne ich nicht. Was ich aber immer wieder habe, ist, dass ich nicht weiß, wie es weitergeht. Oft entwickle ich die Geschichte nicht vorher, sondern sie entwickelt sich beim Schreiben. Und dann passiert es eigentlich regelmäßig, dass ich mich ein bisschen festfresse mit der Geschichte und dann denke: „Um Gottes Willen, wie geht das weiter?“ Das finde ich aber genau das Spannende. Ich bin dann im Prinzip die Figur im Buch, die auch nicht weiter weiß. Die auch denkt: „Wie komm ich hier jetzt wieder raus? Wie komme ich aus dieser Klemme, aus dieser Krise raus, in die ich geraten bin?“ Und das geht mir dann ganz genauso. Dann diskutiere ich mit meinem Mann, mit Freunden oder ich schicke das unfertige Manuskript an Kolleginnen und frage: „Wie soll ich das wieder lösen?“ Ich hatte z.B. mal ein Buch, in dem ein 16-jähriges Mädchen schwanger geworden ist und ich wusste überhaupt nicht, wie ich das lösen soll. Wir haben im Freundeskreis viel darüber diskutiert, so, als wäre es wirklich passiert. Und einige haben dann auch gesagt: „Wenn du nicht weiter weißt, dann kannst du das ja auch rückgängig machen.“ Aber das geht dann eben nicht. Die Geschichte ist an dem Punkt und dann ist es passiert. Das sind dann keine Schreibblockaden im engeren Sinn, das ist einfach eine Krise, in der ich mit dem Buch stecke. Das empfinde ich aber als sehr produktiv, denn daraus ergeben sich oft die spannendsten Wendungen.

BS: Haben Sie ein Land, in das Sie unbedingt reisen wollen? 

Cornelia Franz: Also ich war z.B. noch nie in Südafrika, immer nur in Nordafrika. Aber im April werde ich nach Äthiopien fliegen. Damit erfüllt sich dann so ein Zielwunsch.

BS: Zum Abschluss: Was ist für Sie eine blaue Seite? 

Cornelia Franz: Bei „blaue Seite“ habe ich die Assoziation von „blue screen“. Ich habe früher auch mal in der Filmbranche gearbeitet. Ich weiß nicht, ob die Technik mittlerweile überholt ist, aber damals gab es immer diese blaue Wand. Bei Nachrichten z.B. steht der Nachrichtensprecher oder Moderator vor einer solchen blauen Wand und darauf wird dann alles projiziert. Und außerdem passt blaue Seite auch zu meinem Buch, weil es so blau-türkisfarben ist.

BS: Vielen Dank für das Interview!

RedakteurRedakteur: Estelle
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