Interview mit Flix und Ralph Ruthe
Auf der Leipziger Buchmesse 2013 interviewten Mara und Bjarne Flix und Ralph Ruthe. Beide sind Comicbuch-Autoren, die auch zusammen arbeiten und gemeinsam den Reporterhund „Ferdinand“ erfanden. Flix schrieb und zeichnete unter anderem auch „Faust“.
Blaue Seite an Flix: Wie kommt man von „Felix Görmann“ auf „Flix“?
Flix: Das war früher mein Spitzname. Als ich anfing Comics zu machen, dachte ich mir, dass ich eine Abkürzung brauche und auf mein erstes Werk habe ich einfach „Flix“ geschrieben. Da es gleich veröffentlicht wurde, hat sich das gehalten und jetzt steht das auf jedem Werk.
Blaue Seite: Wirst du auch von Freunden so genannt?
Flix: Ja, auch meine Mutter sagt das.
Ralph Ruthe: Ich sage oft „Felix“. Ich finde „Flix“ ganz lustig, aber mir ist es zu weit weg – dafür sind wir zu gut befreundet.
Flix: Das mag ich inzwischen ganz gerne. Früher war „Felix“ stark damit verbunden, wenn ich etwas angestellt habe. Dann hat meine Mutter böse „Felix“ gesagt. „Flix“ war die liebevollere Variante. Inzwischen ist mir das im privaten Bereich viel lieber. Jetzt bin ich 35 und es gibt Leute, die nicht mehr wissen, ob sie duzen oder siezen sollen und bei manchen Leuten kommt dann „Herr Flix“ dabei raus. Das ist auch ganz hübsch.
Blaue Seite: Herr Ruthe, und wie ist das bei Ihnen?
Ralph Ruthe: Den Namen habe ich als Kind gewählt, weil ich dachte, ich brauch doch einen Nachnamen.
BS: Es ist also Ihr echter Name.
Ralph Ruthe: Als ich angefangen habe Bücher zu machen, meinten manche Leute, dass das ein verrückter Künstlername sei. Ralph Ruthe klingt ein bisschen wie in Entenhausen – für mich klingt der natürlich vollkommen normal. Aber meine Eltern fanden das ganz originell. Der Name hat mir nicht geschadet.
BS: War das Zeichnen bei Ihnen ein Kindheitstraum?
Flix: Ja. Das wollte ich schon immer machen. Ich habe das als Kind in der Schule schon gerne gemacht. Die ersten Comics habe ich dort gezeichnet und in der Schülerzeitung veröffentlicht. Da hatte ich meine ersten Aufträge. Dann habe ich in die Richtung studiert und hatte die Möglichkeit meine Technik zu verfeinern und zu üben. Am Ende ist dann der Beruf „Comiczeichner“ dabei rausgekommen.
Ralph Ruthe: Ich wollte als Kind zwischen 4 und 11/12 Jahren auf jeden Fall Comiczeichner werden. Dann habe ich gemerkt, dass mein Hauptantrieb der Humor ist. Ich liebe es Menschen zum Lachen zu bringen. Es hat sich mehr und mehr herauskristallisiert, dass die Form mir fast egal ist. Sei es die Bühne, ein Film, oder was auch immer. Jetzt ist noch das Geschichten erzählen hinzu gekommen. Der Kern ist Humor. Ich bin aber super froh, dass ich zeichnen kann. Sonst hätte ich es wahrscheinlich auf einem anderen Weg gemacht.
BS: War in der Schule Kunst euer Hauptfach?
Ralph Ruthe: Nein. Ich hatte in Kunst immer nur eine wackelige 3. Ich persönlich finde auch nicht, dass im Kunstunterricht die Kreativität gefördert wird. Man lernt eher bestimmte Techniken. Es ist eher ein Werkunterricht. Wenn man zu kreativ wird, holen einen die Lehrer runter.
Flix: Meine Lehrerin hat lustiger Weise meinen Zeichenblock mal aus dem Fenster geworfen, weil sie fand, dass es ein schlechtes Bild war.
BS: Hast du davon ein Kindheitstrauma?
Flix: Nö. Die Frau war bekloppt. Ich hatte in der 9. Klasse das letzte Mal Kunstunterricht.
BS: Also muss man, um Comiczeichner zu werden, nicht gut in Kunst sein?
Ralph Ruthe: Muss man exorbitant gut in Deutsch sein, um Romanautor zu werden? – Mit Sicherheit nicht. Wenn du einfach gute Geschichten zu erzählen hast, dann könnte man grundsätzlich auch Analphabet sein. Das ist nur das Handwerk – Schreiben ist Handwerk und Zeichnen ist Handwerk. Bei manchen geht es natürlich über das Handwerk hinaus. Wenn jemand wirklich was drauf hat, ist Technik zweitrangig.
Flix: Du musst Interesse haben. Es geht nicht um die Ausbildung von irgendwelchen Fähigkeiten, sondern um das Interesse daran. Wenn man dafür brennt und sich nicht vorstellen kann, irgendwas anderes zu machen, dann fingert man sich da seinen Weg zu Recht und macht das. Wenn man die Werdegänge von Comiczeichnern vergleicht, sind die alle unglaublich individuell. Jeder geht seinen ganz eigenen Weg.
Ralph Ruthe: Genau wie bei Autoren oder Schauspielern.
Flix: Die wollen das machen und suchen einen ganz persönlichen Weg, dies auch zu tun.
Ralph Ruthe: Ich kenne so viele Musiker, die keine Noten lesen können. Das ist irrelevant. Man muss als Musiker z.B. jetzt nicht perfekt Zitter spielen und die 12-TonTechnik beherrschen.
Flix: Im Gegenteil. Manchmal habe ich das Gefühl, das hemmt sogar. Man klebt dann an der Technik und lässt davon nicht wieder los. Im Grunde muss man sich zwischendurch zwingen, gerade wenn man so gut ausgebildet ist, einfach mal z.B. mit der linken Hand zu zeichnen. Um den ganzen Quatsch zu vergessen.
Ralph Ruthe: Das sehe ich genauso. Kunstunterricht hat mir überhaupt keinen Spaß gemacht. Es ging immer darum, in irgendeiner Form nachzustellen. Das hat mich zu nichts von dem gebracht, wo ich heute bin. Dort bin ich angeeckt. Zum Beispiel haben mich die Sprachen sehr interessiert, da muss man auch die Grammatik und die Vokabeln lernen. Das kann ich vollkommen nachvollziehen Aber bei Kunst?
Flix: Und gerade, wenn man das anwenden will, lernt man das viel intensiver. Man kann es verwenden und hat es nicht einfach nur auswendig gelernt.
BS: Flix, nach der Schule hast du in Saarbrücken und Barcelona Kommunikationsdesign studiert. Warum gerade die Städte und was ist Kommunikationsdesign?
Flix: Kommunikationsdesign ist im Grunde der Überbegriff für alle zweidimensionale Gestaltung. Wenn A B etwas vermitteln möchte, kommt Kommunikationsdesign zum Tragen. Das ist Buchgestaltung, Plakatgestaltung, Piktogramme, Layout-Technik und Webseiten. All dieser Kram. Vorher hat man das Grafikstudium genannt.
Zu den Städten: Ich hatte mich an mehreren Hochschulen beworben und Saarbrücken hatte mich genommen. Da meine Eltern es gut fanden, dass ich ein Studium mache, hab ich es gemacht. Es war eine gute Zeit. Aber ich wäre auch ohne diese Ausbildung Comiczeichner geworden.
Barcelona ist die Partnerhochschule von Saarbrücken. Es wollte niemand nach Barcelona. Dann wurde ich gefragt, ob nicht wenigstens ich Lust hätte. Man würde sich auch um den ganzen Papierkram kümmern und ich bekäme ein Stipendium. Dann bin ich hingefahren und es war ein sehr geiles 3/4 Jahr.
BS an Ralph Ruthe: Wie war dein Werdegang?
Ralph Ruthe: Ich habe sehr früh angefangen im „Profilager“ zu arbeiten. Ich habe schon mit 10 Jahren alle professionellen Comicmagazine in Deutschland mit Leserbriefen vollgeballert, zu denen ich mein Werk beigefügt habe. Das heißt, ich habe meine Comics genommen in Umschlag gesteckt und zu „Micky Maus“ oder „Fix und Foxi“ geschickt und habe gesagt: „Hier, bitte drucken!“. Ich war mir vollkommen sicher, dass es kein Argument dagegen gibt, das abzudrucken, weil es ja fertig ist. Ich habe das Glück gehabt, dass diese Redakteure und die Zeichner der Magazine sehr früh erkannt haben, dass ich irgendwie Talent habe und dass die Ideen ganz witzig sind. Dafür, dass ich 10 Jahre alt war, war es anscheinend doch ganz gut. Viele haben zurück geschrieben und kritisiert, was mich sehr motiviert hat. Dann habe ich mit 14 angefangen für Profis zu texten. Man fand meine Geschichten besser, als meine Zeichnungen – was wieder dafür spricht, was ich eben gesagt habe: Ich bin kein guter Handwerker, aber ich habe gute Ideen. Ich wurde damals dafür bezahlt. Ich hatte einen Fuß in der Tür und war bereits professioneller Autor, bevor ich überhaupt mit der Schule fertig war. Ich habe nur noch meinen Eltern den Gefallen getan und eine Ausbildung zum Mediengestalter gemacht. Danach hätte ich im professionellen Comicbereich weiter machen können. Ich habe aber erst einmal bei der Zeitung, bei der ich gelernt habe, weiter gearbeitet. So war ich eben erzogen- sicher ist sicher. Kurz vor der 30 habe ich alles hingeschmissen und bin freier Autor und Zeichner geworden. Nichts von dem, wovon ich heute lebe, habe ich direkt gelernt.
BS: Wie kamt ihr von der Uni zum Comiczeichner?
Flix: Ich habe währenddessen schon viel gemacht. Ich musste für die Uni den ganzen Quatsch, wie Prüfungen und Scheine machen, und habe deshalb nur nebenbei Comics gezeichnet. Ich hatte in der Zeit auch schon meine ersten Sachen veröffentlicht. Ich war beim Eichborn-Verlag. Die haben mich gefördert – zum Beispiel, mit Illustrationsaufträgen, um mein Studium zu finanzieren. Nach dem Studium habe ich weiter gemacht und alles Stück für Stück aufgebaut. Ich habe immer viel Zeit für eigene Sachen eingeplant und nicht die ganze Zeit mit Auftragsarbeit verballert.
Ralph Ruthe: Das hält dich auf Dauer nur auf. Du verdienst Geld damit und das Geld lullt dich ein. Ich hab lange genug solche Jobs gemacht und vor 5 oder 6 Jahren hab ich gesagt: „Nee, das kann´s nicht sein“. Es kommen immer Jobs, dann kommen die besser bezahlten Jobs und irgendwann ist man in der Position, in der man merkt, dass man damit wirklich Geld verdienen kann. Aber man fragt sich, ob es wirklich das ist, was man machen wollte. Ich wollte Videos machen und Geschichte erzählen. Das macht man nicht, wenn man die ganze Zeit für die Industrie arbeitet.
Flix: Vor allem braucht man Zeit um das Eigene zu entwickeln. Diese Zeit muss man sich einfach nehmen. Wenn man beschließt etwas Eigenes zu machen, kann man davon nicht sofort leben. Das dauert mindestens 3 – 5 Jahre. Wenn man erst mit Mitte 30 feststellt, dass man noch gar nichts Eigenes gemacht hat, wird man nicht mehr damit anfangen. Die frühe Phase ist sehr wichtig, weil man da noch nicht so viel Kohle braucht und die Bedürfnisse sich noch nicht hochgeschraubt haben und man hat noch nicht so viele Verpflichtungen hat oder eine Familie, die ernährt werden muss. Das ist eine gute Zeit. Die sollte man nutzen!
BS: Ist Comiczeichner eigentlich ein offizieller Beruf?
Flix: Mein Finanzamt sagt, das ist ein Beruf und möchte seinen Anteil haben.
Ralph Ruthe: Es ist kein Ausbildungsberuf. Aber es ist natürlich ein Beruf. Wenn du eine Currybude zum Umhängen hast und damit in der Fußgängerzone stehst, dann ist das auch ein Beruf und du bist wahrscheinlich Einzelhändler. Wir sind … freie Künstler – und das ist ein Beruf!
BS: Wie lange braucht man für ein Comicbuch?
Flix: Das ist ganz schwer zu sagen, weil ich nicht am Stück daran arbeite, sondern immer wieder in Etappen. Es gibt verschiedene Phasen: Die Schreibphase, wo viel ausgedacht wird und die Geschichte entwickelt wird; die Entwurfsphase und am Ende die Umsetzungsphase, die eigentlich die langweiligste ist, weil der kreative Teil abgeschlossen ist.
die-blaue-Seite.de: Wie zeichnet ihr das? Auf Papier und scannt das dann ein, oder macht ihr das direkt digital?
Flix: Das ist unterschiedlich. Wir sind beide mit der Handzeichnung aufgewachsen. Ich habe zwar ein Wacom-Tablett (Zeichentablett) …
Ralph Ruthe: Mit dem habe ich auch lange gearbeitet.
Flix: … aber ehrlich gesagt: das Zeichnen darauf liegt mir nicht. Die Lockerheit, die mit Stift und Papier entsteht, muss ich mit viel Mühe auf dem Wacom imitieren. Es ist mir zu viel Arbeit, alles auf dem Computer zu machen. Die Zeichnung an sich mache ich mit Stift und Papier. Für Korrekturen, Farbgebung und Texteinsatz ist das Wacom sehr hilfreich.
Ruthe: Ich sehe das genauso. Ich kenne viele Kollegen, bei denen man genau erkennt, ob das mit dem Tablett oder per Hand gezeichnet wurde. Eine Tablett-Zeichnung ist viel steifer. Wenn man mit Handzeichnung angefangen hat, sollte man das weitermachen. Ich war in der klassischen Farbgebung immer extrem schlecht. Dafür ist ein Computer sehr hilfreich. Mit dem Computer kann man solange ausprobieren, bis das Bild so aussieht wie man gerne möchte. Der Computer verändert nicht die Idee und er nimmt nicht die gewünschte Stimmung aus dem Bild.
Flix: Ich habe mich mit Farben sehr schwer getan. Ich habe mich hinter einer monochromen Technik versteckt. Dadurch habe ich meinen Stil entwickelt. Aber man hat ein breiteres Register, wenn man in der Lage ist alle Farben einzusetzen.
Ruthe: Du bist durch „Ferdinand“ viel bunter geworden. Am Anfang warst du noch monochrom. Dann habe ich angefangen, Geschichten zu schreiben mit dem Hintergrund: stimmungsvoller Herbstnachmittag. Dadurch musste sich die Farbe ändern und dann hat der Flix das gemacht… Das sah richtig Klasse aus.
BS: Ihr zeichnet auf dem Papier und scannt das ein? Danach kommen die Farben?
Flix: Genau. Das ist eine schwarz-weiße Zeichnung. Mit Bleistift zeichne ich das vor, dann male ich mit Filzstiften die schwarzen Linien. Dann radiere ich die Bleistift Zeichnung weg und dann kommt die Zeichnung in den Scanner. Am Computer werden die Fehler aussortiert und die Zeichnung am Rechner koloriert.
BS: Wie sieht ein Tagesablauf eines Comiczeichners aus?
Flix: Es gibt keinen festen Tagesablauf. Am klarsten strukturiert ist es wenn ich bei einem Projekt wie „Don Quijote“ in der Schlussphase bin und nur noch die Seiten fertig machen muss. Dann weiß ich, dass wenn ich um 9 Uhr anfange die ersten 3 Bilder um 11 Uhr fertig sind. Das zieht sich über den Tag. Um 19 Uhr sollte die Seite fertig sein.
Solche Tage sind ganz schön, weil es ein gewisses Schema gibt. Anderseits rauscht das Leben an einem vorbei.
Man arbeitet an einigen Projekten parallel. Die haben unterschiedliche Abgabetermine. Dann macht man das, wozu man gerade am meisten Lust hat und was am ehesten fertig werden muss.
Ruthe: Bei mir ändert sich das jeden Tag. Es gibt Tage an denen ich nur zeichne.
Dann gibt es Tage an denen ich nur schreibe oder mir Ideen aufschreibe bzw. Drehbücher schreibe.
Es gibt auch noch Tage, an denen ich nur im Studio bin und Sprachaufnahmen für meine Videos mache. Dann gibt es die Phase, in der ich 4 Wochen auf Tour bin und auf der Bühne stehe. Gestern war ein Tag, an dem ich von allem etwas gemacht habe. Solche Tage gehen eigentlich am schnellsten rum. Hier vor der Messe habe ich mir gesagt: „Ok, ich bin jetzt 5 Tage nicht zu Hause, würde aber gerne alle 2 Tage einen neuen Cartoon hochladen.“ Also habe ich mir ein paar neue Cartoons ausgedacht und vorgezeichnet. Ich hoffe, ich schaffe das, die im Hotel noch zu kolorieren und hochzuladen.
BS: Es kommt einem vor, als wäre das manchmal wie ein Bürojob. Verliert man bei so etwas nicht schnell die Lust?
Flix: Das sind ja zwei Paar Schuhe. Ich arbeite in meinem eigenen Büro. Aber bei großen Projekten merkt man, dass am Ende, wenn der kreative Teil fertig ist und man es handwerklich vollenden muss. Das nervt schon. Auf jeden Fall! Aber grundsätzlich ist man sein eigener Chef. Wenn man ein paar Sekunden inne hält, merkt man, was für einen Luxus man hat. Das kann man gar nicht mehr scheiße finden.
Ruthe: Scheiße finde ich meinen Job nie. Es gibt natürlich Tage an denen man genervt ist. Das sind Probleme, bei denen man nicht weiß, wie man etwas lösen soll. Wenn ich zum Beispiel bei meinen Videos nicht weiß, wie ich ein Geräusch erzeugen soll. Oder wenn ich Zeichnen muss, und der handwerkliche Teil kommt. Aber wenn man ein Comic oder ein Video online stellt und merkt, dass die Leute es mögen, da wird einem bewusst, was für ein Geschenk das ist. Deshalb freue ich mich jeden Tag wenn ich aufstehe und denke: „Alter, du kannst das machen was du immer machen wolltest“.
Das ist das Schöne.
Flix: Mich nervt es, dass ich mir zu viele Abgabetermine sehr nahe beieinander gelegt habe. Das ist stressig. Aber das hat nichts mit der Sache an sich zu tun. Das ist eher ein internes Problem.
Ruthe: Das hast du aber auch, wenn du selbstständiger Gärtner bist. Da muss man sich auch alles genau einteilen. Aber trotzdem, wenn du liebst, was du tust, ist das großartig.
BS: Wenn Ihr die Wahl hättet, würdet Ihr den gleichen Job wieder wählen?
Flix: Na klar!
BS: So. Flix….
Flix: Jetzt kommen wir ans Eingemachte? (lacht) Endlich ist dieses Geplänkel vorbei. (lacht)
Ruthe: Jetzt wird’s dann doch politisch!
Flix: Trittin. Wie findest du den? Ein Jogger übrigens.
BS: Ist das dein Nachbar?
Flix: Nein, aber der wohnt auch in Pankow oben und ich sehe ihn manchmal.
Ruthe: Mensch, jetzt lass den Mann hier mal arbeiten.
Flix: Entschuldigung.
BS: Wie kommt man darauf Klassiker wie „Faust“ und „Don Quijote“ als Comic darzustellen?
Flix: Comic ist für mich die naheliegende Lösung und die einfachste Ausdrucksform. Zu Klassikern habe ich eine lange Verbindung. Den ersten Comic, den ich „verkaufen“ konnte, war ein Teil von Faust. Das ist aus meinem Ärger über den Deutschunterricht entstanden.
Meine Deutschlehrerin hatte eine feste Vorstellung, wie eine Interpretation aussehen muss.
Ich hingegen hatte den Eindruck, man darf das Material frei benutzten und seinen Gedanken freien Lauf lassen. Das fand sie dann doof und ich habe mir meine eigene Interpretation gemacht.
Und weil ich damals schon gezeichnet habe, war ein Comic sehr naheliegend.
Vor ca. 4 Jahren kam die FAZ auf mich zu, dass sie einen Zeitungsplatz frei hätten. Ich wurde gefragt, ob ich Material hätte. Ich habe gesagt, dass ich gerne diesen ersten Versuch neu zeichnen würde. Ich fand den von der Grundidee einfach klasse. Aber ich habe damals viele Anfängerfehler gemacht – beziehungsweise habe ich, 10 Jahre älter, eine ganz andere Perspektive gehabt, durch die ich die Geschichte etwas anders erzählen wollte.
Ich habe mich in das Material eingearbeitet und daraus hat die FAZ meinen Comic gemacht.
Klassiker erzählen viele Geschichten, die viel über den Menschen an sich sagen. Dabei werden sie aber nicht zu speziell. Da stellt sich die Frage: Ist es möglich, dass ein 400 Jahre alter Roman uns heute noch etwas sagt. Und wenn ja was? Das untersuche ich.
BS: Findest du es auch wichtig, dass man Klassiker liest?
Flix: Ich finde wichtig, dass Klassiker nicht vergessen werden. Denn das ist die Basis auf der wir stehen. Klassiker sind quasi unsere Wurzeln. Solche Texte haben unser heutiges Weltbild bzw. unseren Kulturkreis geprägt Das Problem ist, dass Klassiker aus einer Zeit stammen, die schon so lange her ist. Deshalb muss man überlegen, wie man den hochaktuellen Kern in die heutige Zeit übermittelt.
BS: Muss man bei einem Klassiker aufpassen, dass man sich nicht zu weit von der Grundidee entfernt oder es zu albern wird?
Flix: Wenn es funktioniert, ist das egal. Bei der Albernheit hat man seinen eigenen Ermessensspielraum. Für mich habe ich die Regel aufgestellt: Ich muss begründen können, warum ich bestimmte Dinge mache.
Zum Beispiel bei „Don Quijote“ gibt es eine Szene in der sich 2 Charaktere gegenseitig ins Gesicht kotzen. Da kommen Kommentare wie: „Das ist ja jetzt wirklich albern.“
Aber genau so steht das im Original.
BS: Wird manchmal etwas zensiert?
Flix: Nein! Manchmal schmeiß ich selber eine Idee weg. Aber sonst macht das keiner.
BS: Also hast du keinen Lektor, wie bei einem Romanautor?
Flix: Doch. Aber bei den Werken wie „Faust“ oder „Don Quijote“ hat man mir bei der Zeitung ein großes Vertrauen entgegengebracht. Der zuständige Redakteur weiß, dass ich am besten arbeite, wenn ich die maximale Freiheit bekomme. Die Rechtschreibung hat er korrigiert, weil die in der FAZ sehr richtig sein muss. Manchmal hat er Anmerkungen an den Rand geschrieben. Aber die wissen, dass ich keinen Porno abliefern werde und deswegen lassen die mich einfach machen.
BS: Was empfiehlst du jungen Leuten die gerne Comics zeichnen?
Flix: Machen! Soviel lesen wie es geht und anfangen eigene Sachen zu zeichnen. Man sieht ob es klappt. Man muss Interesse haben und wollen.
Geht es um Ausbildung oder Interesse?
In dem Fall eindeutig um Interesse. Wenn man für etwas brennt, sollte man das machen.
Sicherheitsdenken und den klaren Weg sollte man ablegen. Wenn man einen klaren Weg möchte, sollte man Bankberater werden. Da gibt es klare Strukturen.
BS: Kann man als Nachwuchsautor einfach seine Entwürfe an Verlage schicken?
Flix: Ja klar. Jeder kann seine Sachen an Verlage schicken. Vorher kann man das bei Freunden testen und gucken wie denen das gefällt. Nicht unbedingt bei Mutti, die eh immer alles toll findet. Das landet bei dem zuständigen Redakteur. Oder man kann auf Messen ein Mappen-Sichtungstermin vereinbaren. Dann sieht man, wo man steht.
Natürlich kann man eine eigene Webseite aufmachen. Dann merkt man, wie die Leute reagieren und früher oder später landet man bei einem Verlag. Der veröffentlicht das oder auch nicht.
Ruthe: Sehe ich genauso. Wir kennen uns schon so lange und sind beim selben Verlag und deswegen sind wir bei solchen Fragen sehr konform.
BS: Wie hat denn eure Zusammenarbeit funktioniert?
Flix: Auuuu… Sehr schwierig. Ruthe ist ein Pfennigfuchser…
Ruthe: Kommst du noch raus aus der Nummer? (lacht)
Flix: Ich komm nochmal rein (lacht)
Ruthe: Wollt ihr jetzt wissen wie es bei „Ferdinand“ angefangen hat?
BS: Ja genau.
Flix: Ja, wie haben wir uns Ferdinand kennengelernt…
Ruthe: Der Satz macht keinen Sinn, das weißt du?
Flix: Du bist der Texter und ich bin der Zeichner.
Ruthe: Felix hat schon für Spiegel-Online gearbeitet. Die haben ihn gefragt, ob er nicht in Print etwas für Kinder machen würde – Wobei das auch eine Ausschreibung war.
Flix: Genau. Da waren noch andere angefragt worden. Ich war mir sehr unsicher, ob ich das schaffen würde, denn ich hatte sehr viel zu tun. Aber ich fand das trotzdem sehr interessant.
Ich war in Hamburg beim Verlag und hab gesagt: „Ralph, pass mal auf! Wollen wir nicht was zusammen machen?“ Ich hatte schon die Grundidee, dass es um einen kleinen Hund geht. Wir kamen schnell auf eine Reportersituation und nach einer halben Stunde stand das Konzept.
Ruthe: Flix hat auf eine Serviette gezeichnet, wie der Hund aussehen könnte. So hat sich das ergeben.
Flix: Genau. Das einzige, was sich geändert hat, war der Titel. Zuerst sollte die Serie „Augstein“ heißen, nach dem Gründer vom Spiegel. Aber das war der Kinderredaktion zu kompliziert. Daraus wurde „Ferdinand“. Damit konnten wir super leben.
Ruthe: Unsere Idee war ein Reporterhund der investigativ
recherchiert. Unser Anspruch war, dass das ein „Sendung mit der Maus“-Charakter hat. Das heißt, du liest das und sagst: „ Hey, das wusste ich noch gar nicht“ Trotzdem muss man ein bisschen schmunzeln.
In der Regel haben wir keine Vorgaben.
Flix: Jetzt lass sie die Frage doch mal stellen (lacht)
Ruthe: Ich glaub ich weiß, worauf die hinaus möchten. Euch geht es um den Arbeitsablauf?!
Wir sind da relativ frei in unserer Arbeit. Nur manchmal sagt Flix: „Jetzt gibt mir mal die Texte, denn ich muss das ja noch zeichnen.“ Und ich sage: „Okay. Hast du schon ein Thema?“
Meist kommt dann so etwas wie „Cowboys“ und ich recherchiere ein bisschen – meist auf Wikipedia (lacht). Gemischt mit meinem Halbwissen und anderen Quellen, zum Beispiel „Was ist Was“Büchern, , bau ich mir einen Pool aus Informationen. Dann überlege ich wie daraus eine Geschichte werden könnte und an zu schreiben.
Das ist jedes Mal anders. Mal habe ich den Schluss vor Augen – mal weiß ich ein witziges Bild, mal fange ich an einfach zu schreiben: „Ferdinand sitzt in der Redaktion und der Chef kommt rein“ Dann ist man irgendwann drin.
BS: Also funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut?
Flix: Ja! Super! Ich glaube, wenn wir Probleme hätten, würden wir beide schnell die Lust verlieren. Wir arbeiten nach dem Genussprinzip. Wenn es Spaß macht, ist es super und wenn nicht, versuchen wir schnell wieder raus zu kommen.
Ruthe: Ja, wir machen das seit fast 4 Jahren. Wir wissen, was die Stärken und Schwächen des anderen sind. Ich bin derjenige, der schreibt „Ferdinand steht in einem zugemülltem Keller“ und ich hätte überhaupt keine Lust das zu zeichnen. Aber Flix zeichnet das.
Deswegen klappt das super und macht Spaß, wenn man weiß, dass der andere auch Spaß dran hat.
BS an Ralph Ruthe: Wie ist das bei dir mit den Youtube-Videos? Du hast Werbeparodien gemacht. Sitzt du den ganzen Tag vor dem Fernseher und schaust Werbung?
Ruthe: Ich gucke seit 11 Jahren überhaupt kein Fernsehen. Ich guck mit meiner Freundin mal Topmodels, Aber das war es dann auch.
Ich habe über meinen privaten Facebook-Account meine Freunde gefragt, welche Werbung sie am meisten nervt und habe Youtube-Links bekommen. Ich habe geguckt, was der Kern der Werbung ist und überzeichnet. Ich arbeite am dritten Teil.
Den ersten fand ich ziemlich gut, den zweiten echt genial und der dritte wird mich überraschen. Ich habe keine Ahnung, wie der wird. Man weiß so etwas immer erst, wenn die Sachen draußen sind. Manchmal ist man sich 100%ig sicher, dass es funktioniert und manchmal gar nicht. Aber ich weiß, dass ich Werbung parodieren kann. Ich habe das lange für ein Magazin gemacht und nutze jetzt das Medium „Animation“.
Flix: Man muss einen gewissen Abstand zu der Werbung haben, um den Kern der Werbung zu verstehen.
Ruthe: Wenn man einen 9-to-5-Job hat, kann man danach eine Stunde fernsehen. Das können wir gar nicht mehr. Weil wir uns aussuchen können, wie wir unseren Tag gestalten. Mein Tag ist immer bunt und ausgeglichen. Ich bin abends nicht kaputt, ganz im Gegenteil. Ich habe sogar noch Platz für Input. Dann würde ich eher nicht fernsehen.
BS: In manchen Videos kommen auch Namen vor. Sind das Namen von Freunden?
Ruthe: Oft sind das Namen, die ich mal gehört habe oder von Menschen, die mir nahe stehen. Das ist üblich. Zum Beispiel gibt es im Spiegel eine Comic-Serie, in der eine Figur Görmann heißt.
Flix: Da kennt der Zeichner uns und hat das eingebaut. Das ist total schön, wenn man sich entdeckt. Eine Riesenehre.
Ruthe: Das macht jeder Romanautor.
Ich bin Westfale und liebe deswegen solche westfälischen Namen wir Dörnbach.
Das klingt total glaubwürdig. Die Figuren haben durch den Namen gleich eine Geschichte.
Ich brauche Namen, die sich „gebraucht“ anfühlen, nicht Müller, Meier, Schulz.
BS: Was hat für euch eine blaue Seite?
Ruthe: Also ich verbinde damit jetzt nichts. Das ist genauso, als wenn ich fragen würde: „ Was ist für dich eine Mandarine?“ Das ist mir zu abstrakt.
Flix: Die blaue Seite ist wahrscheinlich immer die Vorderseite von einem Gemälde von Liv Klein.
Ruthe: Oder ein Strand mit lauter Schlümpfen. Ja, könnt ihr damit arbeiten?
BS: Dann vielen Dank für das Gespräch.
Ruthe&Flix: Bitte.