Interview

Interview mit Flix und Ralph Ruthe

Auf der Leipziger Buchmesse 2013 interviewten Mara und Bjarne Flix  und Ralph Ruthe. Beide sind Comicbuch-Autoren, die auch zusammen  arbeiten und gemeinsam den Reporterhund „Ferdinand“ erfanden. Flix  schrieb und zeichnete unter anderem auch „Faust“.

Blaue Seite an Flix: Wie kommt man von „Felix Görmann“ auf „Flix“?

Flix: Das war früher mein Spitzname. Als ich anfing Comics zu machen,  dachte ich mir, dass ich eine Abkürzung brauche und auf mein erstes  Werk habe ich einfach „Flix“ geschrieben. Da es gleich veröffentlicht  wurde, hat sich das gehalten und jetzt steht das auf jedem Werk.

Blaue Seite: Wirst du auch von Freunden so genannt?

Flix: Ja, auch meine Mutter sagt das.

Ralph Ruthe: Ich sage oft „Felix“. Ich finde „Flix“ ganz lustig, aber mir ist es zu weit weg – dafür sind wir zu gut befreundet.

Flix: Das mag ich inzwischen ganz gerne. Früher war „Felix“ stark  damit verbunden, wenn ich etwas angestellt habe. Dann hat meine Mutter  böse „Felix“ gesagt. „Flix“ war die liebevollere Variante. Inzwischen  ist mir das im privaten Bereich viel lieber. Jetzt bin ich 35 und es  gibt Leute, die nicht mehr wissen, ob sie duzen oder siezen sollen und  bei manchen Leuten kommt dann „Herr Flix“ dabei raus. Das ist auch ganz  hübsch.

Blaue Seite: Herr Ruthe, und wie ist das bei Ihnen?

Ralph Ruthe: Den Namen habe ich als Kind gewählt, weil ich dachte, ich brauch doch einen Nachnamen.

BS: Hast du davon ein Kindheitstrauma?

Flix: Nö. Die Frau war bekloppt. Ich hatte in der 9. Klasse das letzte Mal Kunstunterricht.

BS: Also muss man, um Comiczeichner zu werden, nicht gut in Kunst sein?

Ralph Ruthe: Muss man exorbitant gut in Deutsch sein, um Romanautor  zu werden? – Mit Sicherheit nicht. Wenn du einfach gute Geschichten zu  erzählen hast, dann könnte man grundsätzlich auch Analphabet sein. Das  ist nur das Handwerk – Schreiben ist Handwerk und Zeichnen ist Handwerk.  Bei manchen geht es natürlich über das Handwerk hinaus. Wenn jemand  wirklich was drauf hat, ist Technik zweitrangig.

Flix: Du musst Interesse haben. Es geht nicht um die Ausbildung von  irgendwelchen Fähigkeiten, sondern um das Interesse daran. Wenn man  dafür brennt und sich nicht vorstellen kann, irgendwas anderes zu  machen, dann fingert man sich da seinen Weg zu Recht und macht das. Wenn  man die Werdegänge von Comiczeichnern vergleicht, sind die alle  unglaublich individuell. Jeder geht seinen ganz eigenen Weg.

Ralph Ruthe: Genau wie bei Autoren oder Schauspielern.

Flix: Die wollen das machen und suchen einen ganz persönlichen Weg, dies auch zu tun.

Ralph Ruthe: Ich kenne so viele Musiker, die keine Noten lesen  können. Das ist irrelevant. Man muss als Musiker z.B. jetzt nicht  perfekt Zitter spielen und die 12-TonTechnik beherrschen.

Flix: Im Gegenteil. Manchmal habe ich das Gefühl, das hemmt sogar.  Man klebt dann an der Technik und lässt davon nicht wieder los. Im  Grunde muss man sich zwischendurch zwingen, gerade wenn man so gut  ausgebildet ist, einfach mal z.B. mit der linken Hand zu zeichnen. Um  den ganzen Quatsch zu vergessen.

Ralph Ruthe: Das sehe ich genauso. Kunstunterricht hat mir überhaupt  keinen Spaß gemacht. Es ging immer darum, in irgendeiner Form  nachzustellen. Das hat mich zu nichts von dem gebracht, wo ich heute  bin. Dort bin ich angeeckt. Zum Beispiel haben mich die Sprachen sehr  interessiert, da muss man auch die Grammatik und die Vokabeln lernen.  Das kann ich vollkommen nachvollziehen Aber bei Kunst?

Flix: Und gerade, wenn man das anwenden will, lernt man das viel  intensiver. Man kann es verwenden und hat es nicht einfach nur auswendig  gelernt.

BS: Ist Comiczeichner eigentlich ein offizieller Beruf?

Flix: Mein Finanzamt sagt, das ist ein Beruf und möchte seinen Anteil haben.

Ralph Ruthe: Es ist kein Ausbildungsberuf. Aber es ist natürlich ein  Beruf. Wenn du eine Currybude zum Umhängen hast und damit in der  Fußgängerzone stehst, dann ist das auch ein Beruf und du bist  wahrscheinlich Einzelhändler. Wir sind … freie Künstler – und das ist  ein Beruf!

BS: Wie lange braucht man für ein Comicbuch?

Flix: Das ist ganz schwer zu sagen, weil ich nicht am Stück daran  arbeite, sondern immer wieder in Etappen. Es gibt verschiedene Phasen:  Die Schreibphase, wo viel ausgedacht wird und die Geschichte entwickelt  wird; die Entwurfsphase und am Ende die Umsetzungsphase, die eigentlich  die langweiligste ist, weil der kreative Teil abgeschlossen ist.

die-blaue-Seite.de: Wie zeichnet ihr das? Auf Papier und scannt das dann ein, oder macht ihr das direkt digital?

Flix: Das ist unterschiedlich. Wir sind beide mit der Handzeichnung  aufgewachsen. Ich habe zwar ein Wacom-Tablett (Zeichentablett) …

Ralph Ruthe: Mit dem habe ich auch lange gearbeitet.

Flix: … aber ehrlich gesagt: das Zeichnen darauf liegt mir nicht. Die  Lockerheit, die mit Stift und Papier entsteht, muss ich mit viel Mühe  auf dem Wacom imitieren. Es ist mir zu viel Arbeit, alles auf dem  Computer zu machen. Die Zeichnung an sich mache ich mit Stift und  Papier. Für Korrekturen, Farbgebung und Texteinsatz ist das Wacom sehr  hilfreich.

Ruthe: Ich sehe das genauso. Ich kenne viele Kollegen, bei denen man  genau erkennt, ob das mit dem Tablett oder per Hand gezeichnet wurde.  Eine Tablett-Zeichnung ist viel steifer. Wenn man mit Handzeichnung  angefangen hat, sollte man das weitermachen. Ich war in der klassischen  Farbgebung immer extrem schlecht. Dafür ist ein Computer sehr hilfreich.  Mit dem Computer kann man solange ausprobieren, bis das Bild so  aussieht wie man gerne möchte. Der Computer verändert nicht die Idee und  er nimmt nicht die gewünschte Stimmung aus dem Bild.

Flix: Ich habe mich mit Farben sehr schwer getan. Ich habe mich  hinter einer monochromen Technik versteckt. Dadurch habe ich meinen Stil  entwickelt. Aber man hat ein breiteres Register, wenn man in der Lage  ist alle Farben einzusetzen.

Ruthe: Du bist durch „Ferdinand“ viel bunter geworden. Am Anfang  warst du noch monochrom. Dann habe ich angefangen, Geschichten zu  schreiben mit dem Hintergrund: stimmungsvoller Herbstnachmittag. Dadurch  musste sich die Farbe ändern und dann hat der Flix das gemacht… Das sah richtig Klasse aus.

BS: Es kommt einem vor, als wäre das manchmal wie ein Bürojob. Verliert man bei so etwas nicht schnell die Lust?

Flix: Das sind ja zwei Paar Schuhe. Ich arbeite in meinem eigenen  Büro. Aber bei großen Projekten merkt man, dass am Ende, wenn der  kreative Teil fertig ist und man es handwerklich vollenden muss. Das  nervt schon. Auf jeden Fall! Aber grundsätzlich ist man sein eigener  Chef. Wenn man ein paar Sekunden inne hält, merkt man, was für einen  Luxus man hat. Das kann man gar nicht mehr scheiße finden.

Ruthe: Scheiße finde ich meinen Job nie. Es gibt natürlich Tage an  denen man genervt ist. Das sind Probleme, bei denen man nicht weiß, wie  man etwas lösen soll. Wenn ich zum Beispiel bei meinen Videos nicht  weiß, wie ich ein Geräusch erzeugen soll. Oder wenn ich Zeichnen muss,  und der handwerkliche Teil kommt. Aber wenn man ein Comic oder ein Video  online stellt und merkt, dass die Leute es mögen, da wird einem  bewusst, was für ein Geschenk das ist. Deshalb freue ich mich jeden Tag  wenn ich aufstehe und denke: „Alter, du kannst das machen was du immer  machen wolltest“.
Das ist das Schöne.

Flix: Mich nervt es, dass ich mir zu viele Abgabetermine sehr nahe  beieinander gelegt habe. Das ist stressig. Aber das hat nichts mit der  Sache an sich zu tun. Das ist eher ein internes Problem.

Ruthe: Das hast du aber auch, wenn du selbstständiger Gärtner bist.  Da muss man sich auch alles genau einteilen. Aber trotzdem, wenn du  liebst, was du tust, ist das großartig.

BS: Wenn Ihr die Wahl hättet, würdet Ihr den gleichen Job wieder wählen?

Flix: Na klar!

BS: Findest du es auch wichtig, dass man Klassiker liest?

Flix: Ich finde wichtig, dass Klassiker nicht vergessen werden. Denn  das ist die Basis auf der wir stehen. Klassiker sind quasi unsere  Wurzeln. Solche Texte haben unser heutiges Weltbild bzw. unseren  Kulturkreis geprägt Das Problem ist, dass Klassiker aus einer Zeit  stammen, die schon so lange her ist. Deshalb muss man überlegen, wie man  den hochaktuellen Kern in die heutige Zeit übermittelt.

BS: Muss man bei einem Klassiker aufpassen, dass man sich nicht zu weit von der Grundidee entfernt oder es zu albern wird?

Flix: Wenn es funktioniert, ist das egal. Bei der Albernheit hat man  seinen eigenen Ermessensspielraum. Für mich habe ich die Regel  aufgestellt: Ich muss begründen können, warum ich bestimmte Dinge mache.
Zum Beispiel bei „Don Quijote“ gibt es eine Szene in der sich 2  Charaktere gegenseitig ins Gesicht kotzen. Da kommen Kommentare wie: „Das ist ja jetzt wirklich albern.“
Aber genau so steht das im Original.

BS: Wird manchmal etwas zensiert?

Flix: Nein! Manchmal schmeiß ich selber eine Idee weg. Aber sonst macht das keiner.

BS: Also hast du keinen Lektor, wie bei einem Romanautor?

Flix: Doch. Aber bei den Werken wie „Faust“ oder „Don Quijote“ hat  man mir bei der Zeitung ein großes Vertrauen entgegengebracht. Der  zuständige Redakteur weiß, dass ich am besten arbeite, wenn ich die  maximale Freiheit bekomme. Die Rechtschreibung hat er korrigiert, weil  die in der FAZ sehr richtig sein muss. Manchmal hat er Anmerkungen an  den Rand geschrieben. Aber die wissen, dass ich keinen Porno abliefern  werde und deswegen lassen die mich einfach machen.

BS: Was empfiehlst du jungen Leuten die gerne Comics zeichnen?

Flix: Machen! Soviel lesen wie es geht und anfangen eigene Sachen zu  zeichnen. Man sieht ob es klappt. Man muss Interesse haben und wollen.
Geht es um Ausbildung oder Interesse?
In dem Fall eindeutig um Interesse. Wenn man für etwas brennt, sollte man das machen.
Sicherheitsdenken und den klaren Weg sollte man ablegen. Wenn man einen  klaren Weg möchte, sollte man Bankberater werden. Da gibt es klare  Strukturen.

BS: Kann man als Nachwuchsautor einfach seine Entwürfe an Verlage schicken?

Flix: Ja klar. Jeder kann seine Sachen an Verlage schicken. Vorher  kann man das bei Freunden testen und gucken wie denen das gefällt. Nicht  unbedingt bei Mutti, die eh immer alles toll findet. Das landet bei dem  zuständigen Redakteur. Oder man kann auf Messen ein  Mappen-Sichtungstermin vereinbaren. Dann sieht man, wo man steht.
Natürlich kann man eine eigene Webseite aufmachen. Dann merkt man, wie  die Leute reagieren und früher oder später landet man bei einem Verlag.  Der veröffentlicht das oder auch nicht.

Ruthe: Sehe ich genauso. Wir kennen uns schon so lange und sind beim  selben Verlag und deswegen sind wir bei solchen Fragen sehr konform.

BS: Also funktioniert die Zusammenarbeit sehr gut?

Flix: Ja! Super! Ich glaube, wenn wir Probleme hätten, würden wir  beide schnell die Lust verlieren. Wir arbeiten nach dem Genussprinzip.  Wenn es Spaß macht, ist es super und wenn nicht, versuchen wir schnell  wieder raus zu kommen.

Ruthe: Ja, wir machen das seit fast 4 Jahren. Wir wissen, was die  Stärken und Schwächen des anderen sind. Ich bin derjenige, der schreibt  „Ferdinand steht in einem zugemülltem Keller“ und ich hätte überhaupt  keine Lust das zu zeichnen. Aber Flix zeichnet das.
Deswegen klappt das super und macht Spaß, wenn man weiß, dass der andere auch Spaß dran hat.

BS an Ralph Ruthe: Wie ist das bei dir mit den  Youtube-Videos? Du hast Werbeparodien gemacht. Sitzt du den ganzen Tag  vor dem Fernseher und schaust Werbung?

Ruthe: Ich gucke seit 11 Jahren überhaupt kein Fernsehen. Ich guck mit meiner Freundin mal Topmodels, Aber das war es dann auch.
Ich habe über meinen privaten Facebook-Account meine Freunde gefragt,  welche Werbung sie am meisten nervt und habe Youtube-Links bekommen. Ich  habe geguckt, was der Kern der Werbung ist und überzeichnet. Ich  arbeite am dritten Teil.
Den ersten fand ich ziemlich gut, den zweiten echt genial und der dritte  wird mich überraschen. Ich habe keine Ahnung, wie der wird. Man weiß so  etwas immer erst, wenn die Sachen draußen sind. Manchmal ist man sich  100%ig sicher, dass es funktioniert und manchmal gar nicht. Aber ich  weiß, dass ich Werbung parodieren kann. Ich habe das lange für ein  Magazin gemacht und nutze jetzt das Medium „Animation“.

Flix: Man muss einen gewissen Abstand zu der Werbung haben, um den Kern der Werbung zu verstehen.

Ruthe: Wenn man einen 9-to-5-Job hat, kann man danach eine Stunde  fernsehen. Das können wir gar nicht mehr. Weil wir uns aussuchen können,  wie wir unseren Tag gestalten. Mein Tag ist immer bunt und  ausgeglichen. Ich bin abends nicht kaputt, ganz im Gegenteil. Ich habe  sogar noch Platz für Input. Dann würde ich eher nicht fernsehen.

BS: In manchen Videos kommen auch Namen vor. Sind das Namen von Freunden?

Ruthe: Oft sind das Namen, die ich mal gehört habe oder von Menschen,  die mir nahe stehen. Das ist üblich. Zum Beispiel gibt es im Spiegel  eine Comic-Serie, in der eine Figur Görmann heißt.

Flix: Da kennt der Zeichner uns und hat das eingebaut. Das ist total schön, wenn man sich entdeckt. Eine Riesenehre.

Ruthe: Das macht jeder Romanautor.
Ich bin Westfale und liebe deswegen solche westfälischen Namen wir Dörnbach.
Das klingt total glaubwürdig. Die Figuren haben durch den Namen gleich eine Geschichte.
Ich brauche Namen, die sich „gebraucht“ anfühlen, nicht Müller, Meier, Schulz.

BS: Was hat für euch eine blaue Seite?

Ruthe: Also ich verbinde damit jetzt nichts. Das ist genauso, als  wenn ich fragen würde: „ Was ist für dich eine Mandarine?“ Das ist mir  zu abstrakt.

Flix: Die blaue Seite ist wahrscheinlich immer die Vorderseite von einem Gemälde von Liv Klein.

Ruthe: Oder ein Strand mit lauter Schlümpfen. Ja, könnt ihr damit arbeiten?

BS: Dann vielen Dank für das Gespräch.

Ruthe&Flix: Bitte.

RedakteurRedakteur: Bjarne, Mara
FotosFotos: Bjarne
Nach oben scrollen