Interview mit François Goeske

Interview

Im Januar hatten wir im Rahmen der Jugendbuchtage im Kinderliteraturhaus in Lübeck die Möglichkeit, den Schauspieler François Goeske zu interviewen.

Blaue Seite: Danke, dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben.

François Goeske: Gerne.

BS: Unsere erste Frage ist: Was ist Ihr Lieblingsbuch?

François Goeske: Musst du mich siezen? (lacht) Ich lese momentan „Black Beauty“, das ist ein alter Klassiker, der aus der Sicht eines Pferdes geschrieben ist. Es ist ein ganz schönes, aber auch sehr trauriges Buch.

BS: Du hast gerade aus „Stargirl“ gelesen. Hast du eine Lieblingspassage?

François Goeske: Am liebsten mag ich die Stelle mit dem „Hot Seat“. Ich finde, die ist sehr gut ausgewählt, weil viel passiert und ein großes Durcheinander entsteht. Diese Szene in dem Buch berührt den Knackpunkt: dass wir uns als Gesellschaft schwertun, zu akzeptieren, wenn jemand anders. Ich finde, wir sollten viel öfter darüber nachdenken und uns klarmachen: „Nur weil jemand anders ist, heißt das nicht, dass er deswegen schlecht ist.“ Jeder hat seine Macken und ich würde mir wünschen, dass man ein bisschen liebevoller miteinander umgeht.

BS: Wie du schon gesagt hast, ist Stargirl sehr anders. Wie findest du das?

François Goeske: Ich würde mich freuen, jemanden wie Stargirl kennenzulernen. Ich muss ja nicht unbedingt meine ganze Zeit mit ihr verbringen. Aber ich finde es immer schlimm, wenn jemand aufgrund einiger Macken gleich den ganzen Menschen dahinter verurteilt. Man sollte lernen, ein bisschen lockerer zu sein. Denn die Welt ist nicht schwarz-weiß. Es gibt immer ganz viele Farben dazwischen und die gehören ebenso respektiert.

BS: Glaubst du, die Geschichte hätte mit einem Jungen in der Hauptrolle genauso funktioniert?

François Goeske: Gute Frage. Wahrscheinlich nicht eins zu eins, weil der Junge keine Kleider trägt (lacht), aber ich weiß, was du meinst. Die Geschichte gilt für Mädchen und Jungs gleichermaßen. Ob Mann oder Frau: Jeder hat so einen Starboy oder ein Stargirl in sich, so einen Schalk oder einen Clown, ein inneres Kind, welches einfach Scheiße bauen will, das ausbrechen möchte. Und dem sollte man viel mehr nachgeben.

BS: Was denkst du, ist schwerer: Anders zu sein, es also zuzulassen, oder es zu unterdrücken und „normal“ zu sein?

François Goeske: Es ist leichter, es zu unterdrücken. Es gehört viel Mut dazu, nicht wie die anderen zu sein. Schafe laufen alle in einer Herde. Ein Schaf wird sich davor hüten, alleine rauszugehen, weil der Wolf es fressen könnte. Aber wenn ein Schaf das macht, hat es ganz viel Mut. Und vielleicht erfährt es sogar Wege, wie man den Wolf austricksen kann. Und plötzlich kann es das der ganzen Herde sagen und diese kann sich dann weiterentwickeln.

BS: Glaubst du, die Gesellschaft würde noch funktionieren, wenn jeder ein Stargirl wäre?

François Goeske: Vielleicht würde ein heilloses Durcheinander ausbrechen. Aber jeder Mensch hat einen Instinkt und ein Gesellschaftsdenken. Nur weil lauter Stargirls herumlaufen würden, heißt das nicht, dass die Gesellschaft nicht funktionieren würde, denn es heißt ja nicht, dass man keine Freundschaften schließt, dass man keine Sachen gemeinsam macht, dass man zusammen Spaß hat. Aber man würde die Ticks der anderen nicht gleich negativ abwerten. Ich glaube schon, dass die Gesellschaft trotzdem noch funktionieren könnte. Es geht immer um Respekt und darum, alles auszutarieren.

BS: Um noch einmal auf die Lesung zurückzukommen: Wie hast du dich darauf vorbereitet?

François Goeske: Ich habe den Text gelesen, auf Verständlichkeit überprüft, mir Notizen gemacht, wann ich wo welche Pausen machen möchte. Bei Dialogen habe ich teilweise die einzelnen Personen noch einmal markiert, damit ich mit meiner Stimme nicht durcheinanderkomme. Denn ich versuche, das ein bisschen zu variieren, sodass der Zuhörer auch merkt, dass es verschiedene Personen sind. Ich habe es einfach oft gelesen. So viel musste ich gar nicht machen, weil das schon am Anfang so lustig war, dass ich das super aufnehmen konnte.

BS: Du bist Halbfranzose. Glaubst du, dass es in Frankreich mehr Stargirls gibt als hier?

François Goeske: Nein, ich glaube, das ist ein grundsätzliches Ding, in Europa zumindest. Ich glaube, in England gibt es mehr Stargirls und Starboys. Es reicht schon, wenn du da in einen Club gehst: Dann siehst du die ganzen Mädels, die dort in Neonfarben strahlen und tanzen. Das istwieder ein neues Gebiet, das man erforschen kann: „Warum sind die so drauf?“ Ich habe dafür den perfekten Beruf: Als Schauspieler versucht man die Menschen zu verstehen. Und es gibt immer einen Grund dafür, warum ein Mensch so ist, wie er ist. Der Ausgangspunkt ist nie eine böse Absicht. Das ist das Schöne. Wenn man das einmal begriffen hat, ist das irgendwie ein geiles Leben. Versteht ihr, was ich meine?

BS: Ja. Was ist für dich eine blaue Seite?

François Goeske: Bei einer blauen Seite denke ich erst einmal an eine leere, unbefleckte Buchseite. Ich kann alles damit machen, auch falten. Blau ist die Farbe der Ruhe und Gelassenheit, das heißt, ich kann mich auf dieser Seite ausruhen. Und wenn ich einen Papierflieger daraus bastle, fliege ich sogar damit.

BS: Dankeschön für das Interview.

François Goeske: Gerne.

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