Interview mit Isabel Abedi
Während der Lesung aus ihrem neuen Roman „Die längste Nacht“ bei den Bücherpiraten hatte die Blaue Seite die Gelegenheit, Isabel Abedi einige Fragen zu stellen.
Das Interview fand im Anschluss an die Lesung „Die längste Nacht“ statt, die von den Musikern Sarah Schüddekopf (Saxophon) und Ramón Lazzaroni (Flöte und Cello) begleitet wurde. Das Interview haben wir vor dem Lesepublikum geführt.
Blaue Seite: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Isabel Abedi: Das Schreiben ist zu mir gekommen. Das fing schon an, als ich Kind war. Ich habe eigentlich schon immer gerne geschrieben. Schreiben war immer ein Teil von meinem Leben. Aber früher habe ich keine Geschichten geschrieben, sondern Briefe, die dann irgendwann halbe Romanlänge hatten. Zu dem Zeitpunkt habe ich dann gemerkt, dass es längere Texte werde sollten. Ich habe eine ganze Weile in einer Werbeagentur gearbeitet, wo ich auch Texte geschrieben habe. Leider waren das keine ausgedachten Texte, eher welche bei denen es um Waschmittel, Füllfederhalter oder Shampoo ging. Als dann meine Kollegen in den Pausen auf den Steg gegangen sind und Schorle getrunken haben, bin ich drinnen geblieben und habe angefangen, kleine Geschichten für mich selber zu schreiben.
Ich habe auch sehr viele Filmkritiken geschrieben und kleine Märchen auf die Rückseite von Sarotti-Tafeln. Die erste Kindergeschichte habe ich angefangen zu schreiben, als meine jüngere Tochter 2 Jahre alt war und nachts nicht einschlafen konnte. Mir sind dann nach einiger Zeit die Buchgeschichten ausgegangen und ich habe angefangen, Bilderbuchgeschichten selber zu schreiben. Die Ideen lagen einfach immer so in der Luft und sind dann wie von selbst zu mir gekommen. Den ersten Roman habe ich schon lange im Bauch gehabt – er handelt von einem Mädchen, das seinen Vater nicht kennt. Auch ich war ein Mädchen, das seinen Vater nicht kannte. Das heißt, das war meine persönliche Geschichte, die ich in einen Roman umgewandelt habe. Das war dann im Prinzip mein erster Weg zum Bücherschreiben.
BS: Wie sieht Ihr Schreibtisch aus?
Isabel Abedi: Ordentlich.
Blaue Seite: Wirklich?
Isabel Abedi: Ja. Meine Lektorin, die ja auch andere Schriftsteller betreut, lacht darüber. Weil sie weiß, dass es in meinem Kopf nicht ordentlich ist. Sie hat so eine Statistik aufgestellt und sagt, dass die chaotischsten Autoren oft die ordentlichsten Schreibtische haben. Bei mir ist das wirklich so, denn auch wenn ich den Schreibtisch verlasse, kann man alles mit einem Lineal abmessen.
BS: Zum Thema Chaos: Wenn Sie Ihre Geschichten schreiben, fangen Sie dann vorne an und schreiben bis zum Ende des Buches durch? Oder schreiben Sie immer Bröckchen und fügen das dann am Ende zusammen? Haben Sie da eine bestimmte Technik?
Isabel Abedi: Ich schreibe bröckchenweise, aber die Brocken haben eine chronologische Reihenfolge. Es gibt verschiedene Phasen des Schreibens: Die erste ist die Phase, in der ich mit der Hand schreibe, was tatsächlich auch die chaotische Phase ist, bei der alles durcheinander kommt. Es gibt verschiedene Teile, dann fällt mir was zum Ende ein oder mir fällt eine Szene ein oder mir fällt was zu einer bestimmten Figur ein. Das sammle ich auf allen möglichen Papierschnippseln. Ich habe hier mein Buch mitgebracht (zeigt auf ein Buch). Das ist sozusagen das Buch zum Buch. Da sind ganz viele Notizen und Bilder eingeklebt, die ich mir zu dem Roman gemacht habe. Diese ganzen Ideen sind hier dann chronologisch geordnet. Und wenn ich schreibe, fange ich vorne an und höre hinten auf. Es ist tatsächlich so, dass ich eine Szene auch dann nicht überspringen kann, wenn ich darin stecken bleibe. Das kommt mir so vor, als würde ich im Leben etwas überspringen. Ich warte dann so lange, bis wirklich der nächste Satz, die nächste Szene kommt und taste mich weiter voran.
BS: Gab es denn schon Geschichten bei denen Sie wirklich aufgegeben und gesagt haben: „Jetzt geht’s nicht mehr, jetzt lasse ich es bleiben!“?
Isabel Abedi: Ja, eine. Die habe ich mit einer großen roten Schleife geparkt. Das ist der Roman, den ich zur Seite gelegt habe und danach die „Längste Nacht“ geschrieben habe. Das heißt, ich habe bei dem Roman gemerkt: Es geht nicht weiter. Ich kenne das Ende dieses Romans. Es ist eine Sommergeschichte, die aber über sieben Jahre spielt, sehr bruchstückhaft ist und auf zwei Zeitebenen hin und her springt. An irgendeiner Stelle hat die Geschichte plötzlich gestoppt. Das war ein ganz harter Kampf, weil ich nicht aufgeben wollte. Dann habe ich aber gemerkt, dass es nicht mehr geht und die Geschichte zur Seite gelegt. Aber nicht weggeworfen! Das heißt, die wartet und irgendwann werde ich dann hoffentlich auch diese Geschichte zu Ende schreiben.
BS: Haben Sie eine „Lieblingszeit“, wann Sie schreiben? Also Tageszeit, Jahreszeit, Wochentag?
Isabel Abedi: Das ist szenenabhängig und hat sich auch verändert. Als meine Kinder, besonders meine jüngste Tochter, klein waren, hat mich ein befreundeter Autor mal gefragt, was man denn wohl gegen Schreibblockaden machen könnte. Da habe ich gesagt: Kinder kriegen, das ist das einfachste Mittel. Als die Sofia damals klein war, wollte ich sie mittags von der Schule abholen. Ich habe ganz, ganz sklavisch – ist ein blödes Wort – auf die Minute genau morgens angefangen. Ich habe um 10 Uhr angefangen, damals hatte ich einen Stammplatz in einem Café. Da habe ich bis 13 Uhr geschrieben. Das war nicht meine Lieblingszeit, aber das war die freie Zeit, die mir zur Verfügung stand. Je älter meine Kinder wurden, desto mehr Zeit hatte ich. Da konnte ich im Prinzip schreiben, wann ich wollte. Es fühlt sich nicht ganz so produktiv an, sondern es ist ein bisschen die Qual der Freiheit. Es kann sein, dass ich erst nachmittags anfange oder abends. Und szenisch ist es oft so, dass ich Nachtszenen lieber in der Nacht schreibe als am Abend. Ich habe schon Nächte durchgeschrieben. Die längste Zeit an einem Stück waren mal 20 Stunden. Es gibt auch Tage, da fange ich morgens direkt an und höre mittags auf. Ich habe also keinen festen Rhythmus mehr.
BS: Und was war Ihre Inspiration oder Ihr Ideenkeim für „Die längste Nacht“?
Isabel Abedi: Ideenkeim, vielleicht hast du es von dem Werkstattgespräch, das wir eben hatten. Das ist ein Wort, das Patricia Highsmith (amerikanische Autorin, hauptsächlich für Kriminalromane bekannt, Anm. d. Red.) geschaffen hat. Dieses Wort finde ich sehr schön: dass es eben ein Keim ist, aus dem etwas wächst. Das ist natürlich für jede Geschichte etwas anderes. So war es auch bei der „Längsten Nacht“. Dass sich auch verschiedene Keime zu einer Idee entwickeln können, als würde man verschiedene Samen pflanzen und dann würde eine Multipflanze daraus werden. Bei der „Längsten Nacht“ ist es die Anfangsszene gewesen, die ich auch vorgelesen habe. Wo die Vita (Hauptperson des Romans, Anm. d. Red.) im Arbeitszimmer ihres Vaters das Manuskript findet. Das war ein Bild, das ich wirklich vor mir gesehen habe: wie dieses Mädchen nachts aufwacht, in das Arbeitszimmer geht und dieses Manuskript findet. Dieser Keim darin war die Vorstellung – das werdet ihr auch erahnt haben –, dass dieses Manuskript irgendetwas mit Vita zu tun hat. Dass offensichtlich ein Schriftsteller etwas geschrieben hat, was mit ihrer Familiengeschichte zusammenhängt. Diese Idee fand ich unglaublich gruselig. Es geht um ein Geheimnis, das ich nicht kenne. Da war ein Keim und da war der Schauplatz, an dem die Geschichte spielt. In Italien bin ich viele Sommer lang an drei verschiedenen Orte gewesen, aus denen sich dieser Schauplatz zusammensetzt. Mein Wunsch war, eine Geschichte zu schreiben, die an einem Ort spielt, den ich selber gut kenne. Ich glaube, man merkt das im Roman.
BS: Was halten Sie von Klostermusik?
Isabel Abedi: Kommt drauf an – das Kloster in der Geschichte ist real. Es heißt in Wirklichkeit nicht San Giordano, aber da habe ich auch Klostermusik gehört und die fand ich überwältigend. Es ist auch wirklich ein Kloster gewesen, das zum Himmel geöffnet war (im Buch hat das Kloster kein Dach, Anm. d. Red.). Das kann Stücken eine Atmosphäre geben, die mich ganz stark anspricht. Es könnte auch Stücke geben, die mir nichts sagen. Ich könnte also nicht sagen, dass ich alle Klostermusik toll oder alle Klostermusik nicht toll finde, das kommt drauf an.
BS: Wenn Sie schreiben, hören Sie da Musik?
Isabel Abedi: Ja ... mhm nein: Ich mache mir vor dem Schreiben, also in den Monaten, in denen ich an einer Idee arbeite, einen Soundtrack. Lieder, die mich inspirieren. In diesem Roman ist das am allerstärksten der Song „Stairway To Heaven“. Vielleicht kennen nicht alle dieses Lied: Es ist von Led Zeppelin und war in meiner Jugend sehr bekannt. Das habe ich beim Schreiben ganz oft gehört, bei bestimmten Szenen. Als ich diese Klosterszene geschrieben habe, die ich gerade in der Lesung vorgelesen habe, haben sich ja drei Stücke reingemischt. Da habe ich dieses Lied immer und immer wieder beim Schreiben gehört. Wenn ich nicht schreibe, heißt das, ich fahre Fahrrad, habe einen Walkman auf und fahre dann durch die Landschaft. Dann höre ich Musik und tanke mich sozusagen voll. Und danach schreibe ich.
BS: Lesen Sie lieber Hardcover oder Taschenbücher?
Isabel Abedi: Schwierig. Wenn ich reise, dann sind Hardcover echt schwer. Ich finde Hardcover schöner, ich finde aber an Softcover besser, dass ich das wirklich umklappen und in eine Hand nehmen kann. Meine Bücher sind auch nicht ordentlich: Da sind Eselsohren drin und die sind geknickt. Softcover sind biegsamer beim Lesen, aber schöner finde ich die Hardcover.
BS: Schreiben Sie lieber am Computer oder auf Papier?
Isabel Abedi: Beim Ideensammeln auf Papier, weil die Gedanken dann anders fließen. Und wenn ich an der realen Geschichte schreibe, dann lieber am Computer.
BS: Hat sich Ihnen gegenüber schon mal jemand so verhalten wie Lucas Eltern gegenüber Vita, als sie herausfinden, wer sie ist – sehr abweisend?
Isabel Abedi: Ja. Nicht ganz so, aber ich kannte meinen Vater nicht und davon handelt auch mein erster Roman. Da ist es auch ein Tabu, und es kam genau dieses Gefühl, dass die Fragen einfach abprallen. Tatsächlich kenne ich also dieses Gefühl. Ich war als Kind nicht schüchtern, aber in diesen Momenten schon ein bisschen. Ich habe mich tatsächlich nicht getraut, weiter zu fragen. Es kam dann ein bestimmter Punkt, wo ich Antworten bekam – aber das Gefühl kenne ich, ja.
BS: Hatten Sie denn auch Freunde wie Danilo oder Trixie (beste Freunde von Vita, Anm. d. Red.), die Sie aufgefangen haben?
Isabel Abedi: Nicht so, nein. Damit war ich eher alleine. Die beiden sind eher Wunschfreunde, die ich heute habe. Damals hatte ich Freundinnen, aber ich hab mich damit ganz alleine gefühlt.
BS: Was war als Kind Ihr Lieblingsbuch?
Isabel Abedi: Ich hatte mehrere. Ein erstes war „Wo die wilden Kerle wohnen“ von Maurice Sendak. Das war mein liebstes Bilderbuch. Ich habe das Sams sehr geliebt, obwohl es nicht bei meinen Top Drei dabei ist. Und mein allerliebstes Buch war Mary Poppins, die hab ich über dreißig Mal gelesen.
BS: Und was ist jetzt Ihr Lieblingsbuch?
Isabel Abedi: Ich habe mehrere Bücher, die ich immer wieder lese. Das sind zwei Romane von Barbara Vine. Das eine heißt „Keine Nacht dir zu lang“ und das andere, was tatsächlich auch sehr stark in diesen Roman eingeflossen ist, „Es scheint die Sonne noch so schön“. Der spielt auch in einem sehr heißen Sommer und arbeitet stark mit Natursymbolik, indem die Naturbeschreibungen die Stimmungen wiederspiegeln. Das ist etwas, was ich tatsächlich unbewusst gelernt habe. Und ein Klassikerliebling von mir ist „Effi Briest“ von Theodor Fontane.
BS: Haben Sie einen Ort, an dem Sie am liebsten schreiben ?
Isabel Abedi: Ich hätte früher immer gesagt, es ist mein Schreibtisch. Aber das hat sich ein bisschen verändert. Es gibt bestimmte Szenen, die schreibe ich im Bett, und andere auf dem Teppich und bei diesem Roman war mein Lieblingsort ein Tisch in Italien. Einen Teil dieser Geschichte habe ich in Italien geschrieben, in einer alten Villa in Umbrien mit einem riesigen Park. Und da hatte ich meinen Tisch in diesem Park. Ein anderer Lieblingsort war mein Schreibtisch in Los Angeles. Da habe ich ein kleines Häuschen am Meer gemietet und konnte beim Schreiben auf das Meer rausgucken.
BS: Sind Sie im Grunde Ihres Herzens vielleicht Italienerin?
Isabel Abedi: Nein (lacht).
BS: Warum nicht ?
Isabel Abedi: Ich glaube, dass ich im Grunde meines Herzens eine Zigeunerin bin. Ich bin vom Blut her halb deutsch und halb persisch. Aber meinen Vater, dem die persische Seite gehört, habe ich nur einmal kurz kennen gelernt. Dadurch bin ich im Grunde meines Herzens ein Mischwesen. Also gibt es immer das Fremde und das nicht Fremde in mir. Italien ist ein Ort, den ich sehr liebe. Ich mag die Italiener, aber ich fühle keine Verwandtschaft zu ihnen. Da gibt es eine stärkere Verwandtschaft zu den Amerikanern, weil ich meine Jugendzeit in Amerika verbracht habe und irgendwas verbindet mich mit den Amerikanern. Nicht mit allen, aber irgendetwas in mir schlägt lauter, wenn ich nach Amerika komme.
BS: Tee oder Kaffee?
Isabel Abedi: In den Schreibpausen viel schwarzen Kaffee und während des Schreibens literweise Tee.
BS: Was, glauben Sie, werden Sie in 10 Jahren als Interviewantwort am meisten bereuen?
Isabel Abedi: Da gab es einen Moment, ich erinnere mich nicht mehr an den Inhalt, aber da habe ich Buße getan. Das war die Frage einer Bloggerin, auf die ich ganz patzig geantwortet habe. Dummerweise wurde es auch in diesem Blog veröffentlicht und hat sich verbreitet. In der Welt der Blogger gab es einen empörten Aufschrei über die Arroganz dieser Autorin. Ich fand die Frage blöd und habe das auch in meiner Antwort deutlich gemacht. Ich erinnere mich nicht an die Frage und nicht an die Antwort. Ich weiß nur, dass ich mich dafür entschuldigt habe, dass ich so arrogant rübergekommen bin. Das mag ich nicht, denn eigentlich gibt es keine blöden Fragen. Auf die vermeintlich blödesten Fragen können auch die besten Antworten kommen. Also: Was ich bereue ist, wenn ich in einem Interview patzig werde oder mich nicht unter Kontrolle habe.
BS: Was würden Sie als Ihren größten Erfolg im Leben bezeichnen?
Isabel Abedi: Dass ich in den entscheidenden Momenten immer der Stimme meiner Intuition gefolgt bin.
BS: Träumen Sie denn auch von Ihren Büchern?
Isabel Abedi: Ja, ich stelle mir morgens gerne den Wecker ganz früh auf das berühmte Schlummern und nutze dann diese frühe Zeit, dieses Wegschlummern, als eine Art absichtliches Träumen. Ich träume dann über eine bestimmte Frage und gucke, was im Traum dabei rauskommt. Und es ist bei einem Lola-Buch mal so gewesen, dass ich den ersten Satz geträumt habe.
Blaue Seite: Wie würden Sie sich verhalten, wenn sich jemand von Ihnen abwendet?
Isabel Abedi: Das kommt drauf an, warum. Wenn ich mir dafür die Schuld geben würde, würde ich versuchen, das wieder gutzumachen. Wenn ich denken würde, dass es das Problem des anderen wäre, würde ich mittlerweile sagen: „Naja, dann soll er sich halt abwenden.“
Blaue Seite: Wie haben Sie Bücher lieben gelernt?
Isabel Abedi: Ganz, ganz, ganz früh durch meinen Großvater und meine Mutter. Geschichten waren immer da, Bücher waren da, riesige Bücherwände. Meine Mutter hat viel vorgelesen, bis in meine Jugend hinein. Das war auch noch so, als ich 13 war. Da habe ich mich abends oft zu ihr ins Schlafzimmer gelegt und sie hat mir Märchen vorgelesen. Oder wir haben Geschichten zusammen gelesen. Dieses gemeinsame Lesen fand ich unheimlich schön. Mein Großvater war eher so ein stiller Leser, den kenne ich eigentlich nur still hinter einem Buch. Aber meine Mutter war eine ganz leidenschaftliche Leserin, die immer mitteilen musste, was sie an der Geschichte spannend fand. Und ob man wollte oder nicht: Man bekam das zu hören und man bekam Lieblingsszenen vorgelesen. Auch wenn ich gerade für das Abi gebüffelt habe – nein, meine Mutter musste mir jetzt vorlesen, was sie gerade spannend fand. Diese Leidenschaft hat mich sehr angesteckt.
Blaue Seite: Haben Sie nach dem Abi auch wie im Buch so eine Tour durch Europa gemacht, oder haben Sie davon geträumt, eine zu machen?
Isabel Abedi: Meine Tochter hat das gemacht. Nicht mit dem Bully (VW-Bus, Anm. d. Red.), sondern sie und ihre Freunde haben Interrail gemacht und waren auch in Florenz. Das war ganz lustig, weil ich eine Florenz-Szene geschrieben habe. Ich dachte dann, dass die zu erwachsen klingt und dass ich nicht ganz die Perspektive von Vita hinbekommen habe. Weil ich auch in Florenz gewesen bin und das aus den Augen einer Erwachsenen geschrieben hatte. Ich habe dann Sophia gebeten, ob sie mir ihre Tagebucheintragungen zeigt, damit ich lesen konnte, wie sie das als 17-Jährige empfunden hat. Da habe ich ganz viel rausgezogen, obwohl ich es natürlich verändert habe. Und ich war nach dem Abi in Los Angeles und habe da ein Praktikum gemacht in einer Werbefilmproduktion, da bin ich also über Europa hinweggeflogen.
Blaue Seite: Süß, sauer oder scharf?
Isabel Abedi: Scharf.
Blaue Seite: Warum?
Isabel Abedi: Weil es so schön brennt.
Blaue Seite: Sind Sie eher jemand für Überlegungen und genaues Planen oder eher spontan?
Isabel Abedi: Immer alles durchplanen und dann doch ganz anders machen.
Blaue Seite: Was ist für sie eine „blaue Seite“?
Isabel Abedi: Eine blaue Seite ohne von eurer „blauen Seite“ zu wissen?
Blaue Seite: Genau.
Isabel Abedi: Eine blaue Seite. Da können Wolkenkratzer drauf sein, da können Sonne, Mond und Sterne drauf sein und die ist wie eine weiße Seite, nur viel schöner.
Blaue Seite: Gibt es noch Fragen aus dem Publikum?
Publikum: Was war ihr größter Bucherfolg?
Isabel Abedi: In Verkaufszahlen oder Kritiken?
Publikum: In Kritiken.
Isabel Abedi: Mein Jugendroman „Whisper“ hat die meisten Preise bekommen, der war für den Jugendliteraturpreis nominiert. Und in Verkaufszahlen war es „Lola“
Blaue Seite: Wie kommt es, dass Sie hier mit Musikern aufgetreten sind?
Musiker: Was wir hier machen? Das ist eine gute Frage. Ich glaube, darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht. Ich glaube, es ist einfach wahnsinnig schön, die Lebendigkeit in den Geschichten zu erleben und dann die Musik hineinzuweben. Das Konzept war ja auch, einen Trailer zu machen, also das sozusagen als Film ablaufen zu lassen. Also haben wir uns getroffen, darüber gesprochen und deshalb sind wir heute hier.
Publikum: Was war das erste Buch, das Sie veröffentlicht haben?
Isabel Abedi: Das erste Buch, das von mir veröffentlicht wurde, hieß „Schlawatz, der Traumwunscherfüller“ und war ein kleines Linobuch aus dem Coppenrath-Verlag. Das war das erste – ganz klein.
Ich wollte noch was zu den Musikern sagen: Das war für mich auch eine ganz neue Erfahrung. Ich weiß nicht, wer von euch den Roman schon gelesen hat und deshalb versteht, was wir gemacht haben: Das sind alles Szenen aus dem Buch, aber unser Arbeitstitel war Trailer und so sind wir da auch rangegangen. In dem Filmtrailer bekommt der Zuschauer Szenen und Schnitte, die natürlich viel zeigen, nicht unbedingt in der richtigen Reihenfolge, nicht so, wie sie später in dem Film sind. Es wird ganz viel gesagt und gleichzeitig gar nichts. Das heißt, eine Neugier wird geweckt und das haben wir eben auch versucht. Und haben dann auch Sachen umgestellt. Das war für mich eine ganz spannende und auch total kreative Arbeit zu gucken, wie sich Text verändert, wenn Musik dazu kommt. Wenn die Musik kein Lückenfüller ist, sondern wirklich eine Stimmung aufnimmt. Ich fand ganz großartig, wie sich das eben entwickelt hat.
Blaue Seite: Lesen Sie gerne Ihre eigenen Bücher vor?
Isabel Abedi: Ich würde sagen ja, weil ich auch schon mehrere Lesungen hatte. Ich würde reichlich ungerne laut lesen, wenn ich alleine bin, weil ich immer die Resonanz vom Publikum brauche. Wenn ich für mich allein laut lese, dann nur, um zu sehen, wie lange eine Lesung dauern wird. Dann höre ich im Text aber keine Emotionen – die kommen erst, wenn ihr da seid. Es ist also „Learning by doing“.
Publikum: Sind Sie Harry Potter-Fan?
Blaue Seite: Ich bin kein Harry Potter-Fan, aber: Meine Mutter war früher auch Werbetexterin und ist dann später aus Leidenschaft, als sie 50 geworden ist, Buchhändlerin geworden. Das war immer ihr Traum. Und da war Harry Potter das erste „Kinder-/Jugendbuch“, das war auch noch nicht so bekannt. Sie hat mir das in die Hand gedrückt und gesagt: „Das musst du unbedingt lesen, das ist total toll.“ Dann habe ich das gelesen und fand es auch großartig, absolut großartig. Harry Potter war also sozusagen mein Anfang.Es hat mich weggeholt von der Erwachsenenliteratur, wie man so schön sagt, und war der Anfang meiner großen Liebe zur Kinderliteratur. Weil ich danach gesagt habe: „Okay, ich brauche Stoff, ich brauche Stoff!“ Ich bin dann in Hamburg in eine Buchhandlung gegangen. Die Buchhändlerin hat mir da „Herr der Diebe“ von Cornelia Funke in die Hand gedrückt. Mittlerweile sind wir befreundet, aber damals kannten wir uns noch nicht. Ich habe das damals angeguckt und gesagt: „Nein, nein, das ist ja was ganz anderes.“ Und die Buchhändlerin sagte: „Doch, doch, lesen Sie das. Wenn Sie Harry Potter mochten, werden Sie das auch mögen.“ Dann habe ich es aber gar nicht als Buch, sondern als Hörbuch von Rainer Strecker gehört, dem wunderbaren. Ja, und dann ging es los. Dann war ich quasi verloren an die Welt der Kinder- und Jugendbücher. Insofern müsste ich sagen, kein Harry Potter-Fan, aber ich habe die ersten fünf Bücher leidenschaftlich gern gelesen. Ich habe ganz große Schwierigkeiten, mir Namen zu merken. Das war später dann natürlich dramatisch bei Harry Potter, wenn da ein Jahr zwischen den Bänden liegt. Ich konnte mir nicht merken, wer wer war und ich wollte mir jetzt beim Lesen keine Namenslisten anlegen. Deswegen habe ich die letzten beiden Bände nicht gelesen, aber ich finde Harry Potter großartig, ja.