Interview mit James Patterson
BS: Nachdem Sie ziemlich viele Thriller und Bücher für Erwachsene geschrieben haben, arbeiten Sie in der letzten Zeit auch viel an Büchern für Kinder (wie „School Survival“). Was sind die Unterschiede, wenn man für Erwachsene bzw. ein junges Publikum schreibt?
JP: Für ein junges Publikum zu schreiben macht immer Spaß, weil sich dabei viel um Fantasie und Comedy dreht. Für Erwachsene zu schreiben, kann sehr viel ernster sein, vor allem, weil man sich in Thriller viel mit düsteren und bedrohlichen Situationen auseinandersetzt.
Blaue Seite: Sie erwähnten einmal, dass Kinder nicht zum Lesen motiviert werden, wenn man sie dazu zwingt. Was denken Sie darüber, dass Schüler im Unterricht Bücher lesen müssen, die ihnen nicht gefallen?
James Patterson: Lesen ist eine absolut grundlegende Fähigkeit. Um im Leben erfolgreich zu sein, müssen Kinder fähige Leser sein. Deshalb glaube ich zwar, dass Kinder in Schule viel lesen sollten, aber ich halte es für weniger wichtig, dass sie spezielle Bücher lesen. Man sollte sie zu allem, was ihnen gefällt, ermutigen, denn das erweitert ihre Fähigkeiten.
BS: Was muss ein Buch Ihrer Meinung nach leisten, um eine gute Schullektüre abzugeben?
JP: Es muss die Leidenschaft fürs Lesen wecken. Das ist wirklich schon alles. Alles, das Kinder für das Lesen begeistert, ist ein geeignetes Buch.
BS: Viele Leute – darunter auch berühmte Autoren – sind der Ansicht, dass Fernsehserien mittlerweile Charaktere und Plots haben, die genau so interessant und abwechslungsreich sind wie die in Büchern. Was meinen Sie dazu? Und wenn Sie anderer Meinung sind, was glauben Sie, dass Bücher mehr leisten können?
JP: Sagen wir’s so, ich liebe Fernsehen. Es ist toll. Das Fernsehen ist im Moment wirklich in einer Hochphase, und die Serien sind besser denn je. Aber Fernsehen zu gucken wird Kindern nicht beibringen zu lesen. Und Fernsehen wird ihnen nicht beibringen, einen Zeitungsartikel nachzuvollziehen, oder eine Testfrage zu verstehen, oder sich den Werdegang einer Firma klarzumachen, wenn sich für einen Job bewerben wollen.
BS: Sie haben erwähnt, dass Sie immer versuchen, jede einzelne Seite spannend und interessant zu gestalten, damit der Leser auch unterhalten wird. Finden Sie, dass Entertainment der Hauptzweck von Büchern ist, oder können sie dem Leser auch direkt etwas beibringen? Schließlich sind viele berühmte Werke der Literatur nicht unbedingt unterhaltsam oder spannend zu lesen…
JP: Das ist eine Frage wie die von dem Huhn und dem Ei. Ich gestalte meine Bücher spannend und unterhaltsam, weil es Leute dazu bringt, sie zu lesen. Und jede Art des Lesens ist gutes Lesen, weil es Teil einer Palette von Fähigkeiten ist, die man braucht, um im Leben erfolgreich zu sein. Aber trotzdem kann lesen natürlich auch schlicht und einfach Spaß machen. Ich liebe es, mich in einem guten Buch zu versenken, und ich glaube, das geht vielen anderen Leuten auch so.
BS: Sie betonen immer wieder die Wichtigkeit von Büchereien und Buchläden. Was denken Sie darüber, dass immer mehr Leute ihre Bücher im Internet kaufen?
JP: Onlinekäufe haben ihre Vorteile – besonders, wenn man schon weiß, was man will. Aber wenn man sich umschauen will, wenn man zum Beispiel etwas für ein Kind sucht, das nur ungern liest, sollte man besser in einen „echten“ Buchladen gehen. Mit den Verkäufern oder Bibliothekaren reden. Sie fragen, was Kinder gerade lesen, was sich im Moment gut verkauft, was Kinder anspricht. Eine solche Beratung wird einem helfen, leichter Bücher zu finden, die Kinder zum Lesen bringen.
BS: Erst vor kurzem haben Sie viel Geld an Schulbibliotheken gespendet, und sie betonen immer wieder, wie wichtig diese sind. In Deutschland haben wir eigentlich kaum Schulbücherrein, dafür aber ziemlich große öffentliche Stadtbibliotheken. Würden Sie sagen, dass Schulbücherrein ganz besonders wichtig sind, oder können die öffentlichen das Lesen genauso gut fördern?
JP: Alle Bibliotheken sind gut und sollten unterstützt werden. In den USA brauchen wir Schulbücherreien, weil es Kindern den Zugang zu Büchern ermöglicht, den sie sonst vielleicht gar nicht hätten. Wenn beide Elternteile 60 bis 80 Stunden pro Woche arbeiten, was hier nicht selten vorkommt, wer hat dann noch Zeit, in die Bücherei zu fahren? Wenn gleich vor Ort in der Schule eine Bücherei vorhanden ist, können Kinder dort hingehen. Aber auch öffentliche Bibliotheken sind extrem wichtig. Dort gibt es oft großartige Angebote, und kompetente Bibliothekare können den Kindern helfen, sich Bücher auszusuchen, Hausaufgaben zu machen, usw.
BS: Wie gehen Sie mit negativer Kritik um?
JP: Ich ignoriere sie. Ich tue das, was ich mache, weil ich es liebe, und ich glaube, dass ich darin auch ziemlich gut bin. Das reicht mir vollkommen.
BS: Sie haben einmal gesagt, dass Bücher Leben retten. Wäre „School Survival“ ein guter Guide für jemanden, der, wie die Hauptperson Rafe, Probleme in der Schule hat?
JP: Auf jeden Fall. Aber, um es nochmal zu sagen, Bücher retten Leben, weil die Fähigkeit zu lesen Leben rettet. Wenn man Kindern Bücher gibt, die ihnen gefallen, werden sie mehr lesen wollen, was sie zu besseren Lesern macht, was in jeden Fall zu einem besseren Leben führt. Ich denke, dass „School Survival“ da eine gute Wahl ist, weil es ein unterhaltsames, lustiges und ansprechendes Buch ist, mit dem Kinder sich identifizieren können und das sie lesen wollen.
BS: Glauben Sie denn, dass Rafe ein Vorbild für Kinder sein könnte, denen die Schule schwerfällt?
JP: Ich weiß nicht, ob Rafe unbedingt ein Vorbild ist, denn er gerät wirklich oft in Schwierigkeiten. Aber ich glaube, dass sich Kinder mit ihm identifizieren. Die Jahre in der „Middle School“, wie wir sie in den USA nennen, sind ziemlich hart für Kinder. Sie versuchen, herauszufinden, wer sie eigentlich sind, die Schule wird immer schwerer, sie müssen langsam echte Verantwortung übernehmen – deshalb habe ich versucht, einen Charakter zu entwickeln, der diese Veränderungen auch meistern muss, und sie vielleicht nicht perfekt meistert, aber es immer irgendwie hinkriegt.
BS: Denken Sie, dass dem Buch ohne die Illustrationen etwas fehlen würde?
JP: Auf jeden Fall. Ich liebe Illustrationen und ich glaube, dass sie den Humor des Buches genau treffen.