Interview mit Franziska Lorenz und Jochen Stuhrmann
Im Rahmen einer Benefiz-Lesung hatten Theo und Charlotte die Möglichkeit, die Illustratoren Jochen Stuhrmann und Franziska Lorenz zu interviewen.
Blaue Seite: Wie sind Sie zum Zeichnen bzw. Illustrieren gekommen?
Jochen Stuhrmann: Zeichnen und Illustrieren sind ja zweierlei: Zeichnen ist eine von vielen Techniken, um Bilder zu erzeugen, Illustration verstehe ich eher als ein Methode, um mit Bildern Inhalte zu transportieren.Mit dem Zeichnen habe ich ziemlich früh angefangen, schon als Schüler habe ich gerne gezeichnet. Ich kann mich noch daran erinnern, dass schon im Grundschulzeugnis stand, dass da ein besonderes Talent vorhanden wäre. Nach dem Abitur habe ich dann angefangen, Kunst und Mathe zu studieren, auf Lehramt, weil diese Kombination nur so möglich war.. Später habe ich aber festgestellt, dass ich gar nicht in erster Linie Lehrer an Schulen werden wollte. Für die freie Kunst, haben mir die Dozenten gesagt, seien meine Sachen zu illustrativ, weil mir schon damals eine lesbare Übersetzung von Inhalten in Bilder wichtig war. So bin ich dann eher spät zur Illustration gekommen.
Franziska Lorenz: In der Schule habe ich mich auch immer schon für Kunst interessiert. Das habe ich einfach gerne gemacht. Nach der Schule wusste ich nicht so genau, was ich machen sollte und habe eine Buchbinderlehre gemacht. Da mir die Arbeit mit den Büchern so gut gefiel, bin ich da dann weiter eingestiegen und habe mit Illustrationen angefangen.
Blaue Seite: Sie machen ja größtenteils Sachbuchillustration. Finden Sie das nicht manchmal schade, dass es „nur“ Sachbuchillustrationen sind? Ist das verschwendetes Talent oder sehen Sie das anders?
Jochen Stuhrmann: Nee, also zum einen mach ich ja auch weiterhin Kinderbücher. Und ich habe das eine nie „wichtiger“ oder „wertiger“ als das andere angesehen. Natürlich ist die inhaltliche Freiheit in der fiktionalen Illustration großartig, dass man wirklich wie ganz frei seine Welten erschaffen kann.Natürlich muß man sich im Bereich Sachbuchillustration da ein bisschen zurücknehmen, aber das finde ich dann wiederum auch etwas sehr schönes, denn man stellt sich ja in den Dienst der Aufklärung oder der Wissenschaft.
Franziska Lorenz: Das ist außerdem sehr spannend: Man lernt ganz viel Neues. Einerseits neue Inhalte, aber man lernt bei der Arbeit auch viele spannende Experten kennen.
Jochen Stuhrmann: Man kriegt sogar noch Geld dafür, dass man täglich etwas neues lernen darf!
Blaue Seite: Gibt es etwas, dass Sie grundsätzlich nicht illustrieren würden, also eine Art Moralkodex?
Jochen Stuhrmann: Ja, es gibt schon Sachen, die ich nicht illustrieren würde. Ich würde kein Plakat für die AfD illustrieren, oder bei bestimmten Technologien würde ich auch an meine Grenzen stoßen. Genmais zum Beispiel. Wenn es ein neutraler Artikel wäre, wäre es etwas anderes. Aber wir machen ja teilweise auch Werbung. Und da würde ich mir schon sehr genau angucken, was da verkauft wird.
(An Franziska Lorenz) Du hattest doch einmal so eine komische Anfrage von so einem komischen ...
Franziska Lorenz: Ja, das war so etwas ganz Komisches, Esoterisches, das war ganz abgefahren!
Jochen Stuhrmann: Es sollten für viel Geld irgendwelchen Leuten irgendwelche Kulturgeräte verkauft werden. Aber man wusste wirklich nicht, was es war. Da gibt es schon Grenzen.
Blaue Seite: Ich komme jetzt mit meiner großen Frage: Wenn wir Ihnen einen Auftrag für eine 3-D-Figur geben würden, wie lange würden Sie dann brauchen diese Figur zu modellieren?
Jochen Stuhrmann: Es kommt darauf an, wie dicht ich dafür an die Figur herangehen muss. Wenn die Figur sehr weit hinten ist, dann geht das recht schnell, dann kann man das in ein, zwei Stunden machen. Aber wenn man dicht rangeht, kann das schon zwei, drei Tage dauern. Allerdings machen wir relativ viele Photoshop-Nacharbeiten. Das heißt, wir modellieren teilweise die Figuren nur relativ grob und die ganze Feinarbeit machen wir lieber in Photoshop, weil es auch effektiver und günstiger ist. Es gibt ja diese letzten 10 % Realismus, dafür würde man Wochen brauchen. Mit Photoshop kriegen wir das schneller hin, also diese letzten 10 %.
Blaue Seite: Was machen Sie wenn Sie eine „Zeichenblockade“ haben?
Franziska Lorenz: Da wir viel Abwechslung haben und auch mal an anderen Projekten weiterarbeiten können, ist das kein Problem.
Jochen Stuhrmann: Ich finde es auch gut, wenn man die Datei über Nacht liegen lässt und am nächsten Morgen noch einmal draufguckt – oder nach einer Woche. Das meiste sind aber Auftragsarbeiten und wenn man an einen Punkt kommt an dem man nicht mehr weiterweiß, dann frage ich einfach den Kunden und lasse ihn entscheiden. Das ist oft sehr angenehm, solche Entscheidungen nicht alleine treffen zu müssen.
Blaue Seite: Wie genau sind denn die Angaben die Sie bekommen?
Jochen Stuhrmann: Das ist sehr unterschiedlich. Gerade in der Werbung bekommt man zum Teil sehr genaue Angaben. Da wird dann gesagt: „Die Münzen sollen genau DA liegen und DANN leuchten.“ Wir haben aber auch Kunden die sagen einfach: „Wir wollen irgendwas mit Dinosaurier und jetzt macht mal Vorschläge!“ Aber es gibt eigentlich immer jemanden, der uns bei der Recherche hilft
Franziska Lorenz: Meistens auch einen wissenschaftlichen Berater, der uns dann exakte Informationen geben kann. Das ist zum Beispiel bei Dinosauriern sehr wichtig.
Jochen Stuhrmann: Wir haben trotzdem immer einen gewissen Interpretationsfreiraum. Hinterher werden die Bilder sowieso an die Redaktion geschickt und die gucken dann ganz genau auf die Details. Wir haben natürlich auch schon Fehler gemacht. Zum Beispiel, als ich den menschlichen Körper gespiegelt habe und das Herz im Buch dann auf der falschen Seite war. Da kamen dann Leserbriefe ...
Blaue Seite: Was würden Sie als Ihre Inspiration bezeichnen?
Jochen Stuhrmann: Hollywood-Filmproduktionen. Beindruckend. Aber es gibt auch Illustratoren, die ich gut finde. Ein richtiges Vorbild habe ich aber nicht.
Blaue Seite: Was waren Ihre Lieblingsbücher als Kinder?
Franziska Lorenz: Ich hatte früher ein Buch, das hieß „Der Tiger kommt zum Tee“, das habe ich sehr gerne angeguckt. Es geht um ein Mädchen, das mit seiner Mutter Tee trinkt. Dann klingelt es, ein Tiger kommt herein und isst alles auf. Am Schluss hat er auch das Wasser aus der Leitung ausgetrunken und geht dann wieder. Das fand ich als Kind super!
Jochen Stuhrmann: Ich habe als Kind furchtbar gerne die Bücher von Richard Scarry gelesen. Das sind Wimmelbücher mit ganz vielen Tieren. Ich glaube, daher kommt meine Vorliebe für Tiere im Kinderbuch.
Blaue Seite: Was waren Ihre Berufswünsche als Kinder?
Franziska Lorenz: Ich wollte immer als Seiltänzerin in den Zirkus.
Jochen Stuhrmann: Ich glaube, ich wollte Polizist werden.
Blaue Seite: Wie viel Geld bekommen Sie für ein Bild?
Jochen Stuhrmann: Die Honorare sind im Sachbuch im Vergleich zum Bilderbuch wesentlich höher. Selbst im Bereich Zeitschriften gibt es große Spannen: So kriegt man wesentlich mehr Geld für eine Infografik bei einem Wissenstext als für Bilder bei „leichteren“ Texten. Aber konkrete Zahlen ...
Franziska Lorenz: Es kommt ja auch stark darauf an, wie kompliziert ein Bild ist und was dargestellt wird. Außerdem ist es sehr stark abhängig für wen man arbeitet.
Jochen Stuhrmann: Ich verlange natürlich viel mehr Geld, wenn ich für eine Werbeproduktion arbeite, als wenn ich etwas für eine kleine Zeitschrift mache. Insgesamt mache ich ungerne ein Bild für unter 500 Euro. Es geht aber bis zu 3000 Euro. Wir machen jetzt gerade auch Bilder für Museen mit riesigen Formaten. Da sind die Summen auch gerne mal fünfstellig. Bei Bilderbüchern ist es dann eher weniger. Aber wenn die sich gut verkaufen, bekommt man ja auch eine Erfolgsbeteiligung.
Blaue Seite: Zeichnen Sie lieber am Computer oder auf Papier?
Jochen Stuhrmann: Ich mag beides.
Franziska Lorenz: Ich glaube, die Abwechslung macht´s. Wenn man viel am Computer sitzt, ist es sehr schön, auch was von Hand zu machen, sich mit verschiedenen Materialien auseinanderzusetzten.
Jochen Stuhrmann: Für mich war 3D auch wie eine kleine Befreiung gegenüber der Zeit, in der ich nur gezeichnet habe. Ich wollte die Formen und Farben immer zuspitzen oder z.B. die Figur etwas kantiger machen. Anderseits fand ich Realismus auch toll, also habe ich in beide Richtungen gezeichnet und konnte mich dann teilweise nicht entscheiden: Möchte ich das jetzt realistisch zeichnen oder möchte ich das freier machen? Irgendwann habe ich dann mit 3D angefangen und gemerkt: „Okay, damit kriege ich das realistisch hin.“ Wenn ich das von Hand zeichnen müsste, würde das ewig dauern. In dem Moment konnte ich die Freiheit, die sich mir beim Zeichnen bietet, wirklich genießen. Weil ich die Figuren bewusster wahrnehme. Deswegen finde ich die Abwechslung toll: wenn man etwas in 3D erstellt und die Spieglung korrekt ist. Dann aber wieder etwas Malerisches reinzubringen, bringt auch Spaß
Blaue Seite: Womit zeichnen Sie und wie kolorieren Sie das am Ende?
Jochen Stuhrmann: Also, wenn ich am Rechner arbeite, zeichne ich immer auf einem Tablet. Ich habe zwar noch eine Maus, aber die liegt irgendwo auf dem Schreibtisch, die müsste ich erst ausgraben. Das hat aber was mit Tennisarm zu tun: Wenn man die ganze Zeit mit der Maus arbeitet, dann brennt dir irgendwann der Arm und der Ellbogen tut weh.
Franziska Lorenz: Und Zeichnen mit Maus geht einfach nicht gut.
Jochen Stuhrmann: Aber wenn ich nicht am Computer male, dann male ich mit Acrylfarbe.
Blaue Seite: Haben Sie ein normales Grafik-Tablet oder eins mit Bildschirm?
Franziska Lorenz: Wir haben normale und auch eins mit Bildschirm– damit kommen wir aber beide nicht zurecht. Für uns ist es angenehmer, auf dem Tablet zu zeichnen und auf den Bildschirm vor uns zu gucken. Außerdem wird die Hand auf dem Tablet mit Bildschirm warm und fängt an, zu schwitzen. Das finde ich unangenehm.
Jochen Stuhrmann: Ich habe jetzt so ein Tablet, da kann man scrollen und touchen, aber das habe ich alles ausgeschaltet, weil mich das nervt. Ich mache irgendwas und dann bewegt sich etwas. Ich finde die Wacom-Tablets schon ziemlich gut, aber die ganzen Zusatzfeatures brauche ich nicht.
Franziska Lorenz: Es geht wirklich um das Zeichnen.
Blaue Seite: Dann Abschlussfrage: Woran denken Sie, wenn ich Ihnen das Stichwort „blaue Seite“ sage?
Jochen Stuhrmann: Das erste, woran ich gedacht habe, sind die Gelben Seiten.
Franziska Lorenz: Bei mir kommt bei Blau immer ganz schnell die Assoziation zum Himmel…
Jochen Stuhrmann: …und zum Meer. Oder man fragt sich: Was ist auf der anderen Seite, wenn ich die blaue Seite umblättere? Ist dann da eine gelbe oder orange?
Blaue Seite: Danke für das Interview.
Franziska Lorenz: Gerne.
Jochen Stuhrmann: Danke.