Interview mit Kristin Cashore

Interview

Bei der Leipziger Buchmesse hatte Kerrin die Möglichkeit, die Amerikanerin Kristin Cashore zu ihren Romanen 'Die Beschenkte' und 'Die Flammende' zu interviewen.

Wer oder was inspiriert Sie?

Ich habe manchmal Tagträume. Neil Gaiman sagt, dass jeder Ideen hat, aber Autoren merken es. Ich glaube, dass es das ist, was passiert.
Ich habe Tagträume und denke vielleicht grade über das Buch nach, was ich zuletzt gelesen oder den Film den ich zuletzt gesehen habe. Und dann stelle ich mir die Charaktere vor und sie sind plötzlich meine eigenen Charaktere und ich denke darüber nach, was für eine Geschichte ich besser gefunden hätte, wie ich sie geschrieben hätte.
Und bevor ich es wirklich merke, habe ich diese Figuren in meinem Kopf und höre ihre Gespräche und Streitereien, wie sie miteinander kämpfen.

Sie kommen zu mir und machen es sich in meinem Kopf bequem. Ich höre ihnen zu und versuche herauszufinden, welche Gefühle sie füreinander haben.

Ich fange ein Buch mit meinen Figuren und deren Beziehungen an, dann erst beginne ich mit der Handlung. Das ist eine sehr zeitaufwendige Arbeit.

Ich versuche, die Handlung als einen Rahmen für das Buch zu gestalten, einen Rahmen, in dem ich die Charaktere besser kennen lernen kann.

Mögen Sie Ihren Job?

Oh, ich LIEBE meinen Job! Es ist der beste Job der Welt! (lacht)

Ich kann in meinem Schlafanzug arbeiten, wenn ich das Gefühl habe, dass gerade zu viel los ist, zu viele E-Mails und Anrufe, dann entscheide ich eben, dass ich heute in meinem Bett arbeite.
Ich kann in einem Raum ganz alleine arbeiten – das liebe ich! – und ich kann um die Welt reisen und viele Menschen treffen.

Ich liebe alles an meinem Job!

Haben Sie einen absoluten Lieblingsteil Ihrer Arbeit?

Die Sache, die ich am meisten liebe, ist sehr klein. Es ist der Moment, wenn ich den ganzen Tag geschrieben habe und versucht habe, einen Teil wirklich gut zu schreiben und dann merke ich, dass ich es geschafft habe und es funktioniert.
Es passiert nicht sehr häufig, dass ich dieses Gefühl habe, normalerweise habe ich immer das Gefühl, dass ich es noch nicht geschafft habe, dass es noch nicht gut ist.

Der allererste war für jüngere Kinder, für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren, in Amerika heißt das 'middle-grade'.
Es war realitätsnah, also kein Fantasy und es handelte von einem jungen Mädchen das auf dem Land lebt, in der Nähe von dem Ort in dem ich aufgewachsen bin, in Pennsylvania und von ihrem Nachbarn, ihrem besten Freund.
Sie heißt Maddie und er JP.

Sie macht gerade eine harte Zeit in der Schule durch, weil sie nicht berühmt ist. Außerdem hat sie Fragen über ihren Glauben, sie ist katholisch und fängt zum ersten Mal in ihrem Leben an, die Dinge zu hinterfragen, die ihr eingetrichtert wurden.

JP ist ein Atheist und ein Naturwissenschaftler. Sie haben so ihre Gespräche. Er ist krank und die Dinge nehmen ihren Lauf.
Es ist kein großartiges Buch, aber ich denke, dass es Potential hat. Ich könnte es überarbeiten und dann wäre es ein Ganz-in-Ordnung-Buch. Noch ist es wirklich schlecht. Es ist mein Übungs-Buch.

Warum schreiben Sie gerade Jugendbücher?

Ich mache das nicht wirklich mit Absicht, ich fange einfach an zu schreiben und dabei kommt ein Buch heraus. Ich schreibe nicht für ein spezielles Alter. Ich schreibe einfach ein Buch, das ich selber gerne lesen möchte. Und ich bin 34!
Ich glaube, dass die Industrie und der Verlag dabei entscheidend sind.
Ich mag es gerne, über jugendliche Charaktere zu schreiben, weil es ihren Charakterzügen eine besondere Frische gibt. Sie erleben so vieles zum ersten Mal.
Es ist nicht wirklich wichtig, während ich schreibe, es ist einfach das, was dabei herauskommt.

Wie haben Sie sich gefühlt, als der Carlsen Verlag Sie nach Deutschland eingeladen hat?

Ich habe so einen kleinen Klebezettel an meinem Computerbildschirm, auf dem steht: „Never say yes unless it's HELL YES!“ (Sag niemals Ja, wenn es nicht JA, ZUR HÖLLE! ist!)

Ich werde zu so vielen Dingen eingeladen und es fängt an, stressig zu werden und ich habe mich manchmal gefühlt, also ob ich nie wieder zu Hause sitzen und schreiben könnte. Also musste ich lernen, Nein zu sagen. Aber als ich diese Einladung bekommen habe, habe ich meinem Agenten „HELL YES!“ zurückgeschrieben! (lacht)

Sind Sie Stolz darauf, dass so viele Menschen auf der ganzen Welt Ihre Bücher lesen?

Ich bin verblüfft. Ich bin wirklich schockiert. Ich glaube, ich habe noch nicht genug Zeit gehabt, um es wirklich sacken zu lassen und stolz zu sein, ich kann es noch nicht ganz fassen. Aber ich glaube, dass meine Familie sehr stolz ist.

Sind einige Figuren in Ihren Büchern Menschen in Ihrem wirklichen Leben ähnlich?

Nein, ich forme eine Figur nie nach dem Vorbild eines Menschen, den ich kenne, weil ich finde, dass die Figur ihre eigene Persönlichkeit haben muss.

Wenn ich während des Schreibens über eine wirkliche Person nachdenke, mache ich mir Sorgen. Die Charaktere über die ich schreibe sind wie ein Flickenteppich, zusammengesetzt aus Teilen von vielen Menschen.
Ab und zu passiert es, dass mich eine Figur in einem Buch an eine wirkliche Person erinnert – das, was jetzt kommt ist wirklich vollkommen lächerlich – wenn man das Buch 'Die Flammende' gelesen hat, kennt man Fires Pferd 'Small'. 'Small' erinnert mich an meinen Vater! (lacht)
Er ist sehr lieb und sanftmütig.
Aber ich habe gar nicht über meinen Vater nachgedacht, während ich über 'Small' geschrieben habe.
Ich habe diese Ähnlichkeit erst später bemerkt.
Mein Vater hatte einen Teil des Buches gelesen und sagte, dass er 'Small' sehr mochte und ich sagte, dass das kein Wunder sei, weil die beiden sich sehr ähnlich sind.

RedakteurRedakteur: Kerrin
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