Interview mit Lauren Oliver

Interview

Fee-Rose Strohschehn und Bona-Katharina Dommert interviewten Lauren  Oliver, die mit „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei,  sagen sie“ für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011  nominiert  wurde, am 13. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse.

Blaue Seite: Bist du aufgeregt, weil du nominiert bist?  

Lauren Oliver: Ich bin aufgeregt, sehr aufgeregt. Und auch ein bisschen nervös. Als  ich es erfahren habe, war ich sehr glücklich, doch ich habe es  verdrängt, damit ich nicht total ausflippe. Aber jetzt hier zu sein und  zu wissen, dass ich für den Jugendliteraturpreis nominiert bin, bedeutet  mir sehr viel.  

BS: Lauren Oliver ist ein Pseudonym für Laura Suzanne Schechter.  Warum hast du dir einen anderen Namen ausgesucht und warum ausgerechnet  diesen?

LO: Also eigentlich hat mein Agent mir den Namen ausgesucht, da er eine  weibliche Form von Laurence Olivier wollte. Mein Nachname ist schwer  auszusprechen und ich dachte, dass es dazu beitragen würde meine  Privatsphäre zu schützen. Ich finde es schön, eine Trennung zwischen  meinem Privatleben und dem Job zu haben. Ein anderer Grund ist, dass  ich, wenn meine Bücher ein riesiger Reinfall werden würden, unter einem  anderen Namen etwas anderes machen könnte. (lacht)

BS: Wir alle kennen die Geschichte, dass das ganze Leben an einem  vorbeizieht, wenn man stirbt. In „Wenn du stirbst“ steht aber, dass es  toll wäre, wenn man nur seine „Sternstunden“ erleben würde. Wie bist du  auf die Idee gekommen?  

LO: Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nicht, wo ich diese Idee her habe.  Ich denke auch, dass es im echten Leben eher so ist, dass das ganze  Leben an einem vorbeizieht. Aber ich mochte die Idee, dass man nur auf  die wichtigsten Dinge, die man auf dem Planeten getan hat, zurückblicken  kann. Und für Sam macht das natürlich einen großen Unterschied, denn  diese Momente verändern sie wirklich, das woran sie glaubt und das,  woraus ihr Universum besteht.

BS: Wir haben uns gefragt, ob du auch selber schon eine Nahtoderfahrung hattest?  

LO: Ich hatte tatsächlich schon mal eine, aber mein Leben ist nicht an  mir vorbeigezogen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich so nah am  Tod gewesen bin, aber es war sehr bedeutungsvoll für mich. Es hat sich  eigentlich so angefühlt, als wäre ich in einem Tunnel.

BS: Hast du Angst davor, dass die Verfilmung von „Wenn du  stirbst“ nicht deinen Vorstellungen entspricht und du die Entscheidung  bereuen wirst, die Rechte abgegeben zu haben?  

LO: Nein, eigentlich nicht. Ich meine, ich hab die Rechte an wirklich  sehr beeindruckende Leute in Hollywood gegeben. Wirklich sehr nette  Leute, die es lieben zu lesen und die auch  das Buch lieben. Außerdem  habe ich das Script gelesen und finde es großartig! Und die  Regisseure,  die in Betracht kommen, sind ebenfalls sehr toll. Um die Wahrheit zu  sagen: Meine Arbeit ist und war das Buch. Der Film ist eine  Interpretation davon. Es ist eine andere Art von Kunst. Selbst wenn er  nicht so gut ist wie das Buch ist das okay, denn dann ist mein Buch  besser. (lacht)  

BS: Kommst du als Autorin ohne Nebenjob aus?

LO: Ich habe mein Geld zunächst nur durch das Schreiben verdient, aber dann  habe ich auch noch eine Firma gegründet. Meine Firma arbeitet mit  jüngeren Autoren, sie sind normalerweise zwischen zwanzig und Anfang  dreißig, und wir bringen ihnen sozusagen bei, wie man Bücher schreibt.  Wir zeigen es ihnen, indem wir ein Buch mit ihnen zusammen schreiben,  das wir dann an einen Verlag verkaufen, der es veröffentlicht. Das ist  klasse! Und es ist äußerst zeitaufwendig, da wir wirklich sehr viel mit  unseren Autoren arbeiten, aber ja, jetzt habe ich im Grunde zwei Jobs.    

BS: Wie kommst du wieder runter, wenn du unter Stress stehst? Wie entspannst du dich nach einem anstrengenden Tag?

LO: Wein. (lacht) Also ich habe mich erst vor kurzem verlobt und  normalerweise kann ich meinen Verlobten davon überzeugen, mich zu  massieren. Aber ich liebe es auch, mich mit Freunden zu treffen – Und  ich liebe es zu kochen!! Kochen entspannt mich sehr. Oder ich gehe  einfach mit meinen Freunden aus in eine Bar. Diese ganzen Sachen halt.  Ich liebe es auch zu laufen. Ich bin einfach eine Läuferin und das hilft  mir auch, mich zu entspannen.

BS: Roter oder Weißer Wein?  

LO: Beides. Roter Wein entspannt mehr und lässt mich einschlafen. Das ist  der Grund, warum ich ihn gestern nicht trinken konnte, weil ich so  gejetlagt war und sonst am Tisch eingeschlafen wäre.

BS: Samantha erlebt einen und denselben Tag siebenmal. Würdest du  lieber den perfekten Tag dein ganzes Leben lang erleben wollen oder  verschiedene Tage, die ganz okay sind und von denen du weißt, dass sie  niemals perfekt sein werden?

LO: Das ist eine gute Frage. Wohl eher die vielen Tage. Ich denke, über  eine bestimmte Zeit würde jeder perfekte Tag seinen Reiz verlieren. Wir  brauchen auch anstrengende und schwierige Phasen, um wertschätzen zu  können, was wirklich wichtig ist. Ich glaube, etwas immer wieder und  wieder zu erleben, wäre letzten Endes nicht mehr perfekt und würde  ermüden. Was einen großen Teil des Lebens wertvoll macht ist, dass deine  Vorstellung von Perfektion sich über die Zeit verändern kann. Ich  meine, wenn ich den perfekten Tag aussuchen könnte, wie ich ihn mir  jetzt vorstelle, würde ich für immer darin feststecken und dabei war er  vielleicht gar nicht der perfekteste Tag. Was wäre mit all den Kindern,  die ich dann nicht hätte? Deine Vorstellung von Perfektion kann sich  verändern und wachsen und das ist ein so wichtiger Bestandteil vom  Menschsein.   

BS: Was würdest du machen, wenn du nur noch einen Tag zu leben hättest?  

LO: Mir wurde gerade erst diese Frage gestellt, also habe ich die Antwort  schon gut durchdacht! Zuerst würde ich richtig lange schlafen, weil ich  es liebe zu schlafen. Das klingt seltsam, denn vielleicht sollte ich  eher früh aufstehen um den Tag zu genießen. Dann würde ich mit meinen  Freunden, sagen wir, fast den ganzen Tag lang kuscheln. Dann würde ich,  es ist übrigens Sommer, alle meine Freunde und meine Familie im Prospect  Park zusammenkommen lassen. Das ist ein großer Park neben meinem Haus  in Brooklyn. Und wir würden eine riesige Picknick-, Barbecue-,  betrunkene Tanzparty bis in die Nacht hinein feiern – quasi im  Mitternachtspicknick-Style.  

BS: Und was ist der größte Unterschied zu Amerika?

LO: Ich habe bisher noch sehr wenig von Deutschland gesehen. Allerdings  gibt es hier mehr Deutsche als in Amerika! (lacht) Amerika ist so  gewaltig, das ist immer wieder ein großer Unterschied. New York ist auch  anders als Ohio. Ich glaube hier gibt es nicht so viel Fast Food, aber  vielleicht war ich auch noch nicht an den richtigen Plätzen. Und die  Leute sehen dünner aus. (lacht)

BS: Was ist dein größter Traum? Welchen würdest du dir erfüllen, wenn du alle Möglichkeiten hättest?

LO: Ich würde wahnsinnig gerne einmal in meinem Leben eine Auszeit nehmen  können, um für einige Jahre zu reisen! Ich reise so gern und ich reise  oft, aber ich würde gerne ein oder zwei Jahre lang nur das tun. Ich weiß  nicht, ob das realistisch ist, weil ich in Wahrheit ein kleiner  Workaholic bin, aber das wäre mein größter Traum. Oder auf einer Jacht  segeln … nee, war nur Spaß.  

BS: Wohin am liebsten?  

LO: Ich würde gerne überall hin reisen, aber ich habe noch nichts östlich von Budapest gesehen. Ich würde auch gerne Vietnam sehen.

BS: Nenne eine Sache, die du liebst, andere aber hassen.

LO: Marmite. Ich liebe Marmite. Es ist ein britisches Würzmittel. Es ist  buchstäblich das polarisierendeste Würzmittel der Welt. Einige Leute  hassen es, weil sie es nicht mal riechen können. Es gibt sogar  Facebook-Gruppen, die „Ich hasse Marmite“ und andere die „Ich liebe  Marmite“ heißen. Das ist sehr witzig!

BS: Beende den Satz: „Ich sage andauernd…“

LO: Blöderweise sage ich immer: „Ich bring mich um!“ Aber das ist nur ein  Witz. Zum Beispiel: Dieses Essen ist beschissen, ich bring mich um. Das  ist furchtbar und ich werde damit aufhören, es zu sagen! (lacht) Ich  bin immer so dramatisch: Entweder alles ist gut oder alles ist schlecht.  Ich sage auch andauernd „Im wahrsten Sinne des Wortes“, sogar wenn es  nicht im wahrsten Sinne des Wortes ist. So wie: Ich habe im wahrsten  Sinne des Wortes noch 8000 Billionen Dinge zu tun.  

BS: Wie sieht ein typischer Freitagabend bei dir aus?

LO: Normalerweise gehe ich mit Freunden Abendessen und dann in eine Bar  und höre Musik oder gehe auf eine Veranstaltung. Und wenn ich nach Hause  komme, schlafe ich. Schlafen ist das Beste!

BS: Was hat für dich eine blaue Seite?

LO: Picasso, wegen der Blauen Periode. All diese Bilder sind in Blautönen  gemalt und sie sind sehr melancholisch. Die zweite Sache an die ich  gedacht habe, war Thunfisch wie beim Sushi.

RedakteurRedakteur: Bona, Fee
FotosFotos: Daria
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