Interview mit Maria Koschny
Bona-Katharina Dommert und Fee-Rose Strohschehn haben Maria Koschny, die Hörbuchsprecherin von "Die Tribute von Panem", am 27.1.2011 bei den 5. Lübecker Jugendbuchtagen nach ihrer Lesung getroffen.
Blaue Seite: Bist du gerade eben sehr aufgeregt gewesen?
Maria Koschny: Ja, sehr! Das eben ist meine Premiere gewesen.
Blaue Seite: Was hältst du eigentlich von den Jugendbuchtagen? Gibt es so etwas auch in Berlin? Du wohnst doch in Berlin, oder?
Maria Koschny: Richtig. Also, erstmal finde ich es großartig, dass ihr das macht! Ich weiß nicht, ob es so etwas in Berlin gibt. Ich habe mich soweit noch gar nicht erkundigt. Aber ich war total happy, als ich von den Jugendbuchtagen gehört habe und dachte, das muss ich unterstützen, da komme ich sofort. Also soviel erst mal dazu. Und es ist super organisiert, wie ich bisher mitbekommen habe – also, feine Sache!
Blaue Seite: Du hast ja „Die Tribute von Panem“ vertont. Gibt es eine Stelle in dem Buch, die du besonders mochtest oder spannend fandest?
Maria Koschny: Hmmm...alle, nein! (lacht) So kann man nicht antworten. Natürlich ist der Teil in der Arena sehr, sehr spannend. Da passiert halt richtig was. Aber auch die ganzen Begegnungen und auch dieser Zwiespalt, ob sie Gale nimmt oder Peeta liebt, die berühren natürlich mein Mädchenherz auch.
Blaue Seite: Wie würdest du dich selber beschreiben? Findest du dich auch in der Rolle von Katniss wieder?
Maria Koschny: Also, ich glaube, dass man sich eigentlich irgendwie mit jeder Rolle identifizieren kann und so vom Kampfgeist würde ich sagen – klar, jeder findet irgendetwas, worum er kämpfen muss. Ansonsten ist sie natürlich ein extremer Fall – ich musste noch nicht in eine Arena gehen oder so. Ich habe mich da noch nicht ausgetestet auf dem Gebiet. Und ich finde sie natürlich sehr, sehr mutig. Sie hat ja auch eine ganz andere extreme Lebensgeschichte, allein mit der Jugend. Aber wie gesagt, ich denke der Kampfgeist ist etwas, das jeder in sich wecken und mit dem sich auch jeder identifizieren kann. Ich somit also auch.
Blaue Seite: Kannst du dir vorstellen, dass dieses Zukunftsszenario auch in der Realität geschehen könnte?
Maria Koschny: Joa, also, was so die Realityshows angeht, fand ich es schon schockierend nah am heutigen Leben dran. Wie sich Leute darstellen und in was für Situationen die gebracht werden. Vom Gefahrenheitsgrad natürlich noch heftiger, aber es erinnert ja auch so ein bisschen an die Stierkämpfe, die es ja heute auch noch gibt. Ansonsten finde ich alleine die Wirtschaftsform oder wie das alles aufgebaut ist, wie man die Bürger klein hält und so, sehr, sehr aktuell. Das war schon immer und wird auch immer wieder kommen, denke ich.
Blaue Seite: Die Bücher sollen verfilmt werden...
Maria Koschny: Uih ja, das hab ich gehört!
Blaue Seite: Würdest du gerne einen Charakter synchronisieren? Und favorisierst du bestimmte Schauspieler für die Rollen?
Maria Koschny: Natürlich würde ich gern die Katniss synchronisieren, wobei ich denke, dass die halt einfach aufgrund des Alters nicht mir entspricht, ich bin ja schon neunundzwanzig -jaaa (lacht) und an Schauspielern... also, wir haben uns darüber letztens mal unterhalten bei den Hörbuchaufnahmen. Wir sind auf jeden Fall dafür, dass es keine Promis sein dürfen, weil es das, glaube ich, rausreißen würde und es nicht mehr so echt erscheinen ließe. Aber irgendein junges Talent wird hoffentlich schon dafür gefunden werden. Da bin ich sehr gespannt.
Blaue Seite: Kannst du dir auch die Bücher oder Filme aussuchen, für die du deine Stimme leihen möchtest?
Maria Koschny: Nee, ich kann natürlich sagen, will ich nicht machen, aber ich kann jetzt nicht sagen, will ich machen.
Blaue Seite:Sprichst du lieber für Bücher oder Filme?
Maria Koschny: Es ist total anders, weil Synchronisation erstens in „Häppchen“ aufgeteilt ist, man spricht ja nicht den ganzen Film am Stück; das Buch wird aber schon am Stück gelesen – es ist also viel anstrengender, finde ich. Du musst dich vorbereiten, zumindest ich bereite mich vor.
Und beim Synchron ist es natürlich ein bisschen leichter. Du kommst rein, musst zwar spontaner reagieren, aber das war's dann auch. Damit ist der Tag dann auch durch. Von daher wechselt es. Synchron fällt mir natürlich erst mal noch leichter, weil ich das schon locker zehn Jahre mache. Und Hörbücher sind für mich noch relativ neu; das mache ich jetzt seit zwei, drei Jahren vielleicht. Und von daher: Ich bin froh über die Abwechslung.
Blaue Seite:Wie lange dauert es, ein Buch zu vertonen oder einen Film zu synchronisieren?
Maria Koschny: Beim Film ist es so, dass für die reine Vertonung, ohne das Dialogbuch zu schreiben und die Rohübersetzung zu machen, meistens so 5-6 Tage angesetzt werden. Es gibt auch schon Rekorde mit 14 Tagen. Es ist eigentlich nicht so viel zu machen. Und es kommt natürlich auch darauf an, wie viel gesprochen wird. Beim Hörbuch ist es abhängig davon, wie umfangreich es ist. Die Tribute von Panem haben bei mir z.B. 4 Tage gedauert.
Blaue Seite: Wie wird man überhaupt Synchronsprecher? Hast du eine Schauspielausbildung gemacht?
Maria Koschny: Es ist schon so, dass, sobald du als Erwachsener in den Branche reinkommen möchtest, eine Schauspielausbildung gefordert wird. Und in meiner Generation sind aber hauptsächlich „Synchronkinder“ (so nennen wir uns immer so schön), weil wir alle schon im Kindesalter – häufig durch unsere Eltern - zu dem Beruf gekommen sind, die Regisseure oder selber Synchronsprecher sind. Ansonsten läuft sehr, sehr viel über Kontakte, das muss man einfach mal so sagen.
Blaue Seite: Gibt es da auch so etwas wie ein Casting?
Maria Koschny: Ich habe mal gehört, dass sie auch „Leute von der Straße“ gecastet haben, die jetzt keine professionelle Ausbildung haben. Aber nur in sehr seltenen Fällen und eigentlich eher, um das vielleicht günstiger zu bekommen oder vielleicht auch mal, um es natürlich zu haben, weil Synchronsprecher sich auch oft auf diesen „Ami-Singsang“ einpendeln. Ein Synchronsprecher klingt häufig gar nicht so natürlich, sondern relativ künstlich – man hört es ja gleich, wenn es synchronisiert ist. Nee, richtige Castings gibt es in dem Sinne also nicht. Man muss sich schon selber vorstellen, mit einem richtigen Band und so.
Blaue Seite: Ist deine Mutter für dich ein Vorbild?
Maria Koschny: Ja, auf jeden Fall, weil sie erstens in den ganzen Bereichen, in denen sie arbeitet, sehr gut ist und das zweitens auch alles ausgeschöpft hat. Ich lasse mich auch selbst von ihr coachen. Sei es jetzt für ein Hörbuch oder für die Lesung, für die hab ich tatsächlich viel geprobt! (lacht) Und ich hab bei ihr auch mal eine Sprecherausbildung gemacht und nebenbei auch mal wieder ein wenig Schauspiel, alles, was eben so ansteht. Das ist wirklich praktisch.
Blaue Seite: Stand das für dich schon immer fest, demselben Beruf wie deine Mutter nachzugehen, oder hattest du früher einen anderen Berufswunsch?
Maria Koschny: Ja! Ich dachte immer, oh nein, jetzt machst du schon wieder das gleiche wie deine Mutter. Meine Mutter singt z.B. auch, dann habe ich auch irgendwann angefangen zu singen. Ich dachte jedes Mal: Oh mein Gott, nicht schon wieder das gleiche wie deine Mutter! Ich muss doch mal was Eigenes finden! Aber ich glaube, es liegt einfach ein Stück weit in den Genen, dann hab ich es natürlich auch ständig um mich rum gehabt, das heißt, ich bin damit aufgewachsen und habe jetzt beschlossen, mich dem zu stellen. (lacht) Und dass es okay ist, dass ich das gleiche. Jeder arbeitet ja auf seine Art und Weise. Also besteht zwischen uns keine Konkurrenz, sondern jeder hat seinen Bereich, von daher passt das schon und es ist auch schön, sich austauschen zu können.
Blaue Seite: Wusstest du das schon gleich nach dem Abitur, was du werden möchtest?
Maria Koschny: Nee, ich hab nach dem Abitur kurz Erziehungswissenschaften studiert, dann ein bisschen Psychologie und dann hat mich eigentlich die Synchronwelt wieder eingeholt. Ich ließ dann hier und da immer mal wieder eine Vorlesung ausfallen und noch eine und noch eine und irgendwann war ich dann wieder da drin. Und dann kam aber trotzdem der Moment, dass ich mich so zwei, drei Jahre nach dem Abi dann wirklich entschieden habe, dem Beruf nachzugehen. Und seitdem habe ich mich auch immer wieder fortgebildet in dem Bereich.
Blaue Seite: Wie sind die Verdienstmöglichkeiten?
Maria Koschny: Also es ist halt schon schnell verdientes Geld. Leicht würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Es ist ein sehr stressiger Beruf, weil sehr viel auf Zeit geht und jetzt eigentlich wie in jeder Branche eben Zeit und Geld knapper wird. Und es wird sehr viel gleichzeitig gefordert. Also, da ist Multitasking ganz groß geschrieben! Und wenn man dann noch nicht so eine Routine hat, baut sich natürlich auch ein riesiger Druck auf. Ansonsten verdient man... gut.
Blaue Seite: Wie sieht ein normaler Arbeitstag für dich aus?
Maria Koschny: Ich hab keinen normalen Arbeitstag. Es ist immer unterschiedlich. Mal ist eine Stunde Arbeit. Es gibt auch mal freie Tage. Mal ist es auch am Wochenende. Mal ist es ein ganzer Tag und wir haben sogar Nachtschichten, wenn man lustig ist - also bis null Uhr und dann ist auch Schluss. Und Hörbuch ist dann wieder sehr geregelt dagegen. Das dauert dann z.B. so von zehn bis sechzehn Uhr. Das ist ganz angenehm, das ist dann so ein fester Turnus.
Blaue Seite: Wie oft im Jahr hast du Aufträge?
Maria Koschny: Also eigentlich arbeite ich schon die Woche durch, ganz normal. Und sowas wie eine Lesung, das war jetzt meine Premiere, das kommt halt... ganz selten vor. Hörbücher waren jetzt natürlich vermehrt. Also, sag ich mal, zwei, drei - maximal vier im Jahr, weil es jetzt aber auch Reihen waren. Also, eine Hörbuchreihe immer, dann wurde ich halt weiterhin angefragt. Ansonsten hält es sich auch in Grenzen, vielleicht eins pro Jahr, würde ich mal sagen.
Blaue Seite: Wie bereitest du dich auf einen Auftrag vor?
Maria Koschny: Beim Synchron kannst du dich gar nicht vorbereiten, weil man vorher nicht weiß, was es ist. Es sei denn, man ist in einer Serie drin oder klar, man hat den Film schon gesehen, wenn es ein Kinostreifen oder ein Blockbuster ist. Das ist eigentlich die einzige Vorbereitung, die man so im Großen und Ganzen treffen kann. Ansonsten ist das alles sehr, sehr spontan. Beim Buch ist es natürlich so, dass ich das Manusskript vorher bekomme; also ein paar Wochen vorher. Ich mache mir da Zeichen rein, das muss man nicht machen, das ist für mich aber am effektivsten. Also Betonungszeichen und so, wenn da wirklich Stellen kommen, wo es wackelig sein könnte. Pausenzeichen und alles mögliche, was da noch rein muss oder Anmerkungen zur Aussprache eines Wort. Das ist schon sinnvoll.
Blaue Seite: Musst du besonders aufpassen und deine Stimme schonen?
Maria Koschny: (lacht) Ja. Man sollte tatsächlich, wenn man mit der Stimme arbeitet, sich auch am Tag einsprechen. Das habe ich aber auch erst jetzt erfahren, da die Stimme ab und zu mal nicht so wollte, wie ich wollte. Weil sie einem so zehn- fünfzehn Jahre alles mögliche verzeiht und dann, wenn man sie aber lange falsch benutzt hat, ohne es zu wissen, dann kann man da schon böse erwachen.
Blaue Seite: Was bringt dir an deinem Beruf besonders viel Spaß?
Maria Koschny: Beim Synchron ist es das Eintauchen in die Rollen, dass es jeden Tag was Neues ist. Es gibt natürlich auch schlechte Serien oder so, da ist dann solala mit dem Spaß. Es gibt aber auch einfach grandiose Filme. Du nimmst die Schauspieler ganz anders auf, wenn du sie in Versatzstücken eben auch sprichst, also nicht nur den ganzen Film siehst. Du nimmst viel mehr wahr. Das macht einfach sehr, sehr viel Spaß, da ein Stück dran teilzuhaben. Und beim Hörbuch ist es toll, in die ganze Geschichte einzutauchen und auch die Freiheit zu haben, selbst zu gestalten. Beim Synchron musst du ja sehr nah am Original bleiben, beim Hörbuch jedoch gibt es noch keinen Original-Ton.
Blaue Seite: Eröffnet er dir auch die Möglichkeit, berühmte Persönlichkeiten (wie z.B. die Autoren der
Bücher) kennenzulernen?
Maria Koschny: Habe ich bisher noch gar keinen Kontakt dazu gehabt. Also, z.B. Suzanne Collins wohnt ja gar nicht in Deutschland und deswegen ist es sehr, sehr schwierig, glaube ich, daran zu kommen oder ich weiß auch gar nicht, ob es schon mal jemand probiert hat. Also, nee leider nicht.
Blaue Seite: Bedauerst du es, das Synchronsprecher so wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten?
Maria Koschny: Nein. Also, wir haben jetzt ja inzwischen sogar einen Synchronpreis, seit, ich glaube vier, vielleicht sogar fünf Jahren, weil das, glaube ich, auch bemängelt wurde. Ich finde es schön, wenn man im Abspann steht, im Kinofilm, aber ich finde unsere Leistung ist ja auch, was allein die Vorbereitung angeht und alles, sehr dezimiert. Also, von daher bin ich ganz zufrieden, nicht ganz so im Rampenlicht stehen zu müssen.
Blaue Seite: Schauspieler schauen sich oft auch nicht ihre eigenen Filme an. Wie ist das so für dich, wenn
du einen Film „von dir“ siehst?
Maria Koschny: Also, ich finde, es ist wichtig, dass man es macht. Es ist genauso mit der eigenen Stimme auf dem AB, die man auch einfach nicht anhören möchte. Ich finde es sehr wichtig, weil das „Innenohr“, sage ich jetzt mal, also die Wahrnehmung, die man von sich hat, wenn man selbst spricht und wenn man gerade am Sprechen ist und das „Außenohr“, wenn man sich z.B. auf dem AB hört, also von außen wahrnimmt, meist nicht deckungsgleich sind. Wenn ich mich jetzt also von der Leinwand her höre, das ist wichtig, das abzugleichen, dass man auch weiß, wie man wirkt. Manchmal erfordert das allerdings auch Mut und ich war schon oft nervös, wenn ich dann im Kino saß und wusste, gleich kommt mein erster Satz. Inzwischen kann ich mich ganz gut selbst hören und bei manchen Projekten denke ich: Uh, was hast du denn jetzt da wieder gemacht, aber bei anderen Sachen, muss ich sagen, freue ich mich auch, wenn es gut geworden ist.
Blaue Seite: Liest du denn auch viel?
Maria Koschny: Das ist jetzt peinlich (lacht). Also, ich will immer, aber dann komme ich nicht dazu. Ich habe jetzt ganz viele Bücher auf meinen Nachttisch liegen, sagen wir mal so. Und ich habe auch ganz viele davon angefangen und ich freue mich deswegen auch immer sehr über Hörbücher, weil ich dann mal wieder richtig zum Lesen komme und das ganze Buch auch richtig aufsaugen kann und habe es mir auf jeden Fall vorgenommen, mehr zu lesen. Allein, seit ich hier war.
Blaue Seite: Hast du denn trotzdem ein Lieblingsbuch?
Maria Koschny: Ich muss tatsächlich sagen, dass ich die Tribute von Panem, alle drei, momentan sehr, sehr weiterempfehle – das ist jetzt keine Schleimerei, das ist wirklich so. Die sind einfach gut. Ansonsten lese ich gerne auch mal leichte Kost, irgendwas Witziges... ungern Geschichtsbücher und aber auch gerne dramatische Sachen, also nicht jetzt mit Mord und Totschlag, aber in denen es emotional an die Substanz geht.
Blaue Seite: Was hat für dich eine blaue Seite?
Maria Koschny: Also erstmal unbeschriebenes Blatt. Himmel, Freiheit... blaue Seite...mmh blaue Seite... ihr seid ja witzig... blaue Seite... neutrale Zone?