Interview mit Marian Funk
Blaue Seite: Welche Stimme macht Ihnen in „Bravelands“ am meisten Spaß?
Marian Funk: Ich glaube, das ist tatsächlich Flinkjunges, als er noch wirklich Flinkjunges ist, weil er noch so naiv und unbedarft ist und die ganze Welt mit großen Augen anguckt. Charaktere, die staunen, machen mir generell am meisten Spaß, so etwas liegt mir irgendwie. Ansonsten finde ich Dialoge immer toll, weil man da mit der Stimme spielen und herumexperimentieren kann. Ich bin jemand, der ganz viele Stimmen nebeneinander macht. Ein Beispiel, das ich sehr lustig finde und sehr gerne mache, aber nur selten verwenden darf: (mit komischer Stimme) „Ich kann auch so sprechen, aber das braucht man sehr selten. Und in einem Hörbuch kann man das erst recht nicht oft verwenden, weil es halt ziemlich extrem ist.“ Das ist jetzt ein Extrembeispiel. Ich synchronisiere nebenbei auch noch Computerspiele, da kann man das manchmal anbringen.
Blaue Seite: Meinen Sie, dass Sie durch Ihre Schauspielausbildung einen Vorteil als Sprecher haben?
Marian Funk: Ja.
Blaue Seite: Inwiefern hilft das beim Sprechen?
Marian Funk: Ich habe sehr viel gelesen und geübt, sodass ich einiges über meine Stimme weiß – was ich gut kann, was weniger gut und was nicht. Und bei der Vorbereitung kann ich die Stimmen selber gestalten, damit alles so ist, wie ich mir das das vorstelle und wie es zu mir passt. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass eine Schauspielausbildung unbedingt notwendig ist, um ein guter Sprecher oder Hörbuchsprecher zu werden. Ich habe sogar den gegenteiligen Fall erlebt: dass man durch die vielen verschiedenen Meinungen der ganzen Experten auf der Schauspielschule verwirrt wird. Auf der anderen Seite gibt es auch Leute ohne Schauspielausbildung, die einfach generell begabt sind und viel gelesen haben. Das Wichtigste ist sowieso, viel zu lesen. Dann kommt das irgendwann von ganz allein.
Blaue Seite: Was macht Sie besonders unter den deutschen Hörbuchsprechern?
Marian Funk: Ich sage immer, dass ich ein Berufsjugendlicher bin. Weil meine Stimme relativ jung klingt. Deswegen werde ich oft für Kinder und Jugendbücher engagiert. Wenn es nicht gerade die Warrior Cats sind, auch oft für Coming-of-Age-Geschichten. Meistens spiele ich dann so 15- bis 18-jährige Jungs. So habe ich inzwischen schon eine ganze Sammlung von Geschichten über meinen ersten Kuss und mein erstes Mal, weil das in den Büchern immer wieder vorkommt. Besonders ist also, dass ich auf junge Leute spezialisiert bin, ich aber trotzdem schon eine gewisse Erfahrung und Routine habe, wo jüngere Sprecher vielleicht nervös wären. Aber bitte versteht das nicht als Angeberei. Ich bin, weiß Gott, kein perfekter Sprecher und habe auch meine Schwächen. Ich könnte zum Beispiel nie einen Actionhelden synchronisieren, weil dafür meine Stimme einfach zu lieb ist.
Blaue Seite: Wer ist denn zum Beispiel ein perfekter Sprecher? Haben Sie ein Idol?
Marian Funk: Ja. Ich höre natürlich eher bei den männlichen Sprechern genauer hin. Da finde ich vor allem David Nathan ganz toll. Der ist, für alle die es nicht wissen, die Synchronstimme von Johnny Depp. Ich habe leider noch nie ein Hörspiel oder eine Produktion gemeinsam mit ihm aufgenommen, würde das aber wahnsinnig gerne einmal tun. Da wäre ich echt ziemlich ehrfürchtig. Was ich am tollsten an David Nathan finde, ist seine schöne, charismatische Stimme, die man zwar wiedererkennt, aber auch nicht zu doll. Ich will sagen: Auch wenn man ihn einmal als Johnny Depp gehört hat, kann er auch andere Rollen sprechen, ohne dass man die ganze Zeit das Gefühl hat, Johnny Depp liest einem eine Geschichte vor.
Blaue Seite: Wie sind Sie denn in diese Szene reingerutscht?
Marian Funk: Das ging über den Unterricht in der Schauspielschule. Ich fand als Kind Hörspiele und Hörbücher eigentlich nie wirklich toll. Ich habe selber als Kind nie so viele Hörspiele gehört. Aber dann hatte ich einen Unterrichtskurs an der Schauspielschule, da wurde ich von einer Dozentin unterrichtet, die gleichzeitig Regisseurin beim Hessischen Rundfunk war. Mit der habe ich mich auf Anhieb prima verstanden. Zwei Monate später hat sie mich ans Besetzungsbüro empfohlen, weil sie meine Stimme mochte. So bekam ich meine erste kleine Rolle. Dann hatte ich das große Glück, dass Beltz und Gelberg 2005/2006 das Buch „Wolkenhunter“ veröffentlicht haben. Das ist genau so eine Geschichte: Fantasy, Coming-of-Age, ein 15-jähriger Ich-Erzähler. Der Hessische Rundfunk hat mich als jemanden weiterempfohlen, der sich glaubhaft wie ein 15-Jähriger anhört, aber trotzdem genug Erfahrung für die Produktion von 4 CDs hat. Ich war natürlich total stolz auf mein erstes richtig großes Hörbuch. Danach hatte ich das Selbstbewusstsein, auch mal auf Verlage zuzugehen. So hat sich das immer weiterentwickelt
Blaue Seite: Haben Sie im Lauf Ihrer Karriere noch dazugelernt?
Marian Funk: Ja, ich habe viel gelernt. Man lernt nie aus. Ich lese für meinen Beruf wahnsinnig viel – das ist für mich wie Training für einen Sportler, weil mir da immer wieder neue Ideen kommen. Auch auf einer Lesereise entwickelt sich ein Buch. Manchmal denke ich in Lesungen: „So klingt das ja viel cooler, als das, was ich ursprünglich geplant hatte.“ Wenn man solche Sachen berücksichtigt, erweitert man sein Repertoire und entwickelt Zugang zu einer Rolle. Hinzu kommt, dass das Publikum sich bei jeder Lesung anders verhält.
Blaue Seite: Die meisten mögen es ja nicht, ihre eigene Stimme zu hören. Mögen Sie Ihre Stimme? Sie müssen sich das ja wahrscheinlich oft anhören.
Marian Funk: Ich habe mich daran gewöhnt. Ich kriege nicht wie andere Leute einen Schreck, wenn ich mich auf der Mailbox höre. Aber das war ein langer Weg. Als ich noch klein war, hat mein älterer Bruder mich immer geärgert, indem er mich beim Sprechen aufgenommen und mir das dann vorgespielt hat. Ich habe dann immer geweint.
Blaue Seite: Würden Sie sich eher als Sprecher, Hörbuchsprecher oder Schauspieler bezeichnen?
Marian Funk: Sprecher!
Blaue Seite: Also ist das Schauspielern in den Hintergrund getreten?
Marian Funk: Ich habe es eine Zeit lang versucht, aber es lässt sich nicht beides gleichzeitig jonglieren. Weil beides sehr zeitaufwändige Berufe sind. Wenn man nicht gerade ein Matthias Schweighöfer ist, nach dem alle ihre Termine richten, dann kann es halt ganz oft passieren, dass man entweder das eine oder das andere macht. Dann musst du eins von beidem absagen. Wenn ich jetzt in einem Theater spiele, dann würden die mir nie im Leben zwei Wochen für eine Lesereise freigeben. Dann müsste das jemand anders machen. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich vor dem Mikrofon wohler fühle. Und wenn schon Bühne, dann mit einem Buch vor mir. Deswegen habe ich irgendwann beschlossen, dass ich das Theaterspielen nicht weiterverfolgen möchte.
Blaue Seite: Was stellen Sie sich unter einer blauen Seite vor?
Marian Funk: Weil ich viel zwischen Englisch und Deutsch hin- und her übersetze würde ich das in blue übersetzen, was ja nicht nur blau, sondern auch traurig bedeutet. Unter einer blauen Seite stelle ich mir deshalb eine Seite voller trauriger Liebesgeschichten und Gedichte vor.