Interview mit Markus Köninger
Im Rahmen der Leipziger Buchmesse hatte unsere Redakteurin Clara die Chance, den Graphic-Novel-Zeichner Markus Köninger zu interviewen.
Blaue Seite: Sie bezeichnen sich auf Ihrer Website als Illustrator und Lockenkopf. Die Website heißt auch „Life in Curls“ – was kann man sich unter einem überzeugten Lockenkopf vorstellen?
Markus Köninger: Ein überzeugter Lockenkopf?
Blaue Seite: Der Sie ja zu sein scheinen.
Markus Köninger: Ja, jetzt habe ich längere Haare und einen Zopf, aber sonst habe ich eigentlich Locken. Das Leben bietet immer so viele Hochs und Tiefs und Freuden und weniger Erfreuliches. Und irgendwie fand ich den Namen „Life in Curls“ so bezeichnend für dieses Auf und Ab oder diese Achterbahnfahrt des Lebens. ich habe mal gehört, dass es besser ist, der eigenen Website einen bestimmten Namen zu geben, nicht den Eigennamen. Nicht „Markus Köninger“, weil Köninger sich sowieso keiner merken kann. Jeder schreibt es falsch. Dann wollte ich das ein bisschen international, und darum eben Englisch. Deshalb „Life in Curls“. Denn ich trage Locken und das Leben ist lockig, verlockend.
Blaue Seite: Sie hatten auf der Facebook-Seite mal Ihren Arbeitsprozess dargestellt. Da meinten Sie, dass im Planungsprozess manche Lücken in der Geschichte leichter zu illustrieren, leichter zu füllen waren, als andere. Was waren die schwierigen Stellen und warum waren gerade diese so schwierig?
Markus Köninger: Meistens sind es die Stellen, für die ich nicht direkt Bildideen hatte oder wo der Text vielleicht schon so gut war. Wo ich nicht wusste, was wird dem Text oder der Geschichte gerecht im Bild. Vor allem war ich nicht selbst in Damaskus, ich war noch nie in Syrien. Das macht es noch mal schwieriger, dem Ganzen gerecht zu werden.
Blaue Seite: Wie recherchiert man grundsätzlich so einen Ort, an dem man nie war, in einer anderen Zeit?
Markus Köninger: Glücklicherweise habe ich von Rafik Schami selbst viele, viele Fotos geschickt bekommen und von seiner Familie, die weiterhin in Damaskus oder Syrien lebt. Da hatte ich einen ganzen Ordner voll mit tausenden von Fotos. Das war auch noch mal schwierig. Obwohl es so viele waren, habe ich die meisten Bilder nicht verwendet. Es gab wenige Fotos von Szenen, die jetzt in meinem Comic auftauchen. Es war eben nicht durch meine Augen betrachtet, sondern durch die Augen von anderen Menschen. Das hat es noch mal schwieriger gemacht, mit diesen Fotos zu arbeiten. Da habe ich gemerkt, dass ich eine Art Ergänzung brauche zu diesen Fotos. Und das hat mich dann dazu bewogen, nach Istanbul zu fliegen. Wo es weit weniger gefährlich war und ist als jetzt in Damaskus. Dort habe ich viele Fotografien geschossen. Das arabische Leben eingesaugt und erlebt und ergänzend mit dieser Erfahrung, die ich da gemacht habe, konnte ich die Fotos und den Roman, konnte ich alles miteinander vermischen. Es hat sich viel mehr angefühlt, als würde ich es aus erster Hand erzählen.
Blaue Seite: Sie haben auch erzählt, dass Sie manchmal Szenen aus dem Buch zu einzelnen Themengruppen ordnen mussten, sodass manchmal eine monatelange Entwicklung in dem Buch, im Comic, im Graphic Novel in mehreren Tagen passiert. Hat der Comic grundsätzlich ein anderes Verhältnis zurzeit, als ein geschriebenes Buch, als Literatur?
Markus Köninger: Ja, hat es, weil der Roman in Tagebuchform geschrieben ist. Das ist eine ganz andere Erzählweise. Denn der Junge schreibt in sein Tagebuch, was er Tag für Tag erlebt. Von Montag bis Freitag schreibt er: „Heute war ich in der Schule. Heute war ich in der Schule und danach war ich in der Bäckerei und dann war ich noch bei meinen Freunden.“ Und das halt Tag für Tag. Das wäre in der Graphic Novel ein viel zu großes Durcheinander, um die Bilder oder die Geschichte nachvollziehen zu können. Was mich dann dazu bewogen hat, die vielen Szenen in der Bäckerei oder in der Schule zu größeren Szenen zu ordnen, auf vielen kleinen eine große Szene zu machen. So war es einfacher für mich. Und für den Leser ist so auch einfacher.
Blaue Seite: Also braucht der Comic mehr Fokus als Literatur?
Markus Köninger: Ich finde, Comic ist auch eine Literaturform. Darum würde ich das jetzt nicht so trennen wollen. Es ist eine andere Art und Weise, mit Literatur und Text, mit Geschichten umzugehen, als es ein Roman tut. Es gibt ja Comics, die sehr experimentell sind und mit Zeitsprüngen spielen oder mit Bildsprüngen, mit Text und Bild spielen oder Panels nur mit Bildern oder Bilder ohne Text. Das ist eine Geschmacksfrage. Mir war bewusst, dass ich an einer Romanadoption arbeite, die dem Roman auf eine gewisse Weise gerecht werden muss. Ich bin auch sehr nah am Roman geblieben, trotz meiner Entscheidung, den Roman sprichwörtlich auseinanderzuschneiden und neu zusammenzusetzen. Vielleicht habe ich den Tagebuchroman in einen „normalen“ Roman umgeschrieben und dann daraus eine Graphic Novel gemacht.
Blaue Seite: Wann braucht es denn in einer Graphic Novel Text und wann kommt man ohne Text aus?
Markus Köninger: Der Roman liefert viele Textpassagen, von denen ich wusste, dass ich da das Bild für sich sprechen lassen konnte. Was der Text beschreibt, brauche ich nicht noch einmal zitieren. Das wäre sonst doppelt gemoppelt. Ich habe mich sogar eher dafür entschieden, Text und Bild parallel laufenzulassen. Also dass der Text zur selben Zeit vielleicht eine andere Ebene erzählt als das Bild, und sich beides so ergänzt. Der Junge kann gerade über etwas nachdenken, wie die Bäckerei oder seine Freundin, und währenddessen etwas ganz anderes erleben. Habe ich die Frage beantwortet?
Blaue Seite: Ich glaube schon.
Markus Köninger: Ok.
Blaue Seite: Ich habe mir angeguckt, was sie sonst noch so gezeichnet haben, und ich hatte das Gefühl, dass es häufig um Musik geht. Sie haben den Comic „Wie nennen wir uns?“ über eine Band gezeichnet, und Sie haben auch ein paar kleinere Comics über kleinere Bands gezeichnet. Können Sie Ihre Bilder hören?
Markus Köninger: Hmm ... Eher nicht. Wenn ich etwas höre, habe ich die Bilder direkt im Kopf. Ich sehe also eher die Bilder beim Hören, anstatt andersrum. Ich habe zu dem Band-Comic „Wie nennen wir uns?“ noch mal meine eigene Musik und Musik von anderen Bands gehört, und das war inspirierend. Wobei ... es kann sein, wenn ich jetzt meinen Band-Comic lese, dass ich vielleicht die Musik meiner Band höre.
Blaue Seite: Es muss ja nicht immer Musik sein, es können auch Geräusche sein: zum Beispiel, wenn man durch Damaskus geht und es in dem Bild hört.
Markus Köninger: Ja. Ich habe später noch eine Lesung mit dem Comic. Aber jetzt ist zu wenig Zeit, da noch Sounds zu unterlegen. Es ist schon so, dass ich den Comic lese und mir vorstelle, welche Sounds oder Geräusche stattfinden könnten. Stadtgewusel in der Bäckerei oder sonst wo. Vielleicht vermitteln die Bilder eher eine Atmosphäre als spezifische Töne. Ich glaube, dass es mehr die Atmosphäre ist, die ich dann spüre.
Blaue Seite: Was hört man besonders viel, wenn man „Eine Hand voller Sterne“ zeichnet, liest oder vorliest? Wonach klingt es?
Markus Köninger: Während des Schaffensprozesses oder jetzt, wenn es fertig ist?
Blaue Seite: Ist es unterschiedlich? Dann beides! (lacht)
Markus Köninger: (lacht) Manchmal war die Musik während des Arbeitens auch ablenkend, dann habe ich tatsächlich in Stille gearbeitet. Es gibt auf Spotify das „Regenorchester“, da habe ich ganz viele Regengeräusche gehört. Das war sehr entspannend. Sonst auch Musik aus meiner Bandzeit. Ich komme sowieso aus der Rock- und Metal-Richtung, da höre ich gerne mal härtere oder atmosphärische Klänge. Manchmal höre ich aber auch ganz sanfte Stücke. Oder nur instrumental, nur Klavier. Das ist ganz unterschiedlich. Wenn ich den Comic jetzt lese, höre ich ein bisschen syrische Musik. Aber vielleicht wünsche ich mir auch nur ein bisschen mehr syrische Musik, vor allem jetzt, wenn es auf Lesungen geht. Das wird vielleicht später noch hinzukommen.
Blaue Seite: Aber beim Arbeiten haben Sie nicht bewusst syrische Musik gehört?
Markus Köninger: Doch. Hin und wieder habe ich auf YouTube oder Spotify Musik gefunden. Mit Gesang wurde es mir oft ein bisschen zu exotisch, da habe ich mir lieber die instrumentalen Klänge angehört. Für den Anfang war es auf jeden Fall inspirierend, aber dann hat es gereicht (lacht). Ich habe halt andere Hörgewohnheiten und konnte nicht die ganze Zeit syrische Musik hören. Ich bin kein Syrer – wobei ich auch keinen deutschen Schlager höre.
Blaue Seite: Es gibt in dem Buch ein Zitat: „Ein Journalist ist ein mutiger Mensch. Er hat nur einen Zettel und einen Stift, und damit macht er der Regierung mit ihrer Geheimpolizei Angst.“ Auch ein Comiczeichner hat nur ein Papier und einen Stift. Kann auch er der Regierung mit ihrer Geheimpolizei Angst machen?
Markus Köninger: Ja! Unbedingt und hoffentlich.
Blaue Seite: Sollte er das auch tun? Und wenn ja, wie?
Markus Köninger: Ja. Illustrationen und Comics lassen künstlerische Freiheit zu. Aber man kann trotzdem dokumentieren oder erzählen, was passiert, also dokumentarisch arbeiten. Es gibt ja diese Quasi-Bewegung des Comic-Journalismus: Journalismus, also etwas eigentlich Ernstes, wird mit Comics verbunden. Comic hat eine freie Natur. Aber man kann es nutzen, um eine subjektive Erzählweise mit reinzubringen. Ich glaube, dass man mit Comic-Journalismus Kritik äußern kann, die vielleicht im reinem Comic, Roman oder Erzählen nicht möglich ist. Ich glaube, dass Comic Freiheit und Möglichkeiten in jede Richtung bietet – hoffentlich auch die, einer Regierung Angst zu machen. Weil man Bilder bringen kann, die man nicht sehen will. Die man als Foto nicht sehen kann, nicht sehen will, die man aber als Zeichnung deutlich genug darstellen kann.
Blaue Seite: Also quasi eine gewisse Freiheit in der Abstraktion?
Markus Köninger: Ja, genau, auf jeden Fall. Oft sind Fotos in ihrer Darstellungsweise viel zu brutal. Andererseits können Illustrationen durch ihre indirekte Weise eine psychologische Brutalität rüberbringen. Man muss nicht explizit zeigen, was passiert. Es reicht ja, wie hier in der Graphic Novel auch, einen schwarzen Raum zu zeigen, in dem eine Figur auf einem Stuhl sitzt, gefesselt. Und da kommen ganz automatisch im Leser selbst Bilder zustande, die man als Illustrator gar nicht übersetzen muss.
Blaue Seite: Also würden Sie nicht sagen, dass Comic Sachen verharmlost, die man auf Bildern nicht zeigen will.
Markus Köninger: Nein, auf keinen Fall. Man kann natürlich verharmlosen und verballhornen. In Deutschland meint die Allgemeinheit: Comics sind für Kinder, es ist Verniedlichung und es ist immer witzig. Aber Satiremagazine wie Titanic, Eulenspiegel, oder auch Charlie Hebdo und Konsorten zeigen durch Illustration, dass ein Bild sehr witzig wirken, aber äußerst kritische Messages übertragen kann.
Blaue Seite: In „Eine Hand voller Sterne“ geht es ja auch um das Üben von Kritik, und das Volk übt in dem Fall journalistische Kritik. Die Jugendlichen greifen da zu sehr unkonventionellen Veröffentlichungsmethoden, zur Sockenverteilung, zu einem Korb, der mit einem Luftballon in den Himmel geschickt wird, sodass der Wind die darinliegenden Blätter verweht. Wie könnte man in Deutschland mehr Comics unters Volk bringen?
Markus Köninger: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, wir Comiczeichner suchen dafür auch immer mehr Wege. Eine große Chance sehe ich gerade in den Kindercomics. Dass man der nächsten Generation Comics näherbringt und quasi den Weg ebnet, dass Comics in der breiteren Masse ein höheres Ansehen bekommen. Dass Comic mehr bedeutet, als nur das Witzige, das Verschönende. Dass Comics auch kritisch oder realistisch erzählen und dokumentarisch sein können. Es gibt viele Comicfestivals – und hoffentlich werden es noch mehr –, jetzt auch parallel zur Leipziger Buchmesse. Zum Beispiel der Millionaire Club, der viele alternative Comicdarstellungen zeigt, auch experimentelle Comics. Je mehr es diese Festivals und auch Comiczeichner gibt, die daran glauben, dass Comics immer mehr Leser finden werden, desto besser wird es. Man darf auf keinen Fall den Glauben verlieren. Solange man selber daran Freude hat, Comics zu machen, findet man eine größere Leserschaft.
Blaue Seite: Fühlen Sie sich momentan noch sehr in dieser Ecke: Comics sind was für Kinder, Comics sind vielleicht mal ganz nett, was zum Lachen, aber nichts, was man ernst nimmt?
Markus Köninger: Es ist normal, dass man fragt, ob man von Comics leben könne. Allein diese Frage zeigt den Stellenwert in Deutschland. Comiczeichner, aber auch generell Illustratoren, haben es schwer, davon zu leben. Das Gestalterische wird nicht so ernst genommen wie Berufe, bei denen am Schluss ein konkretes Produkt herauskommt, mit dem man einen Nagel in die Wand schlagen kann. Ein Comic ist, wie auch ein Roman, eher Kunst und inspirativ für die Menschen, die sich vielleicht dazu entscheiden, Bäcker oder Ingenieur werden zu wollen.
Blaue Seite: Journalist werden zu wollen ...
Markus Köninger: Journalist werden zu wollen ... Ich glaube, diese Ernsthaftigkeit wünschen sich wohl alle Künstler oder Designer, alle Kreativberufe. Ein bisschen mehr Anerkennung. Aber solange wir alle weitermachen, denke ich, dass es immer besser wird.
Blaue Seite: Sie sagen immer wieder, in Deutschland sei das so. Gibt es Gegenbeispiele?
Markus Köninger: In Frankreich ist das sehr viel besser angesehen. Blaue Seite: Was macht Frankreich anders?
Markus Köninger: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass es viel mehr Förderprogramme als in Deutschland gibt. Allerdings habe ich auch mal einen französischen Comiczeichner getroffen, der meinte, dass es vor allem den französischen Comic-Superstars momentan toll gehe.
Blaue Seite: Ah, ok.
Markus Köninger: Für den Neuling in Frankreich ist es genau so schwierig, an Gelder zu kommen, oder an Verlage zu kommen, davon leben zu können. In Japan gibt es auch eine riesige Masse an Comics. Wobei: Da ist es noch mal ein bisschen anders. Die arbeiten ja nahezu 24/7 an ihren Mangas, die haben riesige Industriebänder, an denen sie an Comics arbeiten, tagtäglich. Einer zeichnet Hintergründe, einer zeichnet Hauptfiguren, ein anderer zeichnet die Nebenfiguren und wieder ein anderer macht die Panels. Das ist wieder eine ganz andere Herangehensweise. Ich habe auch mal gehört, dass durch den Zweiten Weltkrieg viel Kunst im Allgemeinen in Deutschland zerstört wurde. Doch zuerst wurden die handfesten Berufe gefördert, um Deutschland wieder aufzubauen. Kunst war erst einmal zweitrangig. Und Comic ist halt auch eine Art Kunstform. Das müssen wir uns erst wieder erobern. Vielleicht auch durch Comic-Journalismus. Das wäre eine schöne Symbiose aus ernstzunehmendem Beruf und dem freieren.
Blaue Seite: „Ernstzunehmender Beruf“ ... (lacht)
Markus Köninger: Ja. (lacht)
Blaue Seite: Kann Comic dadurch, dass er nicht immer Worte braucht, vielleicht auch eine internationalere Eigenschaft haben, als geschriebener Journalismus?
Markus Köninger: Verstehe ich nicht ganz.
Blaue Seite: Na ja, Comics, beziehungsweise Bilder, funktionieren ja ohne Worte. Ich könnte jetzt nicht unbedingt einen französischen Comic lesen, weil ich nicht besonders gut Französisch kann. Ich könnte mir höchstens die Bilder angucken. Könnte es nicht internationale Comics geben, die ohne Worte auskommen? Gibt es so was, oder könnte man so etwas schaffen?
Markus Köninger: Es gibt Comics ohne Text, wo tatsächlich die Bilder für sich selbst sprechen. So eine universelle Sprache ...
Blaue Seite: Sind Comics eine universelle Sprache?
Markus Köninger: Also, Comic kann auf jeden Fall universell sein. Ich hatte da auch mal eine kurzen Vortrag während meines Studiums, zum Thema Comic und vielleicht universelle Sprache. Und die Bauanleitung eines schwedischen Möbelriesen, das sind ja, wenn man so will, kleine Comics. Anleitungen in Bildern ohne Worte – und es funktioniert einfach. Und auch die Anleitungen in Flugzeugen, die Fluchtwege oder die Sauerstoffmaske erklären. Das sind auch Einzelbilder. Ich denke, wenn man die Worte weglässt und die Bilder für sich sprechen lässt, dann können die Bilder universell sein.
Blaue Seite: Nicht nur instruktiv wie bei IKEA oder in Flugzeugen, sondern auch, um Geschichten zu erzählen?
Markus Köninger: Ja.
Blaue Seite: Ja?
Markus Köninger: Ja. Es gibt Comics ohne Worte und die sind sehr einladend, in diese Geschichte einzutauchen. Oder dass man sich die eigenen Worte als Leser denkt. Manche Comics schaffen es tatsächlich, dass sich Leser allein durch die Bilder selbst Worte ausdenken.
Blaue Seite: Könnten die unterschiedlichen Stile, die sich gemischt haben, dabei eine Barriere sein? Gibt es einen deutschen Comicstil, einen französischen Comicstil, einen japanischen Comicstil?
Markus Köninger: Ja. Manchmal doch, es gibt schon so einen gewissen französischen Stil, auf jeden Fall. Wenn man so die alten Vorbilder sieht, wie Tim und Struppi und die ganzen franko-belgischen Comics, also Lucky Luke und Asterix usw. Man sieht immer so ein bisschen, aus welchem Land das kommt. Der deutsche Stil? Weiß ich nicht. Bei Japan natürlich Manga.
Blaue Seite: Mangas sehen anders aus, das sieht man auch.
Markus Köninger: Meistens sind das die großen Augen, oder ... Eigentlich sind es immer größere Augen. Ich glaube, dass in die Mangas große Augen gezeichnet wurden, weil sie sogar europäischen Einfluss hatten. Jedenfalls kann man mindestens japanische Comics und europäische Comics von einander unterscheiden. Und dann nochmal USA mit ihren Superheldencomics. Da sieht man auch wieder: Das muss aus Amerika kommen.
Blaue Seite: Ist es die Kultur, die da aus dem Comic spricht?
Markus Köninger: Auf jeden Fall, ja. Ich kenne zwar nicht die Ursprünge, warum es in Amerika ausgerechnet Superhelden sind. Vielleicht haben sie schon immer den Wunsch gehabt, die Stärksten der Welt zu sein. Ich glaube, dass Superman der erste Superheld war. Und danach kamen ja immer mehr Superhelden. In Europa kenne ich jetzt keinen Superheld. Es ist hier ein bisschen menschlicher, vielleicht mehr Kultur? (lacht)
Blaue Seite: (lacht) Längere Geschichte vielleicht?
Markus Köninger: Ja.
Blaue Seite: Haben Sie versucht, die arabische Kultur ein bisschen in „Eine Hand voller Sterne“ sprechen zu lassen?
Markus Köninger: Ich habe mir auf jeden Fall ganz viele Fotos angeguckt, wie es dort aussieht, vor Ort. Ich habe auch viele Fotos von Rafik und seiner Familie bekommen. Aber die arabischen Zeichnungen, die habe ich mir jetzt weniger angeschaut. Ich habe mich vielleicht ein bisschen von den Mustern inspirieren lassen, die habe alle organischere Zeichnungen in ihren Teppichen, ihren Balustraden oder ihrer Architektur, viele Schnörkel. Das habe ich versucht, mit in den Comic reinzubringen. Aber ich habe nicht bewusst versucht, einen anderen Stil zu kreieren.
Blaue Seite: Der eigene Stil auf eine eigene Geschichte.
Markus Köninger: Es war eine Mischung meines eigenen Stils mit den neuen Einflüssen, genau.
Blaue Seite: Ich glaube, dass wir langsam über der Zeit sind. Deswegen: Wir haben immer dieselbe Abschlussfrage. Was ist für Sie eine blaue Seite?
Markus Köninger: Irgendwie denke ich zuerst an die „Gelben Seiten“, aber wenn es dann eine blaue sein soll, denke ich eher an Alkohol und Party.
Blaue Seite: (lacht laut)
Markus Köninger: Betrunken die Gelben Seiten durchblättern. (lacht)
Blaue Seite: (lacht)
Markus Köninger: Gute Beschäftigung. Machen wir demnächst.
Blaue Seite: Vielen, vielen Dank!
Markus Köninger: Ich danke. War schön.