Interview mit Melvin Burgess

Interview

Stell dir vor, es gäbe eine Droge, die dir die beste Woche deines Lebens beschert. Der einzige Haken: Nach dieser Woche musst du sterben. Melvin Burgess hat darüber ein Buch geschrieben. Auf der Leipziger Buchmesse im März hatte Estelle die Möglichkeit, ihm ein paar Fragen zu seinem neuen Buch „Death“ zu stellen.

Blaue Seite: Ihr neuer Roman heißt „Death“. Woher stammt die Idee für das Buch?

Melvin Burgess: Das war nicht meine Idee. Sie stammt von meinem Verleger in England, Barry Cunningham –der übrigens auch J. K. Rowling entdeckt hat. Er wurde von zwei Philosophieprofessoren angesprochen, die ein Buch über das „große Ganze“ schreiben wollten: das Leben, das Universum und alles andere.

Der Verleger hat das Buch gelesen und fand es nicht so gut. Aber am Ende des Buches fand er einen Ansatz, den er sehr mochte: Die Idee, dass es eine Droge gibt, die dich umbringt – und die Leute nehmen sie freiwillig, nur um zu sterben. Also hat er die beiden aufgefordert, ein Buch über diese Droge zu schreiben. Das hat ihm dann auch nicht gefallen. Daraufhin hat er mit ihnen die Vereinbarung getroffen, dass ich dieses Buch schreiben würde. Man kann also noch so viele Ideen haben und weiß trotzdem nicht, ob sie wirklich Erfolg haben werden.

BS: Wollen Sie mit Ihrem Buch etwas verändern?

Melvin Burgess: Das ist ein großes Ziel, nicht wahr, etwas verändern zu wollen? Ich würde es gerne tun. Ich würde gerne politischere Romane schreiben. Aber das ist schwierig. Politische Romane sind die größte Herausforderung. Und sehr wenige Leute haben damit Erfolg und schreiben so, dass es nicht langweilig wird. Aber ich denke, ich habe ein paar Ideen, mit deren Umsetzung ich im Mai anfangen werde. Ihr könnt also gespannt sein, das ist mein nächstes Projekt.
Ich weiß, dass jeder Dystopien schreibt, die in der Zukunft spielen. Aber ich möchte eine zeitgenössische schreiben, welche hier und jetzt existiert und realistisch ist. Aber trotzdem eine Art Dystopie .

BS: Die Revolutionäre in „Death“ wenden Gewalt an, um ihre Ziele zu erreichen. Wann, denken Sie, ist es legitim, Gewalt anzuwenden?

Melvin Burgess: Wenn alles andere bedeutet, zu verlieren. Manchmal. Gewalt in Büchern ist die eine Sache. Denn am Ende wird niemand verletzt, es gibt keine Schrammen, es fließt kein Blut. Im echten Leben bin ich ein Gegner von Gewalt – aber ich bin auch kein Pazifist.

Achtung! Wer das Buch noch nicht kennt, sollte die nächste Frage überspringen!

BS: Am Ende erfahren wir als Leser nicht, was mit Adam passiert: ob er Fußballer wird oder einen anderen Beruf findet. Was glauben Sie?

Melvin Burgess: Ich glaube kaum, dass er Profifußballer wird. Das war eher Wunschdenken von ihm. Mich persönlich würde interessieren, ob Lizzie bei ihm bleibt. Was glaubst du?

BS: Ich weiß es nicht. Ich denke, dass sie vielleicht ein, zwei Jahre mit ihm zusammenbleibt, aber wahrscheinlich nicht bis an ihr Lebensende.

Melvin Burgess: Wenn ich Lizzie wäre, würde ich ihn ziemlich bald in die Wüste schicken. Ich weiß nicht wirklich, wie es mit ihm weitergeht, und es ist auch nicht meine Aufgabe, mir ein weiteres Leben für ihn auszudenken. Am Ende gibt es eine Revolution, alles ist offen, und ich würde gerne glauben, dass Adam nach seinem Abenteuer etwas findet, woran er glaubt. Denn am Anfang verhält er sich sehr egoistisch, nicht wahr? Er ist panisch. Es wäre also schön, wenn er sich politisch mehr engagieren und sich vielleicht sogar seinem Bruder anschließen würde.

BS: Jess kämpft sehr hart für seine Ziele und verlässt dafür sogar seine Familie. Können Sie sich vorstellen, das Gleiche zu tun?

Melvin Burgess: Natürlich. Menschen tun das jedes Mal, wenn Krieg herrscht. Sie müssen für die Dinge kämpfen, an die sie glauben. Außerdem wirkt sich vieles in der Politik auch auf deine Familie aus.

BS: Glauben Sie, dass Ihre Gefühle Sie stark beim Schreiben beeinflussen und so den Verlauf der Handlung z. B. zum Schlechten wenden, wenn Sie traurig sind?

Melvin Burgess: Natürlich, man benutzt diese Gefühle sogar fürs Schreiben. Wenn man also etwas Trauriges schreiben will und traurig ist, ist das super. Es ist aber wohl eher so, dass diese Gefühle eine tiefere Ebene des Buches beeinflussen, den Grundton des Buches. Wenn man also schwere Zeiten durchmacht, verliebt ist oder die Liebe gerade zerbricht, beeinflusst das alles in gewisser Weise das Gesamtbild eines Romans.
Es ist fast unmöglich, das zu vermeiden. Und wenn du gut in deiner Arbeit bist, solltest du in der Lage sein, frühere Erfahrungen zu nutzen.

BS: Haben Sie etwas Autobiografisches geschrieben?

Melvin Burgess: Nein, habe ich noch nie. Man benutzt aber immer Teile von sich selbst. Wenn du über irgendeinen Charakter schreibst, musst du dir immer vorstellen, was du tun würdest, wenn du diese Figur wärst. Als ich über Lizzie schrieb, überlegte ich, was ich tun würde, wenn ich ein 17-jähriges Mädchen zu dieser bestimmten Zeit an diesem Ort wäre. Man muss sich also immer in diese Person hineinversetzen.
Und ich habe sehr oft Teile meines Selbst einfließen lassen. In „Junk“ oder „Doing it“ z. B. habe ich bis zu einem gewissen Grad eigene Erfahrungen eingebracht. Aber ich habe nie etwas wirklich Autobiografisches geschrieben.

BS: Jetzt kommt unsere letzte Frage: Was assoziieren Sie mit der Blauen Seite?

Melvin Burgess: Wenn ich mir eine blaue Seite vorstelle, sehe ich darauf Stifte liegen. Wahrscheinlich habe ich selbst mal darauf ein Bild gemalt. Als ich ein Kind war, faltete ich auch viel in Origami-Technik. Das Papier, das man dafür benutzt, ist oftmals farbig und es gibt wunderbares blaues Papier in allen möglichen hübschen Abstufungen. Eine blaue Seite hat etwas sehr Beruhigendes.

BS: Vielen Dank.

Melvin Burgess: Ebenfalls danke.

RedakteurRedakteur: Hanna, Estelle
FotosFotos: Bjarne
Nach oben scrollen