Interview

Interview mit Nils Mohl

Bei den Lübecker Jugendbuchtagen 2021 hat Theo den Schriftsteller Nils Mohl interviewt. Nils Mohl hat den Roman „Es war einmal Indianerland“ geschrieben. 

SPOILERWARNUNG
 
 
Blaue Seite: Würden Sie rückblickend aus Ihrer Perspektive sagen, dass „Es war einmal Indianerland“ ein klassischer Coming-of-Age-Roman ist? 
 
Nils Mohl: Ich war Ende 30, als ich das Buch geschrieben habe, also bereits ein ganzes Stück von der eigenen Jugend entfernt. Was ganz gut war. Mit Ende 30 hatte ich nicht mehr das Gefühl wie in meinen Zwanzigern, dass ich mich auf Krampf von dieser Zeit distanzieren muss. Nicht weil ich erwachsen war, sondern weil ich diese Zeit anders einordnen und auch anders wertschätzen konnte. Weil ich in gewisser Weise auch mit anderen Augen auf mein jugendliches Ich geblickt habe. Ich habe festgestellt, dass ich in mancher Hinsicht großen, großen Respekt vor der Person empfand, die ich mal gewesen bin, bei allen Fehlern, die sie hatte.  
Auch deshalb war es mir wahrscheinlich wichtig, beim Schreiben keine falsche Rücksicht zu nehmen. Bei klassischen Coming-of-Age Romanen hat man oft das Gefühl, dass der vermeintlichen Zielgruppe keine Komplexität zugetraut wird. Und ich weiß heute: Es gibt viele Autoren im Kinder- und Jugendbuchbereich, die sich von Verlagen tatsächlich drängen lassen oder sich selbst bemühen, etwas zu schreiben, was möglichst leicht konsumierbar ist. Das hat mich als Schriftsteller nie interessiert, und ich könnte das auch gar nicht. Ich verbringe eine ganze Weile mit meinen Geschichten – und die müssen erst einmal mir gefallen. Und ich habe dann immer die Hoffnung: Wenn mir etwas gefällt, gefällt es auch anderen Leuten. Ich weiß, dass „Es war einmal Indianerland“ wegen der formalen Komplexität oft als untypischer Coming-of-Age-Roman wahrgenommen wird. Aber er erzählt vom Erwachsenwerden und fällt natürlich in diese Kategorie.  
  
 
Blaue Seite: Was ist denn die zentrale Aussage, die Sie mit dem Buch vermitteln wollen? 
  
Nils Mohl: Vor dieser Frage kriegen Autoren immer Panikattacken. Wenn wir eine Botschaft hätten, dann wären wir in Kirchen, in Parlamenten oder mit Megafon auf der Straße anzutreffen. Dort sind die Menschen, die Botschaften haben, viel besser aufgehoben. Autoren wie ich sind eigentlich eher immer wieder irritiert, dass es anderen anscheinend so leicht fällt, eine klare Meinung zu entwickeln. Ich war und bin immer ein Beobachter gewesen. Und deshalb finde ich, gute Geschichten brauchen keine zentrale Aussage. Aber oft haben sie ein zentrales Thema. 
Und ich denke, ein großes Thema meines Romans ist die Liebe in all ihren Facetten. Die Liebe zwischen Vater und Sohn. Die ersten Schwärmereien. Die Liebe zum Sport. Die Frage, wie aus Zuneigung echte Liebe wird. Darum dreht es sich. Natürlich muss man erst eine gewisse Reife haben, um sich überhaupt jemand anderem öffnen zu können. Das ist das, was Liebe ausmacht. Und ich finde, dass das ein wichtiger Teil des Erwachsenwerdens ist. Also die Leistung der Hauptfigur, wenn man so will, besteht darin, dass er am Ende erkennt, wem er sich am meisten zugehörig fühlt.  
Was ich selbst während der Arbeit am Roman gelernt habe: Das Erwachsenwerden hört nie auf. Und deshalb fand ich es für mich sehr spannend, mir diese Frage zu stellen: Was heißt es denn überhaupt, erwachsen zu werden? Das ist sicherlich auch das andere große Thema des Romans.  

Blaue Seite: Setzen Sie Ihre Stilmittel immer so bewusst ein oder geschieht das manchmal auch eher intuitiv?  
 
Nils Mohl: Jede Geschichte hat auf allen Ebenen ihre eigenen Regeln. Die entwickeln sich nach und nach im Schreibprozess und an die versuche ich mich dann so gut es geht zu halten. Natürlich kann man nicht alles bis ins letzte Detail steuern und kontrollieren. Es ist auch immer wieder verblüffend für mich, wie gut die Intuition funktioniert. Ich glaube, meine Aufgabe ist es, den Rahmen zu schaffen, in dem die Geschichte lebendig werden kann. Und wenn ich mich dann wohlfühle mit dem Text, dann hilft der Text mir auch, ihn weiterzuentwickeln. 
 
 
 
Blaue Seite: Bei welchen Aspekten Ihres Romans weicht Ihrer Meinung nach die Interpretation am meisten von Ihren Erwartungen ab? 
 
Nils Mohl: Ich erinnere mich an nichts wirklich Verblüffendes, muss ich gestehen. Im Grunde freue ich mich über jede Art von Auseinandersetzung. Und besonders über die kreativen. Es gab zum Beispiel auch Schultheateraufführungen von „Es war einmal Indinaerland“. Und zu sehen, dass junge Menschen den Text sich auf ihre Art aneignen, ist einfach grundsätzlich ein tolles Erlebnis. Und falls jemand den Roman komplett daneben findet, ist das für mich auch völlig in Ordnung, Geschichten sind ja nur Angebote. Bücher, die allen gefallen, die wären mir eher verdächtig.  

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