Interview mit Sandra Regnier
2015 hatte Charlotte auf der Frankfurter Buchmesse die Möglichkeit Sandra Regnier zu interviewen.
Blaue Seite: In Ihrem Pressetext heißt es, dass Sie in jungen Jahren immer nach Frankreich
wollten. Woher kommt diese Faszination?
Sandra Regnier: Das waren ursprünglich die Angélique-Bände. Ich hab die mit 13 gelesen und fand sie total super. Dann war ich natürlich auch beim Schüleraustausch und mit meiner Mutter auf einer Busreise eine Woche in Paris – das war traumhaft schön. Damals war der Louvre noch nicht umgebaut. Die Bilder hingen tatsächlich noch an getafelten Wänden mit Tapeten und allem Drum und Dran – heute hängen die an weißen Gipswänden, die das Bild hervorheben sollen. Früher war das noch ein richtiger Palast. Paris war auch die erste große Stadt, die ich besucht habe. Das war auch faszinierend. Und dann war da noch Versailles. Versailles erschlägt einen. Und natürlich das Essen – ich meine, wer isst nicht gerne Croissants? In Frankreich leben die Menschen anders: Die sind mittags ins Bistro gegangen, haben sich da zusammengesetzt und was getrunken. Sie legen insgesamt mehr Wert aufs Essen und auf Gesellschaft. Sie sind nicht so hektisch oder auf Geld fixiert.
BS: Wie sieht es auf Ihrem Schreibtisch aus?
SR: An manchen Tagen, an denen ich nicht ins Büro komme, wird alles draufgeknallt. Aber wenn ich im Büro arbeite, sehe ich zu, dass er ordentlich aussieht. Natürlich stapeln sich schon mal Bücher und Materialien. Ich arbeite viel mit Fotos, die überall stehen und liegen. Aber ich versuche schon, Ordnung zu halten, weil ich es nicht leiden kann, wenn es auf dem Schreibtisch eng ist.
BS: Sie sagten gerade, Sie arbeiten viel mit Fotos. Haben Sie auch Referenzfotos für Ihre Charaktere?
SR: Ja ... Für die männlichen, hauptsächlich (lacht).
BS: Schreiben Sie eher bruchstückhaft, also verschiedene Stellen der Geschichte, oder schreiben Sie immer von Anfang bis Ende?
SR: Ich mache das, was meine erste Lektorin Mosaik-Schreiben genannt hat. Ich sehe mich selbst als Liebesromanautorin. Ich schreibe meistens erst eine ganz romantische Szene, um die herum ich dann aufbaue. Das hilft mir auch, die Charaktere kennenzulernen, damit ich weiß, wie sie in verschiedenen Situationen reagieren. Das alles puzzle ich dann am Ende zusammen.
BS: Was hat Sie für die Pan-Reihe inspiriert?
SR: Ich hatte vor Jahren schon die Idee von einem Elfen, der andere verkuppelt. Also ein
verräuchertes Café, wo er tatsächlich mit Pfeilen auf die Leute schießt, damit sie sich verlieben.
Eine Freundin sagte dann zu mir: „Das ist Käse! Du musst Jugend-Fantasy schreiben!“ Also habe ich mir ein paar Gedanken gemacht und das ein bisschen umgeformt. Du kannst ja Jugendliche nicht in ein Café setzen, wo die Leute Telefone an den Tischen hatten – wenn einem die Dame am Tisch Nummer 3 ge?el, dann konnte man die Drei wählen. Kennt ihr das noch? Nee, wahrscheinlich nicht mehr. Dann wurde mir klar, dass sie auch keine Lehrerin mehr sein darf. Also habe ich mir gedacht: „Na, dann lässt du sie halt noch studieren, oder machst sie sogar noch jünger.“ So ergab dann eins das andere.
BS: Wie denken Sie sich in Jugendliche hinein?
SR: Ich arbeite in einer Schulbibliothek, deshalb fällt mir das leicht: Ich bin tagtäglich von 13- bis
16-Jährigen umgeben.
BS: Wo schreiben Sie am liebsten?
SR: Das ist unterschiedlich. Ich kann mittlerweile überall schreiben. Natürlich arbeite ich am liebsten zu Hause am PC, der einen großen Bildschirm hat. Das geht nicht so arg auf den Nacken. Aber wenn alle Stricke reißen, schreibe ich auch beim Friseur, beim Arzt, egal wo.
BS: Sie sagten: am Computer. Heißt das, Sie schreiben nicht auf Papier?
SR: Nein. Ich habe zwar immer eine Kladde dabei, um mir Notizen zu machen, etwas auszufeilen oder einen Plot voranzubringen – das mache ich alles handschriftlich und nicht am PC. Nur wenn wir in den Urlaub fahren, zum Beispiel letztes Jahr im Louvre, schleppe ich nicht den PC mit. Und wenn ich mal eine Pause brauche und mich in ein Café setzte, habe ich ein kleines Heftchen, in das ich per Hand schon mal eine kleine Szene schreibe. Das passiert aber eher selten. Aber bei den Ballettstunden meiner Tochter schreib ich viel. Da muss ich immer anderthalb Stunden warten, und was macht man da wohl?
BS: Wo holen Sie sich die Inspiration für den Charakter Ihrer Figuren?
SR: Ach, sind wir mal ehrlich: Die sind alle ein bisschen gleich gestrickt. Das hat sich bewährt, das macht mir auch Spaß – immer der schlagfertige Typ – mir gefällt das. Ich wäre auch gerne so, bin das aber eher selten. Von daher wäre ich schon gerne ein bisschen wie meine Protagonisten –
bin ich aber nicht. Wie gesagt: Mir gefällt das, also versuche ich auch, das beizubehalten. Und
die Leser sind, glaube ich, auch zufrieden.
BS: Was waren Ihre Lieblingsbücher als Kind?
SR: Das waren „Angelique“ und „Der weiße Wolf“, aber auch „Dolly“, „Hanni und Nanni“, „Fünf Freunde“. Sowas fand ich super, vor allen Dingen die „Fünf Freunde“. Ich meine, die wohnen am Po der Welt und erleben die tollsten Abenteuer – ich wohne auch so abgelegen, aber bei mir ist
nie was passiert (lacht).
BS: Wie bewahren Sie Ihre Bücher zu Hause auf? Haben Sie dafür einen eigenen Raum oder ?iegen die überall herum?
SR: Ich habe sie im Wohnzimmer. Mein Mann ist ein super Handwerker und hat mir über Türen und Fenster ein Regal gebaut. Da steht der Großteil meiner Bücher. Ein paar habe ich auch bei mir im Arbeitszimmer.
BS: Das Buch „Angelique“, das sie angesprochen hatten: Das kenne ich gar nicht. Geht das auch in Richtung Fantasy?
SR: Das ist eine Serie, die in den Fünfzigern geschrieben wurde. Soviel ich weiß, hat sie zuerst ein deutscher Verlag herausgebracht, kein französischer. Die Geschichten haben mich total
fasziniert, vom ersten Band an. Na ja, bis zum sechsten, die anderen sind dann ein bisschen langweiliger. Aber die waren total klasse zu lesen, allein der Sprachstil! Den kann ich auch nicht kopieren, der war schon was ganz Besonderes. Man konnte dieses Frankreich des 17. Jahrhunderts so schön nachemp?nden, das war toll.
BS: Das sind also historische Romane. Schreiben Sie auch Historisches? SR: Nein.
BS: Könnten Sie sich das vorstellen?
SR: U? ... Sag niemals nie. Aber eigentlich eher nicht, da die Recherche dafür sehr aufwendig ist. Wenn man einen wirklich guten historischen Roman schreiben will, muss man sehr, sehr viel recherchieren – und die nächste Bibliothek ist über dreißig Kilometer von mir entfernt. Nee, halt: dreißig? Sechzig? Sechzig!
BS: Sie arbeiten ja in einer Schule. Wie reagieren Ihre Schüler darauf, dass Sie so bekannt geworden sind?
SR: Das wissen die gar nicht. Also, die wissen, dass ich Bücher schreibe. Ich gebe von meinen Büchern auch immer eins an die Bücherei. Da sind wohl auch ein paar Leser, die sie mögen. Aber ich preise die Bücher nicht an und ich erzähle das auch nicht herum.
BS: Wenn ein Schüler mal eine Buchvorstellung über Sie machen würde, wie fänden Sie das? SR: Das würde ich gar nicht mitbekommen, das ?ndet ja im Unterricht statt. Ich bin nur für die
Pausen zuständig. Ich habe den allerbesten Job der ganzen Schule: Ich muss keine Noten
verteilen, ich darf mich mit Büchern bestätigen, ich hab die Lesebegeisterten bei mir – das ist
super! Die Schüler sind immer in den Pausen da, wenn sie ganz entspannt sind.
BS: Da haben Sie dann ja auch die längeren Pausen.
SR: Na ja, was heißt Pausen? Ich bereite dann immer alles für die Schüler vor. Ich spiele in den Pausen immer gerne Spiele – zum Beispiel Bücherbingo. Ich habe immer Gummibärchen als Preis da. Oder wir machen einen Book-Slam. Ich habe einen Buchstabenball oder wir machen eine Buchrallye oder eine Schnitzeljagd – man kann so viel machen!
BS: Wie alt sind die Schüler, die zu Ihnen kommen?
SR: Die Schule ist leider geteilt. Das ist eine Realschule plus und die hat zwei Standorte. Ich habe die Acht- bis Zehntklässler bei mir, was manchmal ein bisschen ... (zuckt mit den Schultern) ist. Mit Fünftklässlern kann man anders arbeiten, die sind einfacher zu motivieren. Ab der achten Klasse ist das was anderes. Die haben alle ein Handy und hängen nur am Smartphone. Darum hab ich Smartphone-Verbot ausgehangen und sammle die auch ein. Sonst sitzen die, gerade jetzt, wo die dunkle Jahreszeit anfängt, bei mir und zeigen sich dann gegenseitig Videos und spielen sich Musik vor. Bei mir sollen sie aber lesen. Sie mögen es übrigens sehr, sehr gerne, wenn ihnen vorgelesen wird. Ich lese jetzt wieder „Harry Potter“ vor, denn die kennen nur die Filme, aber nicht die Bücher. Am Donnerstag habe ich die Quidditch-Weltmeisterschaft vorgelesen. Die haben so gelacht!
BS: Wenn Sie mit den Schülern arbeiten, gucken Sie dann auch, was die so lesen und lassen sich davon inspirieren?
SR: Ja. Und wenn die neu dazukommen, frage ich sie auch, welche Fernsehserien sie gerne schauen – da kann man ja auch einiges von ableiten. Wenn da einer kommt mit „Vampire Diaries“ kann ich damit arbeiten.
BS: Ist Ihre Tochter auch eine Inspiration?
SR: Mit meiner Tochter kann ich tatsächlich manchmal sehr gut arbeiten. Sie sagt mir dann, ob etwas gut ist oder zu schwammig und noch ausgearbeitet werden muss. Sie ist 17, das ist ein praktisches Alter.
BS: Wie reagiert Ihre Tochter darauf, so eine berühmte Mutter zu haben?
SR: Meine Kinder merken das gar nicht. Ich habe meinen Sohn heute dabei und der hat das zum ersten Mal mitgekriegt. Der war auf keiner meiner Lesungen.
BS: Sind Sie noch aufgeregt vor Lesungen?
SR: Tierisch! Ich habe immer minutiös alles vorbereitet und ho?e dann, dass es beim einen oder anderen Gag zum Lacher kommt. Den Rest versuche ich immer, zu improvisieren.
BS: Das ist jetzt ein bisschen persönlich, aber: Wie haben Sie eigentlich Ihren Mann kennengelernt?
SR: Wir sind aus dem gleichen Ort. Aber weil er sechs Jahre älter ist als ich, war er immer schon aus der Schule raus, wenn ich nachgerückt bin. Deswegen haben wir uns erst kennengelernt, als ich siebzehn war. Bei uns im Ort gab es einen Tre?punkt für Jugendliche und da war er dann natürlich auch.
BS: Gibt es Passagen, die Sie auf Lesungen immer besonders gerne vorlesen?
SR: Nein, das bereite ich zu Hause vor. Da gucke ich schon, welche Stelle geeignet ist. Vor allem ?nde ich es immer ganz wichtig, dass man den roten Faden bei einer Lesung behält. Ich ende gerne mit einem Clipanger, ich liebe Clipanger. Schließlich will ich die Leute auch ein bisschen zum Lesen animieren. Ich ?nde das schwer heute, mit diesen ganzen Tablets und PCs, auf denen man sich sämtliche Filme angucken kann, die ganzen Streamings. Da ist es schwer, zum Lesen zu animieren. Ich denke, mit dem richtigen Publikum ist das ganz okay, dann kriegt man das hin. Es geht da nicht nur um meine Bücher, sondern ums Lesen allgemein.
BS: Das ist jetzt ein bisschen persönlich, aber: Wie haben Sie eigentlich Ihren Mann kennengelernt?
SR: Wir sind aus dem gleichen Ort. Aber weil er sechs Jahre älter ist als ich, war er immer schon aus der Schule raus, wenn ich nachgerückt bin. Deswegen haben wir uns erst kennengelernt, als ich siebzehn war. Bei uns im Ort gab es einen Tre?punkt für Jugendliche und da war er dann natürlich auch.
BS: Gibt es Passagen, die Sie auf Lesungen immer besonders gerne vorlesen?
SR: Nein, das bereite ich zu Hause vor. Da gucke ich schon, welche Stelle geeignet ist. Vor allem ?nde ich es immer ganz wichtig, dass man den roten Faden bei einer Lesung behält. Ich ende gerne mit einem Clipanger, ich liebe Clipanger. Schließlich will ich die Leute auch ein bisschen zum Lesen animieren. Ich ?nde das schwer heute, mit diesen ganzen Tablets und PCs, auf denen man sich sämtliche Filme angucken kann, die ganzen Streamings. Da ist es schwer, zum Lesen zu animieren. Ich denke, mit dem richtigen Publikum ist das ganz okay, dann kriegt man das hin. Es geht da nicht nur um meine Bücher, sondern ums Lesen allgemein.
BS: Was können denn in Ihren Augen Bücher bieten, was Filme nicht bieten können? Wir hatten nämlich schon Autoren, die gesagt haben, sie gucken genauso gerne Serien, wie sie Bücher lesen. Ich ?nde, das ist schon fast das Gleiche. Denn die Filme haben auch eine komplexe Handlung, komplexe Figuren. Was bieten Bücher außerdem?
SR: Gefühle! Bücher können Gefühle besser ausdrücken. Man kann sich viel besser in den Protagonisten hinein versetzen. Ich schreibe ja aus der Ich-Perspektive. Ich identi?ziere mich nicht mit den Personen, aber ich fahre an die Orte, über die ich schreibe. Dann kann ich auch aus Sicht der Protagonistin mit Gerüchen arbeiten oder mit Eindrücken. Ich glaube schon, dass man das als Autor ein bisschen besser vermitteln kann als im Film. da müsste man dann immer lange Rund-um-Kamerafahrten machen und dafür ist ja meistens keine Zeit im Film. Also fällt so etwas weg.
BS: Wenn Sie an den Orten sitzen, schreiben Sie sich dann alles gleich auf, machen sich Notizen, zum Beispiel: „Was rieche ich jetzt gerade?“
SR: Ja, de?nitiv. Ich habe immer einen Notizblock dabei und ein Stift, die in meine Bauchtasche passen.
BS: Apropos Notizblock: Schreiben Sie lieber auf liniertem oder kartiertem Papier? SR: Das ist mir sowas von egal. Nur blanko nicht, da bin ich zu unordentlich.
BS: Zeichen Sie manchmal zu Ihren Geschichten kleine Skizzen?
SR: Ja, wenn es um etwas Spezielles geht, wie zum Beispiel in Stonehenge. Stonehenge besteht eigentlich aus mehreren Standachsen, dazu mache ich mir dann schon mal Notizen. Wenn ich mir dann dazu passend etwas überlege, dann zeichne ich das auch.
BS: Mögen Sie E-Books lieber oder echte Bücher?
SR: E-Books sind praktisch. Wenn man nachts nicht schlafen kann und den Mann nicht wecken darf, ?nde ich es toll, dass man E-Books auf eine geringe Lichtdimmung stellen und bequemer lesen kann. Dann schlafe ich besser ein. Oder wenn man in den Urlaub fährt. Aber eigentlich habe ich lieber Bücher.
BS: Unsere typische Schlussfrage: Was ist eine blaue Seite für Sie?
SR: Das Erste, was mir einfällt, ist der Virus, den ich auf meinem PC hatte. Da wurde der
Bildschirm blau und nichts ging mehr – alles war weg. Das war ein Horror.
BS: Danke schön für das Interview.
SR: Gern geschehen.