Interview mit Sascha Hommer
Im Rahmen der 12. Lübecker Jugendbuchtage hatte Kathrin die Möglichkeit den Graphic Novel-Autor Sasha Hommer zu interviewen.
Blaue Seite: Ich habe Ihr Buch „In China“ gelesen und mir auch die Illustrationen der anderen Comics angeschaut. Dabei ist mir aufgefallen, dass jedes Buch einen anderen Stil hat und Sie für jedes Buch eine eigene Figurenreihe entwickelt haben. Dauert es lange, bis Sie diese Figuren entwickeln, oder kommen Ihnen die Ideen direkt, wenn Sie beispielsweise Ihre Freunde beobachten?
Sascha Hommer: Nein, dafür brauche ich schon eine Weile. Bei diesem Buch hatte ich versucht, die Figuren nicht so realistisch darzustellen, sondern eine Vereinfachung zu finden – die aber trotzdem transportiert, was mir bei den Personen wichtig ist.
Das ist ein langer Entwicklungsprozess. Am Anfang, als ich angefangen habe das Buch zu zeichnen, sahen die noch ganz anders aus.
Blaue Seite: In diesem Buch war es ja so, dass die „normalen Personen“, also die Figuren in den Nebenrollen oder im Hintergrund, wie normale Menschen aussahen. Aber die Hauptperson und ihre Freunde hatten verfremdete Gesichter und teilweise auch Masken auf. Sollte das auch etwas über die Gefühle der Personen aussagen?
Sascha Hommer: Die Hauptperson soll ja ich sein. Und tatsächlich gibt es im Buch mehrere Maskenwechsel. Die sollen vor allem versinnbildlichen, dass man sich während einer Reise verändert. Man spricht ja oft von „Kulturschock“: Dieses Phänomen wird in verschiedene Phasen eingeteilt. Wenn man in eine ganz fremde Kultur kommt, fühlt man sich erst angegriffen von dieser Fremdheit. Dann versucht man, sich daran zu gewöhnen und es zu adaptieren. Darum geht es bei dem Maskenwechsel. Die anderen Personen, die als Ausländer in China leben, habe ich auch so seltsam gezeichnet. Damit wollte ich zum Ausdruck bringen, dass diese Fremden, die dort leben, auch Fremde bleiben.
Blaue Seite: In einem Interview mit dem Goethe-Institut haben Sie gesagt, dass Sie das Land nicht aus dem Blickwinkel eines Touristen betrachten wollten. Sie haben dort Freunde und wollten auch andere Seiten zeigen. Sind Sie trotzdem immer Fremder geblieben?
Sascha Hommer: Ja, darum geht es auch in dem Buch. Dass China für einen Europäer wie mich so fremd ist, dass es sehr schwierig ist, wirklich einen Zugang zu finden. Ich habe auf der Reise versucht, mit der Hilfe meiner Freunde diese rein touristische Sicht abzulegen. Meine Freunde leben schon lange dort und haben eine andere Sicht auf das Land. Aber trotzdem würde ich sagen: Auch die, die perfekt chinesisch sprechen und schon lange im Land leben, sind immer noch Fremde und werden niemals richtig ankommen.
Blaue Seite: Sie haben auch einen Sprachkurs besucht. Wie war das?
Sascha Hommer: Leider konnte ich in der kurzen Zeit nicht sehr viel lernen. Ich konnte mich gerade im Supermarkt zurechtfinden oder im Restaurant etwas bestellen.
Blaue Seite: Ok, Chinesisch zu lernen ist wahrscheinlich auch sehr zeitintensiv. Wie sind Sie dann darauf gekommen, ein Buch über China zu schreiben?
Sascha Hommer: Besonders im Jahr 2008, als es während der Olympischen Spiele ein starkes Erdbeben gab, wurde in deutschen Zeitungen häufig negativ über China berichtet. Deutschland wäre so ein toller Staat und die Chinesen würden in einer Diktatur leben. Das war mir zu schwarz-weiß. Da mein Freund ja dort lebt und ich ihn besucht habe, kannte ich auch ein anderes China. Und genau darüber wollte ich ein Buch machen. China ist einfach so riesig und so geheimnisvoll für uns. Auch so vielseitig und von seiner Kultur und Historie so interessant, dass es mir auf die Nerven ging, immer diese negativen Berichte zu lesen.