Interview

Interview mit Stefanie Schäfer

Während der Jugendbuchtage 2012 hat die Blaue Seite nach ihrer Lesung aus Deon Meyers Roman „13 Stunden“ die Übersetzerin des Buches, Stefanie Schäfer, interviewt.

Blaue Seite: Vielen Dank für die schöne Lesung. War es Deine erste?

Stefanie Schäfer: Ja, für mich war das die erste eigene Lesung überhaupt. Ich habe bis jetzt bloß Lesungen für Autoren, die ich übersetze, moderiert oder mit Autoren zusammen gelesen, wenn sie nicht so gut Deutsch konnten. Sogar auf der Frankfurter Buchmesse.

BS: Was liest Du selber?

Stefanie Schäfer: Ich lese am liebsten Donna Leon und Krimis.

BS: Schaust Du Dir dann auch die Verfilmungen an?

Stefanie Schäfer: Nein, bloß nicht.

BS: Magst Du Krimis, auch wenn sie blutrünstig sind? (Zum Beispiel, wenn der abgeschnittene Zeh noch an der Schere hängt.)

Stefanie Schäfer: Ich habe schon viel Schlimmeres übersetzt.

BS: Liest Du auch Bücher anderer Autoren?

Stefanie Schäfer: Es gibt einen indischen Autor aus der Schweiz, er heißt Sunil Mann [www.sunilmann.ch]. Der ist großartig.
Wenn ich mich entspannen will, lese ich Donna Leon und freue mich auch schon auf das Frühjahr, wenn ihr nächster Roman herauskommt.

BS: Was übersetzt Du gerne?

Stefanie Schäfer: Natürlich Krimis, aber auch viel Fantasy. Ansonsten freue ich mich auch über jeden anderen Auftrag. Das kann auch ein Sachbuch sein.

BS: Und wenn das Buch Dir gar nicht gefällt, kämpfst Du Dich durch?

Stefanie Schäfer: Ich habe gerade ein Manuskript dabei, das ist ziemlich nervig, da es eine Co-Produktion ist. Aber ich bleibe bei meiner Arbeit professionell.
Es gibt auch Bücher, die ziemlich hart sind. Wenn ich zum Beispiel eine Szene übersetzen muss, die in einem Konzentrationslager spielt, dann muss ich mir vor Augen führen: „Das ist Text, das ist Text, das ist Text. Ein Buch ist ein Buch.“ Auch wenn diese Szenen so geschehen sein können.
Es gibt auch Projekte, die ich aus ethischen Gründen ablehne, wie Rechtsradikalismus oder Pornografie.

BS: Wie lange hast Du gebraucht, um „13 Stunden“ zu übersetzen? Das ist ja schon ein richtiger Wälzer mit 470 Seiten.

Stefanie Schäfer: Das können wir nicht öffentlich machen, dann bekommen wir schrecklichen Ärger. Ich behaupte jetzt mal zwei Monate und das ist schon sehr viel. Ich stehe öfter unter Zeitdruck, weil bei meinen zwei Kindern immer irgendetwas schiefgeht. Das heißt, dass ich gezwungenermaßen viel nachts arbeiten muss. Im Moment habe ich wieder angefangen zu reiten. Obwohl ich eigentlich am Schreibtisch sitzen müsste, gehe ich oft mit dem Pferd in den Wald. Das gibt einem wieder ein bisschen Kraft. Ich mache das sehr gerne. Ich kann allen nur raten, später einen Job zu machen, in dem sie sich wohlfühlen. Mir wurde der sichere Hungertod prophezeit und er ist nicht eingetreten. Dafür musste ich am Anfang aber auch 60-80 Stunden pro Woche arbeiten und noch unterrichten, um ein festes Einkommen zu haben. Jetzt habe ich einen festen Kundenstamm, Leute, die mich immer wieder anrufen. Ich habe keine Existenzängste mehr. Die erste Zeit plagen einen diese Ängste sehr. Mittlerweile baut es auch auf Beziehungen auf. Ich werde zum Beispiel von Lektorinnen weiterempfohlen. Aber das brauchte seine Zeit. Die Tür mit Deon Meyer ist zum Beispiel erst spät aufgegangen. Ich bin unglaublich stolz, dass ich die Übersetzerin von Deon Meyer bin. Ich hatte „13 Stunden“ auf Afrikaans gelesen. Mein Gedanke war, dass es übersetzt werden müsste. Als man mir diese Übersetzung angeboten hat, war ich sehr glücklich. Man ist beim Übersetzen nicht so kreativ wie Autoren selbst. Aber man benötigt schon eine gewisse Kreativität, damit das Buch im Deutschen die gleiche Wirkung hat wie in Afrikaans. In der Fachwelt heißt das „Wirkungsäquivalent“. Das bedeutet nicht die Wort-für-Wort-Übersetzung, sondern, dass die Wirkung übertragen wird. Dafür muss ich recherchieren. Heute zur Zeit des Internets ist das überhaupt kein Problem mehr, früher war das wesentlich schwerer, weil man noch in die Bibliotheken gehen musste.

BS: Wie wichtig ist die Verbindung zum Autor beim Übersetzen?

Stefanie Schäfer: Die Verbindung zum Autor ist sehr wichtig. Leider besteht sie nicht immer. Mit Ally Condie [das ist die Autorin der „Cassia und Ky“-Bücher] habe ich zum Beispiel Kontakt. Ich hatte das Glück, sie auf der Buchmesse kennenzulernen.

BS: Spielt Sympathie dabei auch eine Rolle?

Stefanie Schäfer: Eigentlich nicht. Ich habe Achtung vor vielen verschiedenen Genres. Und schlechte Bücher bekomme ich nur ganz selten.

BS: Von welchem Autor würdest Du gerne ein Buch übersetzen?

Stefanie Schäfer: Ich hätte gerne „Heute bin ich blond“ von Sophie van der Stap übersetzt. Darin beschreibt sie ihre Krebsgeschichte. Ich war fast ein bisschen traurig, als es jemand anders übersetzen durfte.

BS: Siehst Du das Internet als Gefahr für das Buch in Papierform?

Stefanie Schäfer: Ich habe selbst noch nie mit einem Kindle gelesen. Deshalb bin ich mir nicht sicher. Ich persönlich empfinde es eher als unangenehm, am Bildschirm zu lesen. Vor allem für das Auge finde ich es sehr anstrengend, da es immer Hintergrund-Flimmern und Spiegelungen gibt. Außerdem glaube ich, dass die Schönheit des Mediums Buch eine wichtige Rolle spielt. Es ist ein Stück Kunst. Literatur ist Kunst. Stellt euch mal vor, wie es wäre, einen Kindle mit zum Strand zu nehmen. Spätestens wenn der Bildschirm zerkratzt ist, wünscht man sich ein Buch. Ich lese sehr viel. Zum Übersetzerberuf gehört auch das Schreiben von Gutachten. Das bedeutet, dass ein Buch gelesen werden muss, bevor der Verlag es kauft, damit man weiß, worum es geht. Die Lektoren haben dazu meistens keine Zeit oder auch – im Falle von Afrikaans – nicht die Möglichkeit. Viele Kollegen lehnen diese Arbeit ab, weil sie sehr schlecht bezahlt wird, aber ich mache das sehr gerne. Ich gucke, was im Ausland im Moment gelesen wird. Dadurch lese ich sehr viel. Jedes Jahr sind andere Sprachen beliebt. Dieses ist ein Südafrika-Jahr.

BS: Gibt es Bücher, die von mehreren Übersetzern übersetzt werden?

Stefanie Schäfer: Ja, das ist durchaus gebräuchlich. Aber jeder übersetzt anders. Ich bin davon nicht so begeistert. Bei Sachbüchern finde ich das weniger problematisch, denn da kommt es nicht auf den Stil an. Manche Bücher, die man besonders gerne hat, möchte man auch nicht teilen.
Wenn man diesen Beruf wählt und auch Geld verdienen will, ist man immer beschäftigt und trägt immer ein Manuskript mit sich herum. Wenn man es fertig übersetzt hat, schickt man das Buch dann an die Lektorin und sie macht es fertig zum Druck.

RedakteurRedakteur: Sören
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