Interview mit Susanne Bormann
Im Januar 2014 wurde Susanne Bormann im Rahmen der Jugendbuchtage bei uns im Kinderliteraturhaus interviewt.
Blaue Seite: Du hast vorhin gesagt, dass du keine Jugendbücher lesen würdest. Was liest du sonst an Büchern? Was ist dein Lieblingsbuch?
Susanne Bormann: Ein Buch, das ich sehr gerne mag, ist von Jostein Gaarder: „Das Orangenmädchen“. Auch „Wassermusik“ von T.C. Boyle. Wenn man da durch die ersten 20 Seiten durch ist, die ein bisschen zäh sind, dann ist es ein Buch, bei dem man die ganze Zeit denkt: „Wie kann man so ein geiles Buch schreiben?!“ Wahnsinn! Es ist so witzig und provozierend und fantasievoll. Ein ganz tolles Buch. Ich lese sehr unterschiedliche Sachen, auch gerne mal einen Krimi oder so. Gerne aber auch Philosophisches und Biografien, z.B. von Nelson Mandela. Das war auch ein Buch, das ich verschlungen und sehr genossen habe.
BS: Du sagst, dass du relativ viel liest. Liest du also häufiger?
Susanne Bormann: Es war meine vierte Lesung.
BS: Wo hast du schon mal vorgelesen?
Susanne Bormann: Z.B. In Potsdam, da gibt es eine Reihe, die heißt "Im Garten vorgelesen". In privaten Gärten werden hier öffentliche Lesungen, in der Regel mit klassischer Literatur und musikalischer Begleitung veranstaltet. Hier bin ich schon seit mehreren Jahren regelmäßig dabei.
BS: Aber hat es dir trotzdem gefallen, einen Roman vorzulesen, oder würdest du das nicht nochmal machen?
Susanne Bormann: Doch, das hat mir auch gefallen. Aber die Sprache ist irgendwie nicht „groß“ genug, dass du die so „abschmecken“ kannst wie die "Hohe Literatur“. Auf der anderen Seite: Wenn du es nur ganz normal liest, ist es auch ein bisschen schwierig ... Ich fände es also spannend, das einfach nochmal anders zu versuchen und dann zu gucken, wie es wirkt.
BS: Also würdest du nochmal aus einem Roman vorlesen.
Susanne Bormann: Ja, man lernt ja mit jedem mal dazu, ich glaube, dass ich jetzt besser weiß, wie ich es machen muss. Man braucht eben ein bisschen Erfahrung und es ist wirklich anders, als eine gebundene oder prosaische Sprache.
BS: Das Buch an sich war aber eins, das du auch so gelesen hättest, wenn es dir jemand empfohlen hätte?
Susanne Bormann: Ich hätte das selbst nicht gewählt, aber ich war jetzt ganz froh, dass du mir das Buch anvertraut und mich damit konfrontiert hast, weil es mir wirklich Spaß gemacht hat.
BS: „Wie viel Leben passt in eine Tüte“ ist auch kein ganz einfaches Buch, sondern eher eins, worüber man nachdenkt.
Susanne Bormann: Ja, wie gesagt: Es hat mich wirklich berührt. Zwischendurch hatte ich mal überlegt, ob ich es überhaupt schaffe, das vorzulesen, weil es mich zum Teil so berührt hat, dass ich weinen musste. Beim Film ist das etwas ganz anderes: Wenn ich da etwas spiele, das mich berührt, darf ich weinen. Aber hier muss ich mich ja zusammenreißen. Man muss es ein Stück von sich schieben und vorlesen und gleichzeitig eintauchen, um sich davon berühren zu lassen und die Zuhörer zu berühren. Ich werde das Buch aber auf jeden Fall weiterempfehlen.
BS: Hast du schon mal ein Survivalkit von jemandem bekommen?
Susanne Bormann: Nein.
BS: Gab es denn schon mal einen Menschen, der dir was fürs Leben mitgegeben hat?
Susanne Bormann: Ich kenne das, wenn man eine harte Zeit vor sich oder hinter sich hat, dass einem Freundinnen ein Paket machen, mit liebevollen Sachen drin, damit man sich entspannen und ablenken kann.
BS: Würdest du denn eins verschenken?
Susanne Bormann: Eines im Sinne des Buches noch nicht. Aber ich habe auch schon Pakete für Freunde zusammengestellt, wenn ich wusste, dass sie eine harte Zeit vor sich haben. Das heißt dann vielleicht nicht Survivalkit, sondern ist z. B. eine Urlaubsbox, wenn jemand in der Arbeit steckt und Urlaub braucht, aber keinen nehmen kann. Mit lauter kleinen Möglichkeiten für eine kleine Auszeit und dingen zum Verwöhnen oder eine Glücksmomentebox für jemanden, dem es gerade nicht gut geht. Aber in diesem Buch ist wirklich das Schöne, dass es Aufgaben sind, die Rose wieder ins Leben zurückführen. Die Aufgaben versetzen sie quasi in Bewegung. Meine Geschwister und ich haben meinen Eltern einmal eine Zeit-zu-zweit-Box geschenkt, weil sie beide immer viel arbeiten. Wenn man erlebt hat, dass jemand im Freundeskreis stirbt, dann ist man so sprachlos, dass man gar nicht so richtig weiß, was als Nächstes passieren wird. Im Nachhinein denke ich, es wäre eigentlich eine schöne Idee gewesen, jemandem mit so einer Box zu helfen. Ich hätte mir gewünscht, dass mir das damals auch eingefallen wäre.
BS: Du hast gerade gesagt, dass man, wenn man vorliest, diesen Abstand schaffen muss. Würdest du sagen, dass die Schauspielerei – oder generell schauspielern zu können – dir beim Vorlesen geholfen hat?
Susanne Bormann: Ja, ein bisschen. Um herauszufinden, wie jede Figur denkt, und um zu gucken, wie man alle Charaktere ein bisschen unterschiedlich rüberbringen kann. Mit den Unterschieden in ihren Wesen – zum Beispiel dass Kecia eine ganz Feine ist, Tamika eine Freche und Krupa eine Lebenslustige. Und Will eben stur, aber sehr ernsthaft. Aber es ist immer noch eine andere Sache, als wirklich zu spielen. Für mich ist jede Lesung auch wieder spannend, weil es nach anderen Regeln funktioniert und man immer wieder Neues entdecken kann. Ich frage mich immer: Wo ist die Gemeinsamkeit? Wo sind die Unterschiede? Ich finde es spannend, diese andere Darstellungsform noch mehr auszuloten.
BS: Es geht in diesem Buch ganz viel um Musik: Wie die Musik Farbe zurück ins Leben bringt. Hast du einen Lieblingssong, den du dir immer wieder anhörst, um dann zu sagen: „Ja, bei diesem Song komme ich wieder zu dem zurück, was ich sein will.“?
Susanne Bormann: Nee, ich glaube, mir geht es da eher so wie Rose. Ich habe verschiedene Musik für verschiedene Stimmungen. Mal höre ich Ella Fitzgerald, dann wieder John Maier und dann auch mal wieder Coldplay. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ich dann ganz doll Lust habe auf eine bestimmte Musik. Einen Lieblingssong habe ich nicht direkt. Ich finde, Musik ist so etwas Großartiges. Sie macht immer wieder neue Räume auf und ich liebe es, diese verschiedenen Räume zu betreten.
BS: Ich habe jetzt noch eine letzte Frage, die wir immer fragen: Was stellen Sie sich unter einer blauen Seite vor?
Susanne Bormann: Also abgesehen von eurem Magazin? Auf jeden Fall etwas, was offen ist. Quasi eine Seite, die Raum bietet für Gedanken und für Inspirationen. Denn Blau verbinde ich mit dem Himmel, mit der Weite und mit dem Meer.
BS: Dann bedanke ich mich ganz herzlich für das Interview!