Interview

Interview mit Thorsten Nesch

Im Februar 2014 wurde im Rowohlt Verlag der Roman „Buster – König der Sunshine Coast“ von Autor Thorsten Nesch veröffentlicht. Über das Buch und über seine eigenen Erfahrungen in und mit Kanada hat die Blaue Seite ihn auf der Leipziger Buchmesse 2014 interviewt.

BS: In Ihrem Roman „Buster – König der Sunshine Coast“ fährt die Hauptfigur Basti mit einer Gitarre nach Kanada. Warum nimmt er gerade eine Gitarre und kein anderes Instrument mit?

Thorsten Nesch: Das ist so ziemlich mein autobiografischstes Buch, das ich geschrieben habe. Das heißt, ich habe die Reise so ähnlich erlebt und hatte damals auch eine Gitarre dabei. Es gibt das Buch „Mit dem Kühlschrank durch Irland“, in dem jemand einen Kühlschrank auf seiner Reise mitnimmt, weil er eine Wette verloren hat.

Eine Gitarre mitzunehmen, ist schon etwas Besonderes, so mit Rucksack und Zelt. Da wurde ich damals auch schon angestarrt. Und weil ein Cello zum Beispiel zu groß und zu exotisch gewesen wäre, ist es bei der Gitarre geblieben.

BS: Sie waren um die 30, als Sie nach Kanada gegangen sind. Basti ist jetzt gerade 18. Wären Sie im Nachhinein gerne früher nach Kanada gegangen?

Thorsten Nesch: Es war wohl genau die richtige Zeit. Ich habe auf dieser Reise meine Frau kennengelernt. Dann habe ich fünf Jahre in Kanada gewohnt und mittlerweile leben wir wieder hier. Ich habe ca. zehn Jahre lang nachgedacht und verschiedene Versionen von dem Roman geschrieben, allerdings hat mir das alles nicht gefallen. Bis ich dann die Idee hatte, dass der Basti – eine Figur, die schon im Roman „School Shooter“ vorkam und jetzt ein paar Jahre älter ist – das erleben könnte.

BS: Sie haben gesagt, dass Ihr neuer Roman teilweise autobiografisch ist. Waren Sie Basti früher ähnlich oder hatten Sie Freunde, die ihm ähnlich waren?

Thorsten Nesch: In School Shooter wird er einmal mit schwarzer Jeans, schwarzem Kapuzenpullover und langen Haaren beschrieben. Das Äußerliche passt. Aber das war eher Zufall, das hatte ich nicht geplant. Basti ist nicht mein alter Ego. So cool war ich gewiss nicht in dem Alter und die Reise hätte ich auch nicht gewagt. Vom Charakter her ist er ganz anders.

BS: Es gibt viele Songzitate in Ihrem Buch. Verbinden Sie damit Erinnerungen?

Thorsten Nesch: Als ich damals gereist bin, habe ich nach drei oder vier Tagen angefangen, Aufzeichnungen zu machen. Es war wie ein Tagebuch. Nach vier Wochen waren das 200 Seiten. Es waren also sehr viele Notizen – Begebenheiten, Orte, Menschen usw. Songs habe ich kaum aufgeschrieben. Die sind im Nachhinein dazugekommen.

BS: Haben Sie komponiert, als sie in Kanada waren?

Thorsten Nesch: Nein, das hat sich später ergeben. Ich bin nach Kanada emigriert und durfte neun bis 12 Monate nicht arbeiten. Ich hatte damit kein Problem, solange ich mich ernähren konnte. Aber was soll man die ganze Zeit machen? Ein Beamter der Einwanderungsbehörde sagte mir, ich solle ein Instrument lernen und gab mir den Stempel. Ich dachte mir: „Jetzt oder nie!“ So habe ich angefangen, jeden Tag drei Stunden lang Gitarre zu spielen. Ich wünschte, ich hätte das eher angefangen, denn es ist wunderschön.

BS: Hilft Ihnen das auch beim Schreiben oder spielen Sie erst, wenn Sie schon fertiggeschrieben haben?

Thorsten Nesch: Wenn ich fertig bin. Ich schreibe tagsüber. Ich habe Familie und deshalb bin ich gerne bei ihr. Und ich bin kein Autor, der nach acht Stunden Schreiben und Lesen, wieder liest und schreibt, sobald die Kinder im Bett sind. Wenn alle schlafen, mache ich Musik. Das ist dann meine Zeit.

BS: Bastis Eltern reagieren am Ende nicht begeistert, als er wieder zurück nach Kanada möchte. Sie haben selbst auch Kinder. Würden Sie auch wie Bastis Eltern reagieren oder mehr Verständnis zeigen?

Thorsten Nesch: Natürlich würde ich wünschen, dass ich ihn dann unterstützen könnte. Aber so weit ist es noch nicht. Mein Ältester wird 13, das sind also noch ein paar Jahre hin. Auch wenn man jetzt merkt, dass er sich von der Familie entfernt. Das gehört eben dazu. Das ist Teil der Entwicklung und muss ein Teil der Entwicklung des Menschen sein. So schwer mir das fallen wird, werde ich das hoffentlich trotzdem miterleben.

BS: Hat Ihre Familie damals so reagiert, als Sie nach Kanada gezogen sind?

Thorsten Nesch: Ich bin ja ursprünglich nur wegen einer Reise nach Kanada gegangen. Dann habe ich meine Frau kennengelernt und wir mussten uns entscheiden, wer zu dem anderen zieht. Da sie gerade den besseren Job hatte, bin ich zu ihr gezogen. Wir haben das erst ein Jahr ausprobiert, sind dann nochmal zurück nach Deutschland und haben hier geheiratet. Wir lebten hier ein halbes Jahr und sind danach für vier Jahre nach Kanada zurückgegangen. Erfreut ist keiner, wenn die Verwandtschaft geht, aber das ist eben so. Man kann nicht jedem alles recht machen. Ansonsten verpasst man selbst etwas.

BS: Und jetzt bleiben Sie in Deutschland?

Thorsten Nesch: Wir halten uns das offen. Wir erziehen die Kinder zweisprachig, auf Englisch und Deutsch. Das läuft auch ganz gut so weit. Es geht jetzt los mit der weiterführenden Schule. Ich habe drei Jungs. Das heißt: In der vierten Klasse sind sie ein halbes Jahr hinter den Mädchen zurück. Wenn sie dadurch keine Chance haben auf das Gymnasium zu gehen, finde ich das schade. Sie erfahren dann in der vierten Klasse, dass sie kein Ingenieur und kein Pilot werden können! Das machen wir jetzt gerade zum zweiten Mal durch. Das könnte ein Argument sein, nach Kanada zu ziehen. Da ist das nämlich anders geregelt. Wir werden sehen.

BS: Also reisen Sie auch ohne Kompass und Karten?

Thorsten Nesch: Genau. Aber mit Kindern ist das natürlich anders. Man sucht sich eine Jugendherberge, dann hat man auch keinen Stress.

BS: Ich habe noch eine Frage zu einer bestimmten Stelle im Buch: „Der Tag wird kommen, an dem man erkennen wird, dass das Geräusch, das beim Zusenden von Gedankenströmen entsteht, dem der Tierstimmen ähnelt oder dem Rauschen der Wellen.“ (S.207) Die finde ich eigentlich sehr schön, aber habe nicht ganz nachvollziehen können, was Sie damit meinen.


Thorsten Nesch: Bastis Gedanken werden im Verlauf der Handlung immer abstrakter. Es soll heißen, dass wir sicherlich im gegenwärtlichen Leben noch nicht alles verstehen. Zum Beispiel waren die Römer stolz auf ihr Aquädukt, haben sich aber alle vergiftet, weil diese aus Blei waren. Vielleicht ist das auch so mit den Plastikbechern, aus denen wir gerade trinken. Das soll so ein Beispiel sein, nur vielleicht etwas poetischer. Ich schreibe nämlich keine Gedichte mehr wie zu Beginn meines Schreibens. Es soll diese Verbindung mit der Natur verdeutlichen, die er vorher sicherlich nicht hatte. Man sollte auch mal ungewöhnliche Gedanken haben – thinking outside the box. Es muss nicht unbedingt alles Sinn machen. Vielleicht macht es für dich mehr, für andere weniger Sinn. Oder für dich macht es den einen und für andere einen anderen Sinn. So etwas finde ich schön, es muss nicht immer alles klar sein.

BS: Geht es noch weiter mit Basti?

Thorsten Nesch: Zu dem Roman gibt es noch 100 Seiten E-Book kostenlos. Alles Geschichten, die gestrichen wurden. Das ist Bonusmaterial. Auf meiner Homepage gibt es mehrere alte Versionen der Geschichte. So etwas habe ich mir früher gewünscht: Ich habe sehr gern gelesen und wollte immer einen anderen Blick auf die Geschichten bekommen.

Ich schreibe gerade wieder einen Roman, da kommt Basti nicht vor. Ich prügle also nicht die Figuren in jeden Roman rein. Dick, eine Nebenfigur aus Buster, taucht in „Grolar“ auf – ein anderer Roman, der in Kanada spielt. Wieder als Nebenfigur. Aber nur, weil es passt.

RedakteurRedakteur: Balu
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