Warum wir Bücher lieben

Warum lesen wir eigentlich?
Was ist das, was uns wie magisch an Büchern anzieht?
Vielleicht ist es der Geruch, der zwischen den Seiten gefangen ist, wie in einem Spinnennetz?
Kann es auch der Umschlag sein, der so viele unterschiedliche Variationen aufweist wie die Farben zwischen dem Regenbogen?
Ist es das Flüstern, Schaben und Knallen der Seiten, wenn man sie umblättert?
Und was ist mit dem Gefühl, ein Buch in der Hand zu halten? Wie ein zartes Vogelbaby – oder einen kleinen Elephant, je nachdem.
Sind es die Wörter, die über das Papier tanzen, mal schwerelos, mal stampfend und immer wieder anders?
Ist es das Gefühl von Geborgenheit und Vetrautheit, wenn man ungeben von Büchern ist, die in warmen, weichen Kerzenlicht schwimmen?
Oder sind es doch nur die Geschichten, die sich in unseren Gedanken festnisten, und ihre Handlungen, die in unseren Träumen weiter umher schleichen?
Lesen ist wie ein Sprung in den Abgrund, das Drücken des roten Knopfes in der Zeitmaschine oder im Raumschiff, wie Fliegen ohne Flügel, wie Tanzen über Wasser, wie ein Lachanfall ohne Grund oder wie zehn Kilo Schokolade, die nicht dick macht. Lesen ist so, als ob man Träume in Konservendosen fangen könnte, als würde unser Kopfkino Wirklichkeit werden oder als könnte jemand unsere tiefsten Wünsche sehen. Lesen nährt den kleinen, glimmenden Stern ins uns, der glaubt, dass alles möglich ist.

Hörst du die Seelen der Bücher, die uns mit verheißungsvollen Stimmen Versprechungen zuwispern?
Versprechungen von Abenteuern, unglaublichen Welten, Zauberwesen, anderen Lebenserfahrungen, geschichtlichen Ereignissen und noch viel, viel mehr? Von Liebe, Mut, Hass, Verrat und allen anderen niederen und höchsten Gefühlen, welche jemand in der Lage ist zu empfinden? Und vor allem das Versprechen, die Welt zu vergessen, in der wir leben – uns zu vergessen?

Sie sind alle verschieden. Jedes einzelne ist für sich ein Individuum: Sie können alt und runzelig sein, jung und weiß, glänzend und matt, glatt und rauh, schlank oder mit einem Bierbauch, schön und hässlich, düstern und fröhlich strahlend, hinterhältig und verletztend, dreckige Lausebuben oder Sonntagsstreber, wohlwollend oder hinterhältig,… Sie können Schmuck aus Krümeln tragen, einen weichen Staubmantel, Muster aus Schokolade- und Fettflecken, spannende Narben aus wilden oder ordentlichen geschriebenen Bemerkungen und Markierungen oder sogar das zarte Parfum pergamentdünner Blütenblätter.

Manche werden uns weiser werden lassen, andere werden von perlendem Lachen überschwemmt oder von salzigen Tränen beregnet werden, einige werden wir am liebsten gegen die Wand schmeißen und zerfetzten wollen, vielleicht werde wir sogar ein paar zuklappen und nie wieder anfassen, obwohl wir das Ende noch nicht kennen, und die ganz besonderen werden wir immer und immer wieder lesen und uns Zitate heraus schreiben.

Reihe um Reihe stapeln sich die verschiedenen Universen in bunte Farben nebeneinander im Bücherregal. Über und untereinander, gequetsch, quer hineingeschoben, liegend oder gerade stehend. Langsam streichen unsere Blicke über die vertrauten Buchrücken und wir befinden uns in unserem Zimmer aber gleichzeitig auch an so vielen anderen Orten. Und egal, was es nun ist, warum wir sie lieben, eins ist Gewiss: Ohne sie wäre unser Leben unvorstellbar.

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