Interview

Interview mit Annina Braunmiller

Annina Braunmiller ist eine deutsche Synchronsprecherin und Schauspielerin. Sie synchronisierte unter anderen Demi Lovato in „Camp Rock“ oder Kristen Stewart als Bella in „Twilight“.
Datum des Interviews: 26. Januar 2011
Interviewer: Léa Oltmanns ( und Marie Bender)

Blaue Seite: Du hast die Hörbücher zu den Bis(s)-Büchern und zu „Nach dem Sommer“ gesprochen. Magst du Fantasy allgemein?

Annina Braunmiller: Ja, sehr. Also das ist jetzt sicher Zufall, aber das sind alles Bücher, die ich mit Sicherheit selber gelesen hätte, ganz bestimmt.

Blaue Seite: Und bei „Bis(s) zum Morgengrauen“ hast du sowohl das Hörbuch, als auch die Synchronstimme von Bella im Film gesprochen. Was macht mehr Spaß, Synchronisieren oder Hörbücher lesen?

Annina Braunmiller: Boah, das kann ich jetzt nicht sagen. Ich habe alle meine Kinder gleich lieb. Synchronisieren ist toll, weil du da alles so wirklich miterlebst, was sehr viel Spaß macht. Aber beim Hörbuch, kannst du so richtig in die Geschichte eintauchen, außerdem muss ich da ja alle Charaktere bedienen, ich bin nicht nur Bella, sondern auch Edward. Ich kann mich voll austoben und alles so machen, wie ich es will. Beim Synchronisieren bin ich an Kristen Stewart gebunden, dafür ist es ein bisschen realistischer. Ich mache beides gleich gern.

Blaue Seite: Ist eines von beiden anstrengender?


Annina Braunmiller: Hörbücher aufnehmen, auf jeden Fall. Beim Synchronisieren guckst du dir einen Take an, dann redet der Regisseur, dann machst du wieder einen Take und dann schaust du nochmal das Original an oder der Tonmeister sagt was oder es ist Aktwechsel. So hat man alle paar Minuten eine kleine Pause. Natürlich ist das sehr anstrengend, aber beim Hörbuch sitzt du in einer Kabine und du liest und du liest und du liest und du liest und du liest, es unterbricht dich niemand, es sei denn dein Regisseur sagt, dass du etwas merkwürdig betont hast. Sonst ist da nichts, keine Pause, das habe ich am Anfang irgendwie unterschätzt. Also ich saß da bei meinem ersten „Twilight“-Hörbuch und dachte nur: Mein Gott, das hört ja gar nicht mehr auf. Mittlerweile habe ich eine bessere Kondition, aber das ist schon sehr, sehr anstrengend.

Blaue Seite: Kannst du dich mit Bella identifizieren?

Annina Braunmiller: Ja, klar und ich denke, das ist einer der Gründe, warum „Twiligh“t so erfolgreich ist. So wie Bella, fühlt sich jedes Mädchen doch mal. Ich meine, wer kennt diese Schusseligkeit und die Ungeschicklichkeit nicht? Wer fühlt sich nicht mal total unsportlich? Und allgemein: Diese ganzen Gedankengänge, die Bella hat, die hatten wir alle mal. Jetzt bin ich ein bisschen älter, ich bin sicher auch ein bisschen optimistischer als Bella, aber ich kann mich sehr gut in sie hineinversetzten.

Blaue Seite: Du hast ja auch Schauspielausbildung gemacht. Hättest du die Bella auch gerne gespielt?

Annina Braunmiller: Natürlich, hätten sie mich gefragt, hätte ich das gemacht, na klar. Als Deutsche hast du es aber nicht so leicht, an Hollywoodfilme zu kommen und das Schöne ist, dass du durch die Synchronisation auch ein Teil eines solchen Projektes sein kannst. Das ist super und ich glaube, näher komme ich an Hollywood auch nicht mehr ran, aber das ist schon ok.

Blaue Seite: Und was ist das für ein Gefühl, wenn man auf der Leinwand Kristen Stewart sieht und dazu seine eigene Stimme?

Annina Braunmiller: Es ist natürlich bizarr, aber ich weiß mittlerweile sehr genau, wie meine Stimme klingt und ich habe sie ja selbst in Kristen Stewarts Mund gelegt. Also überrascht es mich nicht. Es ist so: Je nachdem, wie gut mir meine Arbeit gefällt, kann das ganz ok sein, dann vergesse ich, dass ich es bin, und kann den Film genießen. Und dann kommt manchmal eine Szene, für die ich einen Satz 18 Mal sagen musste, da haut´s mich dann total raus. Oder ich sehe einen Film und denke: „Was habe ich da denn gemacht?!“. Dann ist es ein eher unentspanntes Erlebnis. Teilweise vergesse ich also, dass das meine Stimme ist, der ich zuhöre, aber manchmal versinke ich auch schamvoll im Kinosessel.

Blaue Seite: Ganz viele Jugendliche kennen deine Stimme, aber nicht das dazugehörige Gesicht. Macht dir das etwas aus?


Annina Braunmiller: Nein, das ist sehr praktisch. Ich kann ungeschminkt und in Schlabberhosen durch die Gegend laufen und es wird nie jemand merken, wer ich bin. Das ist super.

Blaue Seite: Hättest du es denn manchmal auch ganz gerne, dass dein Gesicht berühmter ist? Also, dass dich die Leute auf der Straße erkennen?

Annina Braunmiller: Jein, mir geht’s gar nicht um´s Berühmtsein. Ich würde gerne selbst spielen oder coole Filme machen. Und ich denke, das wäre dann einfach damit verbunden. Aber ich brauche die Berühmtheit nicht zum Glücklichsein. Ich fühle mich sehr wohl, so wie es ist.

Blaue Seite: Ist es dir schon passiert, dass du an deiner Stimme erkannt wurdest?

Annina Braunmiller: Nein, das ist noch nie passiert. Meine Stimme klingt im normalen Leben auch anders. Bella hat sowieso einen eigenen Sprachrhythmus. Aber ich glaube, selbst wenn ich als Bella eine Pizza bestellen würde, würde es niemand merken, einfach, weil ich nicht das passende Gesicht dazu habe. Johannes, der den Edward spricht, und ich, wir waren zusammen im Kino und haben uns Twilight angeschaut. Danach haben wir uns mit Absicht mit unserer Edward- und Bellastimme unterhalten und es ist niemandem in diesem Kino aufgefallen, obwohl der Saal ausverkauft war. Einfach nur, weil wir andere Gesichter haben.

Blaue Seite: Welche ist deine Lieblingsfigur in den Romanen?

Annina Braunmiller: Uui, das ist eine gute Frage…also in gewisser Weise natürlich Bella. Ich meine, die hängt an mir und ich an ihr, das ist untrennbar. Aber sonst…Alice mag ich sehr gerne. Die ist einfach wunderbar schräg. Besonders auch jetzt gerade in „Eclipse“. Mit Alice habe ich immer sehr, sehr viel Spaß…OOOH, ich muss Embry sagen! Embry ist meine Lieblingsfigur, der wird nämlich von meinem Freund gesprochen.

Blaue Seite: Hast du auch einen Lieblingsschauspieler in „Twilight“?

Annina Braunmiller: Ich finde, die machen das alle sehr gut. Wirklich alle. Aro fand ich großartig von Michael Sheen gespielt. Bisher gab es aber noch keinen Aussetzer dabei, deswegen habe ich nicht wirklich einen Lieblingsschauspieler, ich kenne von den meisten auch noch zu wenig. Von Kristen Stewart habe ich mittlerweile mehr gesehen, weil ich sie auch in anderen Filmen gesprochen habe. Anfangs fand ich, dass sie sich unglaublich viel in die Haare fasst und ständig darin rumwuschelt. Da musste ich immer denken: „Krieg deine Hand in den Griff!“. Als ich sie dann aber in anderen Filmen gesprochen habe, habe ich gesehen, dass sie das gar nicht immer tut und dass sie richtig viel kann. Als Bella hat sie’s nicht ganz einfach – umso „normaler“ eine Rolle ist, umso schwerer ist es, das darzustellen. Sie macht das sehr gut, aber ich habe sie in sehr extremem Filmen gesprochen z.B. in „The cake eaters“ . In diesem Film hat sie eine Muskelschwäche. Und jetzt werde ich sie in „Welcome to the riders“ synchronisieren, wo sie eine 16-jährige Prostituierte spielt. Die kann richtig was die Frau und ich bin sehr, sehr froh, dass ich ihr meine Stimme leihen darf, weil das für mich auch ganz tolle Rollen sind.

Blaue Seite:  Wird es nicht irgendwann zu viel „Twilight“?

Annina Braunmiller: Ich muss ehrlich sagen, nach dem Hörbuch von „Eclipse“ bin ich auch froh, dass jetzt ein halbes Jahr Ruhe ist. Ich mag „Twilight“ ja, ich bin natürlich sehr eng damit verbunden und ich verdanke dem auch viel, aber es ist tatsächlich so, dass ich über die Pause nicht traurig bin. Einfach nur, weil ich es mag. Ich möchte mich nicht damit übersättigen.

Blaue Seite: Wie lange dauert es, einen Film zu synchronisieren?

Annina Braunmiller: Nicht lange. „Twilight“ z.B. hat sechs Tage gedauert.
Nun habe ich bei „Twilight“ auch relativ viel zu sagen. Das sind für mich so um die 400 Takes, d.h. ich habe vier bis sechs Studiotage, weil wir auch zu zweit aufgenommen werden. Wenn es nur um meine Rolle ginge, könnte man das auch in 3 Tagen schaffen. Aber dadurch, dass wir zu zweit im Studio sind, dauert es etwas länger.

Blaue Seite: Was ist für dich eine Herausforderung beim Synchronisieren?

Annina Braunmiller: Die größten Herausforderungen sind die ganz normalen Sätze. Leiden liegt mir. Je schlechter es meiner Figur geht, desto leichter ist es für mich, weil ich einfach mehr daraus machen kann. Aber einen ganz normalen Satz natürlich rüberzubringen, das ist das Schwierigste. In „Eclipse“ z. B. war der Satz, den ich am häufigsten gesagt habe, der Off- Satz „Es ist wunderschön hier!“, obwohl man nichts gesehen hat und ich nicht mal synchron sein musste.

Blaue Seite: Ist es schwer, bei intimen Szenen ernst zu bleiben?

Annina Braunmiller: Jein! Man darf nicht darüber nachdenken, das ist ganz wichtig. Im 1. Teil von „Twilight“ hatte ich 450 Takes und in 80 bis 100 habe ich nur geatmet. Z. B. wenn Edward Bella diesen Berg hochzieht, da macht sie die ganze Zeit „hechel, hechel, hechel“. Das sind so Dinge, da darf man nicht drüber nachdenken. Küssen ist wahrsinnig unromantisch. Da stehst du neben deinem Kollegen und jeder schlabbert seinen Finger ab. Und das muss auch noch synchron sein…ich hatte bisher noch nicht so viele Sexszenen. Das ist auch gut so. Ich meine, das kann sich jeder ja mal kurz überlegen: Wie ist das wohl, rumzustöhnen und dir hören drei Menschen dabei zu? Aber man erlangt irgendwann eine gewisse Professionalität. Es ist jetzt nicht so, dass wir uns kaputt lachen…meistens zumindest.

Blaue Seite: Bei vielen Menschen ist das so, dass sie bei einer ihrer Angewohnheiten sagen: „Das ist Berufskrankheit“. Gibt es so eine Berufskrankheit auch unter Synchronsprechern?

Annina Braunmiller: Ja, dass man plötzlich überhaupt nicht mehr natürlich spricht, sondern total hochgestochen. Das nennt sich dann Synchronbetonungen. Das passiert wahnsinnig schnell. Das merkst du gerade, wenn du Serien synchronisierst, die nicht so hochwertig sind und es schnell gehen muss. Dann gibt es wirklich diese Synchrontöne, bei denen man festgefahrene Betonungen hat. Da neigen wir leider alle zu.

Blaue Seite: Welches Buch würdest du gerne als Hörbuch aufnehmen?

Annina Braunmiller: Die gibt es leider alle schon!!! Ich hätte wahnsinnig gerne die Rubinrot- Reihe von Kerstin Gier eingelesen – „Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“ finde ich fantastisch. Da hätte ich für gemordet. Aber ich bin sicher, Josephine Preuß hat das ganz toll gemacht. Die ist nämlich echt gut. Die „Goldenen Kompass“- Bücher gibt es auch schon. Eigentlich sind das alles Romane, von denen schon Hörbücher produziert wurden. Aber wer weiß, was in Zukunft noch so geschrieben wird?

Blaue Seite: Aus welchem Buch hast du denn als Kind Geschichten gehört?

Annina Braunmiller: Puhh… Ich weiß, dass wir „Die Kinder aus Bullerbü“, „Kalle Blomquist“ und „Die Kinder aus der Krachmacherstraße“ hatten und was ich sehr, sehr geliebt habe, war die Abenteuerserie von Enid Blyton. Die konnte ich aber schon selber lesen. Ich wollte immer Lucy sein.

Blaue Seite: Hast du schon immer gerne vorgelesen?

Annina Braunmiller: Ja, ich habe früher meinen Kuscheltieren vorgelesen. Wahre Geschichte! Und ich hatte wahnsinnig viele Kuscheltiere. Die saßen an meinem Bettrand und dann habe ich denen, kaum, dass ich lesen konnte, abends immer was vorgelesen.

Blaue Seite: Zum Schluss noch die schnellen Sechs:

Blaue Seite: Kaffee oder Tee?

Annina Braunmiller: Kaffee.

Blaue Seite: Edward oder Jacob?

Annina Braunmiller: Edward.

Blaue Seite: Welchen Song hörst du zur Zeit am liebsten?

Annina Braunmiller: Das ganze Strangeland-Album von El Rancho, das ist von der Band von meinem Mitbewohner.

Blaue Seite: Dein Lieblingsfilm?

Annina Braunmiller: „Love actually – Tatsächlich Liebe“, einer von vielen, aber ein ganz großer Film.

Blaue Seite: Was ist das Erste, das du nach dem Aufstehen machst?

Annina Braunmiller: Kaffee, nein, erst Katze füttern, dann Kaffee.

Blaue Seite: Was hat für dich eine blaue Seite?

Annina Braunmiller: Mein Tagebuch früher.

Blaue Seite: Vielen Dank!

RedakteurRedakteur: Léa, Marie B.
FotosFotos: Daria
Nach oben scrollen