Sein ganzes Leben schon hat Midas Crook auf St. Hauda’s Land verbracht, dieser abgeschiedenen, kargen Inselgruppe mit seinen verschrobenen Einwohnern. Er liebt die Einsamkeit, die Stille und verbringt viel seiner Zeit mit seiner Kamara auf Streifzügen durch die Wälder der Insel.
Doch durch Zufall lernt er Ida Maclaird kennen, die etwas ganz anderes nach St. Hauda’s Land zieht. Seit ihrem ersten Besuch auf der Insel im Sommer verwandeln sich ihre Füße langsam zu Glas.
Nun ist sie zurückgekehrt um an dem Ort, wo alles begann, Hilfe zu finden. Aber wie kann Midas ihr dabei schon helfen?
Magie ist es, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Ali Shaw ist ein Märchenerzähler, der es schafft, Fantasie und Wirklichkeit auf eine atemberaubend schöne Art und Weise zu verknüpfen. Eisig ist seine Geschichte. Kristallklar, verwunschen, ein Spiel aus Farben und Bedeutungen.
Endlich gibt es wieder einen Fantasyroman, der sich von dem ganzen Twilight-Hype lossagt und ihn überflügelt. Ali Shaw schafft mit seiner feinen und vorsichtigen Sprache eine Geschichte, die fast so zerbrechlich erscheint wie Idas Füße. Auf eine subtile Art und Weise lässt er wieder an die Magie in modernen Zeiten glauben.
„Das Mädchen mit den gläsernen Füßen“ ist vielschichtig, es wird nicht bloß eine einzige, sondern eine Menge von Geschichten erzählt, die sich miteinander verbinden. Bis zum Ende bewahrt der Autor dem Leser die Geheimnisse der Insel, lässt ihn rätseln über ihre Eigenarten. Das ist vielleicht auch das wunderbare an diesem Buch.
Es muss nicht alles erklärt werden. Manche Dinge bleiben einfach ein Mysterium. Und das macht es so schön zu lesen.
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Ihre Zehen waren aus reinem Glas. Klarem, glattem, glänzendem Glas. Das Licht brach sich halbmondförmig am Rand jedes Nagels und in jedem Fältchen über den Zehengelenken. […]Auch ihr Fußballen war aus Glas, aber trüber; die Durchsichtigkeit nahm zum Knöchel hin immer mehr ab, wo das Glas schließlich in Haut überging: matt und fleischfarben wie ein ganz normaler Fuß.
Ida und Midas begegnen sich eher zufällig. Er, ein schüchterner Mann mit Vaterkomplex, der erst durch seine Kamera wirklich die Welt sehen kann. Sie, ein Mädchen mit einem schrecklichen Geheimnis: Sie wird zu Glas. Langsam aber sicher verwandeln sich ganze Körperteile von ihr in eine durchsichtige schwere unbewegliche Masse. Midas ist Ida gegenüber sehr unsicher, aber er merkt schon schnell: Er kann nicht zulassen, dass Ida für immer zu Glas erstarrt.
Die Idee hinter der Story ist überaus faszinierend und das Glas kann wahrscheinlich auch als Metapher für viele andere tödlichen Krankheiten genommen werden. Denn das Glas breitet sich unaufhaltsam immer weiter aus, zehrt an Ida und an all ihren Umstehenden, die eingeweiht sind. Das macht die Geschichte so realitätsnah, obwohl sie natürlich in einer magischen Welt spielt.
Ali Shaw schafft es gleichzeitig geflügelte Stiere und Wesen auftauchen zu lassen, die alles, was diese ansehen in Weiß verwandeln, und trotzdem alles irgendwie wirklich aussehen zu lassen. Der Leser kann sich genau vorstellen, dass es diese verschlafene, kleine Insel mit ihren verschrobenen Einwohnern irgendwo auf dieser Welt gibt.
Nicht sehr gelungen finde ich allerdings den Einstieg in die Geschichte. Obwohl Ali Shaw nämlich wunderschön mit vielen bildlichen Vergleichen und lebhaften Beschreibungen schreibt, kommt die Geschichte trotzdem schleppend in Gang, sodass mehrmals der Gedanke aufkam, das Buch einfach sein zu lassen.
Es bis zum Ende zu lesen lohnt sich aber, weil die zarte Liebe zwischen Ida und Midas, die sogleich wunderbaren aber auch schrecklichen Aspekte der Fantasy-Welt und nicht zuletzt Ali Shaws Schreibstil sehr lesenswert sind.