Der Wal und das Ende der Welt
Der Wal und das Ende der Welt
31. Dezember 2020
von Kathrin
4 Sterne
Kathrin Jahrgang 2002 Redaktion Lübeck
hat 4 Sterne vergeben

Das Buch "Der Wal und das Ende der Welt" wurde von John Ironmonger geschrieben und 2015 in London zum ersten Mal veröffentlicht. Die Geschichte spielt in St. Pitan - einem kleinen Fischerdorf, vollkommen unbedeutend im allgemeinen Weltgeschehen - dessen einzige Zufahrt regelmäßig von Ortsfremden übersehen wird. Allerdings kommt es auch selten genug vor, dass besagte Ortsfremde auch wirklich nach St. Pitan wollen. Das Dorf ist gewissermaßen „nicht mehr als ein winziger Pickel auf der äußersten Spitze des klitzekleinsten Zehs…“ und so staunen die dreihundertsieben Dorfbewohner nicht schlecht, als eines Tages ein junger Mann an ihren Strand gespült wird. 
 
Besagter Mann stellt sich als Joe Haak vor. Nach und nach klärt sich auf, dass Joe Analyst in einem Londoner Börsenunternehmen war und damit vertraut ist, sämtliche Prozesse in der Welt, selbst menschliches Handeln einzelner Individuen, in den größeren Kontext einzuordnen und ihren Einfluss auf den Börsenmarkt zu analysieren. Seine Devise lautet „Alles hängt zusammen“ und diesem Motto folgt auch eine von ihm programmierte KI, welche mit größter Genauigkeit sämtliche Schwankungen im Weltmarkt vorhersagt. Trotz alledem geschehen einige unvorhergesehene Dinge und Joe beschließt seiner Verantwortung zu entfliehen – ausgerechnet nach St. Pitan. Anhand des kleinen Dorfes wird im Laufe der Geschichte exemplarisch das Verhalten der Menschen in einer Krise gezeigt und damit einhergehend auch das Menschenbild von John Ironmonger offenbart, denn trotz all seiner Bezüge auf Hobbes´ Leviathan ist dieses zutiefst positiv und beruht auf der Annahme, dass Solidarität und nicht Egoismus die Treibkraft menschlicher Handlungen (in Krisensituationen) ist.
Erstaunlicherweise nimmt John Ironmonger in diesem Buch die Corona-Pandemie vorweg, obwohl die Geschichte bereits 2015 veröffentlicht wurde. In der Wissenschaft wurde immer wieder davor gewarnt, dass eine Pandemie kurz bevorsteht, allerdings war dieses Buch das erste mir bekannte, das diese Theorie aufgenommen und verarbeitet hat. Immer wieder war ich überrascht, wie akkurat der Autor bereits vor 5 Jahren die Vorgänge vorhergesagte – und diese Tatsache stimmt auf jeden Fall nachdenklich. Aber auch auf der fiktionalen Ebene ist das Buch lesenswert. Der Schreibstil ist abwechslungsreich und fesselnd, ohne auf banale und unkreative Cliffhanger zurückzugreifen. Gefallen hat mir auch der Kontrast zwischen dem harten Leben im Börsenunternehmen und der idyllischen, familiären Situation im Dorf, der durch Rückblicke und Erinnerungsfetzen hervorgerufen wird. Alles in allem lässt sich sagen, dass es sich hierbei um ein schönes, optimistisches Buch handelt, welches gerade genug Bezüge zur momentanen Pandemie herstellt, um aktuell zu sein und doch genug Distanz aufbaut, um nicht durch die Wiederholung des immergleichen Themas nervig zu werden. 

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