„Wir waren alle Kriminelle, die dazu verurteilt worden waren, geslatet zu werden – das heißt, dass unser Gedächtnis und unsere Persönlichkeit gelöscht wurden -, damit wir noch mal von vorne beginnen konnten. […]Das Ganze ist also eine zweite Chance, für die wir dankbar sein dürfen – wir mussten dafür nicht ins Gefängnis oder auf den elektrischen Stuhl.
Aber im Gefängnis wüsste man zumindest, wer man ist.“
Kyla ist 16 Jahre alt und wurde geslatet. In einer völlig fremden, neuen Familie und ohne Erinnerungen an ihr früheres Leben muss sie versuchen, sich in die Gesellschaft einzugliedern. Denn gelingt ihr dies nicht, hat sie ihre letzte Chance vertan.
In ihrer Schule lernt sie den ebenfalls geslateten Ben kennen. Gemeinsam mit ihm meistert sie ihren neuen Alltag: Sie geht joggen, zeichnet und verbringt Zeit mit ihm, um ihr Levo immer stabil zu halten. Ihr Levo – das ist ein Armband, das ihren Hormonspiegel kontrolliert und sie notfalls ausschalten kann, wenn ihre Gefühle zu heftig werden sollten. Damit soll verhindert werden, dass die Wiedereingliederung in die Gesellschaft misslingt.
Aber Kyla beginnt, sich immer mehr Gedanken über ihr Umfeld zu machen. Was passiert mit Leuten, die sich nicht an das „System“ anpassen? Wohin werden die Leute gebracht, die zu alt zum Slaten sind? Und warum dürfen die Slater keine eigene Meinung bilden?
Und ein weiterer Umstand verwirrt sie: Obwohl das Levo und die unzähligen Operationen, die sie hinter sich hat, das verhindern sollten, erinnert sich Kyla bruchstückhaft immer mehr an ihr früheres Leben. Oder sind das doch nur Träume? Kyla kommt einem großen Fehler im System auf die Spur.
Die Idee, systematisch Staatsfeinde aus dem Weg zu räumen, ist aus fast jedem Buch bekannt. Ihnen aber ein neues Leben zu verschaffen, eine „zweite Chance“, ist jedoch eine neue, spannende Idee. Die Autorin Terri Terry schöpft diese auch voll aus und kreiert einen unterdrückenden Machtapparat mit völlig neuen Möglichkeiten.
Kylas Persönlichkeit ist auch sehr gut ausgearbeitet: Sie besteht nicht aus bereits bekannten Klischees, kann nicht alles und ist nicht die Beliebteste. Kyla ist sogar eher unbeliebt, wird gemobbt, streitet sich mit Familie und Freunden und ist – außer beim Joggen und Zeichnen – eher durchschnittlich. Besonders wird sie nur dadurch, dass sie Vieles einfach nicht weiß und nicht kennt, sie hat es vergessen. Diese realistische Mischung ihres Charakters macht sie umso lebensnaher und liebenswerter.
Weniger ausgefeilt wirkt jedoch zu Anfang Ben. Dies ist allerdings nicht so schlimm, da er damit dem Charakter eines perfekten Slaters entspricht: nett, immer lächelnd und vor allem nicht sehr nachdenklich. Außerdem wird seine Persönlichkeit zum Ende hin immer spannender und differenziert sich dann deutlich von den anderen Slatern.
Terri Terry schreibt flüssig, detailreich aber nicht ausschweifend, was eine gute Balance zwischen bildreicher Sprache und einem verständlichen, zügig zu durchlesenden Text darstellt.
Die Handlung liefert ebenso von vorne bis hinten ein rundes Bild, weshalb ich „Gelöscht“ für unbedingt lesenswert halte.