Interview mit Alexandra Kui
Im Rahmen der Jugendbuchtage 2019 hatten wir die Autorin Alexandra Kui zu Besuch, um aus ihrem Buch "Solange es hell ist" vorzulesen. Wir haben außerdem in einem Workshop mit der Schattenspielerin Barbara Steinitz die Chance gehabt, das Gefühl des Buches nachzubauen.
Blaue Seite: Warum schreiben Sie?
Alexandra Kui: Ich schreibe, weil ich Bücher liebe und selber gerne lese. Es ist toll, in andere Welten einzutauchen. Für mich ist es auch eine Grundvoraussetzung, gerne zu lesen, wenn man schreibt. Ich bin einfach ein unglaublich fantasievoller Mensch. Ich habe schon immer gerne geschrieben. Als ich noch nicht schreiben konnte, habe ich gemalt, nur konnte ich ganz schlecht malen. Dann hat sich herausgestellt, dass ich besser schreiben kann. Ich schreibe einen Text erst mal so, dass er mir selbst gefällt. Wenn andere das dann auch mögen, ist das natürlich toll. Ich würde mich nicht danach richten, wenn andere sagen: „Mach’s doch noch blutiger, dann gefällt es noch mehr Menschen.“
Blaue Seite: Wie schreiben Sie? Haben Sie bestimmte Rituale?
Alexandra Kui: Ich schreibe immer an verschiedenen Orten. Bei gutem Wetter auch draußen, dabei muss ich aber für mich sein. Wir haben einen Strandkorb im Garten, da schreibe ich auch gerne. Ich höre oft Musik beim Schreiben. Ich mache auch selber Musik, das ist eine weitere Leidenschaft von mir. Ich verbinde mit fast jedem Buch ein bestimmtes Lied. Deshalb würde ich sagen, die Musik ist auf jeden Fall eines meiner Rituale.
Blaue Seite: Welches Lied wäre das bei „Solange es hell ist“?
Alexandra Kui: Bei „Solange es hell ist“ habe ich viel Snow Patrol gehört, ein ganzes Album. Ich habe auch häufig Sigur rós gehört, eine isländische Band, die in einer Fantasiesprache singt. Als ich die zum ersten Mal gehört habe, dachte ich: „So was habe ich ja noch nie gehört. Diese Musik wird mein Leben verändern.“ Der Sänger spielt seine E-Gitarre mit einem Geigenbogen – allein das klingt schon abgefahren.
Blaue Seite: Sie machen selber ja auch Musik. Wie sind Sie dazu gekommen?
Alexandra Kui: Ich bin in Hamburg auf ein Gymnasium gegangen, auf dem Musik Hauptfach war. Das heißt, jeder musste mindestens Klavier spielen und ein symphonisches Instrument lernen. Da habe ich Geige und Komponieren gelernt. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Klassik, dann habe ich ein bisschen Gitarre gelernt. Ich habe eine ganze Weile gar keine Musik gemacht, aber jetzt fange ich wieder an.
Blaue Seite: Im Buch wird Mikas Urlaub beschrieben. Was waren Ihre schönsten Sommerferien?
Alexandra Kui: Meine schönsten Sommerferien waren in Italien am Meer, weil ich Einzelkind bin und das die ersten Sommerferien waren, bei denen meine beste Freundin dabei sein durfte. Wir sind tagelang in den Bergen rumgestreunt, haben Geschichten erfunden und uns erzählt.
Blaue Seite: Haben Sie früher unter der Bettdecke gelesen?
Alexandra Kui: Ja, ich habe nächtelang unter der Bettdecke gelesen. Ich habe Bücher so sehr geliebt, dass ich die Bücher mit zur Schule genommen und gefragt habe, ob ich aufs Klo gehen darf. Dann habe ich auf der Toilette weitergelesen.
Blaue Seite: Was ist Ihr Lieblingsleuchtturm?
Alexandra Kui: Mein Lieblingsleuchtturm ist der Leuchtturm von Hirtshals, bei dem die Geschichte endet. Der hat eine wunderschöne Form. Es gibt Leuchttürme, die zu dick sind oder zu dünn sind – aber der ist genau richtig. Außerdem ist der ein bisschen nostalgisch und steht auch auf einer schönen Klippe. Man kann die Fähren nach Norwegen beobachten. Ich möchte aber nicht zu viel verraten.
Jetzt verbinde ich natürlich auch meine Geschichte mit dem Leuchtturm und deshalb kommt da kein anderer mehr heran.
Weitere schöne Leuchttürme gibt es zum Beispiel an der Westküste Portugals oder in England. Für mich geht jede gute Reise ans Meer und es wird eigentlich immer ein Leuchtturm besichtigt.
Blaue Seite: Wie oft waren Sie schon in Dänemark?
Alexandra Kui: Keine Ahnung. Meine Eltern meinten schon, dass ich da bald zwangseingebürgert werde, so oft wie ich da bin. Ich verbringe einfach sehr viel Zeit in Dänemark, vor allem auf einer Insel, auf der ich gerne bin. Ich mag die Westküste sehr, wo auch das Buch spielt, aber auch die Ostküste. Ich bin mindestens vier Mal im Jahr in Dänemark und manchmal bleibe ich dann auch länger. Ich mag, dass es dort ein bisschen leerer ist. Wenn man hier zum Beispiel mit dem Hund am Strand ist, hat man gerade im Sommer so wenig Platz, dass alle mit ihren völlig gestressten Hunden aufeinanderhängen. In Dänemark sind die Strände so weit, da ist es selbst im Hochsommer schön leer.
In der Stadt mag ich es, wenn viele Menschen da sind. Aber wenn ich aufs Land fahre oder in der Natur bin, finde ich es schön, wenn es einsam ist. Deswegen mag ich auch Island so gerne. Island ist ja auch ein weites Land und ich habe sogar mal ein Buch geschrieben, das dort spielt. Deswegen war ich dort auch längere Zeit. Es ist bloß sehr teuer, nach Island zu fliegen. Und unseren Hund kann ich auch nicht mitnehmen. Seit den Dreharbeiten von „Game of Thrones“ ist aber auch Island leider sehr überlaufen. Ein Freund aus Island hat mir erzählt, dass an einem Wasserfall, an dem wir immer nur zu zweit waren, jetzt hunderte Leute rumstehen.
Das passt jetzt zwar nicht richtig zum Thema, aber es gibt Orte ohne jegliche touristische Infrastruktur, die nach einem Post von Influencern auf Instagram überrannt werden. Es kommen plötzlich Leute ans Ende der Welt, wo man auch nicht darauf eingestellt ist, Touristen zu verköstigen oder so. Insofern: Wenn man mal einen Ort gefunden hat, wo es leer ist, dann sollte man das für sich behalten.
Blaue Seite: In Ihrem Buch trägt das Auto der Protagonisten den Namen Alditüte. Hat Ihr Auto auch einen Namen?
Alexandra Kui: Also, wir haben zwei Autos und beide haben Namen. Das eine heißt „Scarlett“ und ist ein bisschen divamäßig, dazu haben wir einen Kombi kaufen müssen, weil unser Hund größer geworden ist als geplant, der heißt „Komet“. Der Vorgänger hatte den schlimmsten Autonamen, den wir je hatten, der muss leider geheim bleiben. Aber das Auto hat uns auch wirklich oft geärgert.
Blaue Seite: Wer ist denn „wir“?
Alexandra Kui: Meine Frau und ich.
Blaue Seite: Sie sagten, dass Sie schon als Kind geschrieben haben. Wer durfte sich das anhören?
Alexandra Kui: Ich habe das selten meinen Eltern gezeigt und habe das ganz lange für mich alleine behalten, bis ich irgendwann Freunde und beste Freunde hatte, denen ich das gezeigt habe. Jetzt ist meine Frau die Erstleserin. Aber auch sie bekommt nicht alles sofort zu lesen. Und sie ist auch wirklich sehr kritisch. Sie hat ein sehr gutes Gedächtnis. Dann sagt sie manchmal, dass die Figur eben einen dicken grünen Pulli angezogen habe und ihr auf der nächsten Seite plötzlich kalt sei und dass ich erklären müsse, warum. Für solche Sachen ist sie da, aber auch für das Sprachliche. Dann sagt sie manchmal, dass das Wort nicht so schön oder unpassend sei. Ab und zu gibt es da echt Streit, weil ich nicht weiß, ob ihr das Spaß macht.
Blaue Seite: Wachsen die Bücher an diesem Streit?
Alexandra Kui: Auf jeden Fall! Ich glaube, dass es wichtig ist, sich von Menschen kritisieren zu lassen. Aber man sollte sich schon überlegen, von wem. Vor allem, wenn ich manchmal Internetkommentare lese. Da sind teilweise Sachen dabei, die mich wirklich persönlich verletzten.
Blaue Seite: Das böse Internet!
Alexandra Kui: Inzwischen lese ich fast gar nichts mehr, weil mich das hauptsächlich aufhält. Auch positive Rezensionen können einen vom Weg und von der eigenen Stimme abbringen. Wenn ich beispielsweise in einem Forum lese, dass ich gute, witzige Dialoge schreibe, habe ich das Gefühl, noch einen witzigen Dialog einbauen zu müssen, und werde dadurch beeinflusst. Das hilft aber nicht unbedingt weiter. Man hört besser auf die innere Stimme. Das Buch, das ich jetzt schreibe, ist so eine Art Herzensprojekt von mir. Da bin ich schon ein paar Jahre dran und habe mich oft gefragt, wann es zu mir sprechen wird, ob es da überhaupt eine Stimme gibt – und inzwischen ist es passiert. Ich glaube, je weniger Einflüsse man von außen hat, desto besser. Eine bekannte Autorin sagt, wenn sie in einer Schreibphase ist, gebe ihr der Gang zum Bäcker schon zu viele Einflüsse.
Blaue Seite: Können Sie Ihr Herzensprojekt in ein paar Sätzen beschreiben?
Alexandra Kui: Dazu ist es eigentlich noch zu früh. Höchstens den Arbeitstitel könnte ich verraten, der lautet „Freiheit X“.
Blaue Seite: Die meisten Ihrer Krimis spielen in Norddeutschland. Was ist für Sie der schönste reale Ort?
Alexandra Kui: Bei mir Zuhause stehe ich gerne am Lüheanleger. Da fließt die Elbe, man kann eine Bratwurst essen, etwas trinken – und ein Leuchtturm ist auch da, wenn auch kein besonders toller. Dann gibt es noch ein sehr einsames Tal, mein Lieblingsort, in dem ich immer spazieren gehe.
Blaue Seite: Beschreiben Sie Buxtehude in drei Worten.
Alexandra Kui: Beschaulich. Heimat. Blöder Name.
Blaue Seite: Wohin ging Ihre weiteste Reise?
Alexandra Kui: Ich glaube, nach Mexiko und in die USA.
Blaue Seite: Wann war das?
Alexandra Kui: In den 90ern war ich viel unterwegs und habe dabei auch als Reisejournalistin gearbeitet. Dazu komme ich im Moment nicht mehr.
Blaue Seite: Wenn Sie drei Menschen, egal ob tot oder lebendig, zum Abendessen einladen könnten: Welche wären das?
Alexandra Kui: Aber es gibt so viele.
Meinen Lieblingsautor Stewart O’Nan würde ich gerne einladen, Obama und Sophie Scholl.
Blaue Seite: Schön! Warum Sophie Scholl?
Alexandra Kui: Als Jugendliche habe ich mich sehr stark mit ihr identifiziert. Ich habe mich immer gefragt, wie das wäre, so sehr unter Druck zu stehen, ob ich auch so mutig wäre. Ich habe auch den ganzen Nachlass aus Briefen und so weiter gelesen. Als jemand, der schreibt, hat mich sehr beeindruckt, dass sie mit Worten gekämpft haben, aber auch dieser Mut, diese Liebe, die sie zueinander hatten und dass sie Geschwister waren. Ich war ja Einzelkind und habe mir auch oft einen älteren Bruder gewünscht. Sophie Scholl war meine große Heldin. Gerade habe ich wieder ein ganz kleines bisschen gelesen. Und das ist dann doch ein kleiner Hinweis auf „Freiheit X“. Das hat nämlich auch damit zu tun und mit der Zeit, in der wir jetzt leben.
Zum Thema Mut kann ich noch sagen, dass ich ja mit einer Frau verheiratet bin. Das sage ich jetzt auch das erste Mal in einem Interview. Bisher habe ich eigentlich so gar nicht über mein Privatleben geredet, aber hier fühle ich mich ganz wohl.
So viel zum Thema Mut. Wir leben ja in einer Zeit, in der das möglich ist. Wir konnten ganz offiziell zum Standesamt gehen und heiraten. Das war sehr schön. Ich rede eigentlich nicht gerne über mein Privatleben. Aber jetzt dachte ich mir, dass ich mich auch mal gerademachen muss. Ich bin niemand, der so eine Bewegung vorantreibt. Aber ich bewundere Leute, die das tun, die das können und da ganz mutig darüber schreiben. Ich könnte das nicht. Für mich ist das schon ein großer Schritt, das hier zu erwähnen. Deswegen denke ich, bis zu Sophie Scholl ist es noch ein weiter Weg.
Blaue Seite: Was sammeln Sie?
Alexandra Kui: Bücher zählen ja nicht, obwohl ich die auch nicht wirklich sammle. Ich verschenke auch oft welche weiter.
Wir haben Sachen, die sich ansammeln, zum Beispiel Hundeleinen. Aber das bedeutet nicht, dass ich sie wirklich sammle. Sammelt ihr etwas?
Blaue Seite: Zitate.
Alexandra Kui: Das mache ich auch. Ich schreibe in mein Tagebuch auf die rechte Seite, was ich so zu schreiben habe, und auf die linke Seite schreibe ich oft Zitate oder etwas, das ich gehört habe, das mich beeindruckt hat.
Blaue Seite: Im Buch kauft Mika sich ein Spiderman-T-Shirt.
Was gibt Ihnen Mut und Hoffnung?
Alexandra Kui: Auf jeden Fall Leuchttürme. Außerdem die Natur, da fühle ich mich auf eine angenehme Art klein und sehr geborgen. Irgendwie eint mich das auch mit den anderen Menschen, die mal auf das Meer gesehen haben, um da auch in schweren Zeiten Kraft zu finden – irgendwie wie ein Kraftort. Das klingt esoterisch.
Und natürlich geben mir auch Bücher Kraft. In Geschichten mit Figuren, die nicht aufgeben.
Auch Freunde motivieren mich. Da gibt es welche, die echt was durch gemacht haben. Die bewundere ich total. Ein Freund, der übrigens auch Isländer ist, schafft es immer wieder, seine Probleme zu lösen.
Ansonsten noch Musik.
Blaue Seite: Spielen Sie mehr Klavier oder mehr Geige?
Alexandra Kui: Im Geigespielen bin ich echt schlecht. Meine Frau spielt viel besser Geige. Das ärgert mich erst recht, wenn ich meine eigene Beschränktheit bemerke. Außerdem steht das Klavier auch da, da kann man einfach hingehen, den Deckel aufklappen und ein bisschen klimpern. Deswegen spiele ich mehr Klavier.
Blaue Seite: Wer ist Ihr Held des Alltags?
Alexandra Kui: Mein 92-jähriger Opa. Wir wohnen auf dem Grundstück meiner Großeltern. Da, wo mein Opa früher Kartoffeln angebaut hat, haben wir unser Haus gebaut. Er ist mittlerweile schon hochbetagt und gebrechlich, trotzdem meistert er den Alltag immer noch. Zum Beispiel wachte ich neulich spät auf, ich bin ein echter Spätaufsteher. Dann gucke ich aus dem Fenster und sehe, wie mein Opa schon mein Auto vom Schnee befreit. So jemand muss ein Held des Alltags sein. Ich meine, er geht am Stock. Dann steht er da am Stock und fegt mit einem Handfeger den Schnee von meiner Windschutzscheibe. Oder als wir meiner Oma erzählt haben, dass wir heiraten wollen – sie hat gesagt, dass sie sich das schon ganz lange gewünscht habe. Das finde ich besonders für diese Generation großartig.
Blaue Seite: Als welches Tier würden Sie gerne wiedergeboren werden?
Alexandra Kui: Als großer Hund bei uns, wenn der Komet dann nächste Woche kommt. Die Hunde sind ziemlich verwöhnt, würde ich sagen.
Blaue Seite: Aber um wiedergeboren zu werden, muss man vorher sterben.
Alexandra Kui: Das stimmt, darüber habe ich auch mal lange mit einem Freund diskutiert: ob wir unsterblich sein wollen oder ob das Leben erst dadurch an Kraft und Tiefe gewinnt, dass wir wissen, dass es endlich ist. Oder ob es noch mal so schön wäre, wenn man unsterblich sein könnte. Da habe ich eher in Richtung unsterblich tendiert, obwohl man nie weiß, was kommt und wie es wird. Aber das ist auf jeden Fall ein Argument gegen Wiedergeburt.
Blaue Seite: Im Buch „Solange es hell ist“ erfindet Mika ganz lange Ausreden für ihre Geschwister und erzählt ihnen nicht, was wirklich mit der Mutter passiert ist. In welchen Situationen finden Sie es okay zu lügen?
Alexandra Kui: Also, ich bin gar nicht so ein Wahrheitsfanatiker. Wenn sich eine Freundin ein neues Kleid gekauft hat, das sie mega toll findet, und ich finde, sie sieht in dem Kleid aus wie eine Wurst in der Pelle: Dann würde ich ihr weder das sagen, noch dass es das schönste Kleid sei, in dem ich sie je gesehen habe. Aber das ist dann schon eine Art barmherzige Lüge.
Wenn jemand meine ehrliche Meinung hören möchte, finde ich es wichtig, die Wahrheit zu sagen. Ich würde niemals in einer Partnerschaft oder einer Freundschaft, also wenn es wirklich zählt, lügen. Ich finde Lügen in Belanglosigkeiten in Ordnung. Obwohl ich da vielleicht zu lasch bin. Ich hatte einmal einen Freund, den ich ganz toll fand. Deshalb wollte ich, dass der mich auch toll findet. Der hatte alle Filme von den Coen-Brüdern geguckt, war ein totaler Fan. Deshalb habe ich gesagt, dass ich auch alle deren Filme geguckt habe. Das war gelogen und natürlich nicht so schlau, weil er dann anfing, mit mir über die Filme zu reden. Ich hatte natürlich keine Ahnung und er hat das relativ schnell gemerkt. Und er hat mich dann so richtig reingeritten. Das war definitiv nicht okay. Ich denke, wenn es wichtig ist, ist es nicht okay zu lügen.
Blaue Seite: Wenn Sie einen Tag lang das Leben einer Figur aus einem Buch leben könnten, welche würden Sie wählen?
Alexandra Kui: Dann würde ich, obwohl ich momentan nicht viele Fantasy-Bücher lese, aus der „Unendlichen Geschichte“ Atréju wählen. Aber der stirbt am Ende. Das ist ja auch blöd. Interessant wäre auch jemand, der eine Zeitreise macht oder Thursday Next aus „Der Fall Jane Ayer“.
Blaue Seite: Woran denken Sie denn bei unserem Motto „Gläserne Welt“?
Alexandra Kui: Mein erster Gedanke war das, was jetzt auch viel diskutiert wird: der gläserne Mensch. Aber ich denke auch daran, dass wir als Menschen in der Lage sind, uns unsere Welt selbst zu gestalten. Außerdem lebt jeder ein Stück weit in seiner eigenen Welt, wie er sie sieht. Gleichzeitig hat diese Welt auch nichts Festes, sie hat eine hohe Zerbrechlichkeit. Ich hatte auch noch daran gedacht, dass man manchmal ein bisschen neben sich steht. Das Gefühl hat, dass man hinter Glas ist und sich wie unter einer Dunstglocke fühlt.
Blaue Seite: Wie lautet der beste Ratschlag, den Sie je bekommen haben?
Alexandra Kui: „Du musst lernen, dich für andere zu freuen.“ Als Kind war ich manchmal neidisch, deshalb fand ich das eine ziemliche Zumutung. Ich habe auch nicht gerne geteilt, aber das ist wahrscheinlich ein Einzelkind-Ding. Dann hatte ich diesen tollen Rat bekommen. Darauf dachte ich: „Was? Ich soll nicht nur nicht neidisch sein, sondern mich auch noch für andere freuen?“ Dann habe ich mir das zu Herzen genommen und es klappt wunderbar. Es ist einfach toll, wenn man sich mit anderen freuen kann, zum Beispiel über Erfolge. Das hat mich echt weitergebracht. Den Ratschlag werde ich nie vergessen.
Blaue Seite: Wer hat Ihnen den Ratschlag gegeben?
Alexandra Kui: Ein älterer Freund, eine Art Mentor, der auch geschrieben hat. Außerdem habe ich immer ein bisschen nach dem Motto „No risk, no fun“ gelebt. Damit kommt man schon ziemlich weit.
Blaue Seite: Wenn Sie selbst einen Autor oder eine Autorin interviewen könnten, wer wäre das?
Alexandra Kui: Ich würde Hanya Yanagihara interviewen. Von der habe ich kürzlich ein Buch gelesen, das ich sehr aufwühlend fand. Außerdem würde ich meinen Lieblingsautor Stewart O’Nan, den ich ja auch schon zum Abendbrot eingeladen hatte, gerne interviewen. Oder einen Bestsellerautor, der richtig reich ist.
Blaue Seite: Wenn Sie von einer Sache ein unbegrenztes Guthaben haben könnten, welche wäre das?
Alexandra Kui: Wahrscheinlich doch Leben – obwohl das eine riskante Wahl ist.
Blaue Seite: Woran denken Sie bei einer Blauen Seite?
Alexandra Kui: Blau ist meine Lieblingsfarbe. Das Meer mag ich auch sehr. Dann natürlich noch an ein leeres Blatt. Im Grunde genommen ist das Meer ja auch ein bisschen wie eine unbeschriebene Seite.