Interview

Interview mit Salah Naoura

Saskia Klaus interviewte den Übersetzer und Kinderbuchautor Salah Naoura am 7. September auf dem 8. Bücherpiratenfestival in Lübeck nach seiner Lesung zum Kinderbuch „Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums“.

Blaue Seite (BS): Wie hat es Ihnen bei uns gefallen?

Salah Naoura (SN): Sehr nett. Ich finde, „Matti“ zu lesen macht immer sehr Spaß. Es ist ja ein sehr lustiges Buch. Jetzt gerade war es ein bisschen unruhig, weil eine 2. Klasse dabei war, das fand ich ein bisschen schade, weil die eigentlich noch zu klein dafür sind, aber sowas passiert laufend und das ist ganz normal. Ich bin sehr von diesem Haus hier beeindruckt und finde das sehr schick und ich freue mich, dass ihr das gefunden habt. Und dann auch noch für so eine günstige Miete, das hätte ich auch gerne bei meiner Wohnung. 

BS: Gibt es einen bestimmten Grund warum Sie lieber für Kinder als für Erwachsene schreiben?

SN: Ich möchte auch gerne mal für Erwachsene schreiben. Deshalb hab ich mir für die nächsten Jahre vorgenommen mal einen Thriller zu schreiben. Böse, abgrundtief und richtig schwarzer Humor. Das mag ich sowieso sehr gerne – auch für Kinder, aber da muss man sich auch ein bisschen einschränken. Mein großes Vorbild ist Roald Dahl, der hat ja auch diese bösen schwarzhumorigen Geschichten für Erwachsene geschrieben, „Küsschen, Küsschen“ und so. Ich hab den Eindruck, dass uns etwas verbindet.Seine Kindergeschichten finde ich super und so etwas Ähnliches möchte ich auch für Erwachsene schreiben. Ich schreibe gerne für Kinder, weil ich mich sehr gut daran erinnern kann, wie ich mich damals gefühlt habe. Ich habe dazu noch einen sehr guten Draht. Ich mag Humor und Sprachspielereien sehr gerne und die kann man in der Kinderliteratur sehr gut verwirklichen. Deshalb ist das mein bevorzugtes Genre. Ich mache aber auch sehr unterschiedliche Sachen. Von Pappbilderbüchern ab 2 bis zu Kinderbüchern ab 11 Jahren. Jugendbücher überspringe ich einfach. Sowohl sprachlich als auch inhaltlich muss man dabei bestimmte Vorgaben beachten. Da ich auch Lektor und Übersetzer war, Autor bin ich erst seit kurzem, konnte ich vorher schon viel üben, was für welche Altersklasse genommen werden kann und was nicht.

BS: Warum keine Jugendbücher?

SN: Das liegt daran, dass ich der Meinung bin, dass heutzutage viele Jugendbücher problemlastig sind. Ich habe viele Jugendbücher übersetzt und das ist mir auch ziemlich schwer gefallen. Eine Zeit lang hab ich das gerne gemacht, aber ich habe zuletzt ein Buch über eine Magersüchtigte übersetzt. Das heißt „Wintermädchen“ und ist bei Ravensburger erschienen und es ist eine Ich-Erzählerin, die ihr eigenes Seelenleben schildert und den Kampf mit dem Essen und Nicht-Essen, und das ist psychisch wahnsinnig anstrengend, wenn ich so etwas übersetze. Diese Problemjugendbücher fallen mir dann auch schwer, weil sie zu wenig humorig sind und ich auch gerne absurde Situationen mag. Ich würde dann ein Jugendbuch schreiben, wenn mir einfällt, wie man lustige und unterhaltsame Bücher für Jugendliche schreiben kann. Und da bin ich noch nicht so richtig auf den Dreh gekommen. Heutzutage werden eben diese Problembücher gelesen oder eben reine Fantasy, das lesen Jungs in dem Alter gerne, und mit reiner Fantasy hab ich es nicht so, da ich Drachen und Burgen nicht so mag.

BS: Schreiben Sie oder übersetzen Sie lieber?

SN: In den letzten 2 Jahren schreibe ich ja mehr und das macht mir natürlich mehr Spaß, besonders weil man machen kann, was man möchte. Und das ist einfach befriedigender, wenn man zu seiner eigenen Idee schreiben kann. Aber beim Übersetzen kommt es natürlich auch darauf an, was man übersetzt. Ich habe einen Lieblingsautor, der lebt in Liverpool und heißt Frank Cotrell Boyce und von dem habe ich schon mehrere Bücher im Carlsen-Verlag übersetzt. Der ist mir in seiner Art, wie er schreibt und drauf ist, sehr ähnlich. Ich habe ihn auch schon persönlich kennengelernt, und den zu übersetzen bringt mir wahnsinnig Spaß. Und da gibt es dann natürlich auch zum Beispiel dieses Magersuchtsbuch, bei dem es mir wahnsinnig schwer fällt. Aber das ist natürlich auch ein Broterwerb und da muss man dann eben auch mal Dinge tun, die einem nicht so gut gefallen, das ist ja mein Beruf. Um etwas auf Deutsch schreiben zu können, muss ich es in gewisser Weise nachempfinden können. Ich kann das nicht einfach so emotional von mir weghalten und es dann auf Deutsch schreiben, sondern ich muss es dann auch erst mal spüren und das kann natürlich auch sehr anstrengend sein, bei schwierigen Themen.

BS: Können Sie mal kurz den Beruf des Übersetzers beschreiben?

SN: In meinem Fall Literaturübersetzer, da es auch andere Übersetzer gibt, die ganz anders bezahlt werden oder auch anders organisiert sind. Die zum Beispiel für Übersetzerbüros arbeiten, machen Fachtexte, Briefe oder die übersetzen für die Wirtschaft, die sind aber auch in einem anderen Verband organisiert. Die Literaturübersetzer sind, wenn sie in der Gewerkschaft sind, beim VDÜ, inzwischen natürlich bei Verdi, und wie man Übersetzer wird, kann man nicht so recht sagen. Das läuft in der Regel so, dass jeder, der sich dazu berufen fühlt, theoretisch jedenfalls, eine Probeübersetzung für einen Verlag machen kann. Man würde sich dann bei einem Verlag bewerben und sagen: „Ich würde gerne übersetzen.“ Oder „Ich kann das gut. Gebt mir mal eine Probeübersetzung.“ Und wenn die gerade Mangel haben oder das Gefühl haben, sie wollen ein paar neue Gesichter suchen, dann kriegt man das vielleicht. Und dann muss man einfach beweisen, dass man es kann. Und dann wird man in eine Kartei aufgenommen und wenn dann mal ein Engpass entsteht, würde man dann eine Übersetzung bekommen und vielleicht vorher nochmal eine Probeübersetzung machen.
In meinem Fall war es so, dass ich in meinem Studium ein Praktikum bei Beltz & Gelberg, also bei dem Kinderbuchverlag in Weinheim, gemacht habe und da ein schwedisches Bilderbuch herumlag, das die Leute nicht lesen konnten. Und da ich Schwedisch studiert habe, genauer gesagt Germanistik und Skandinavistik, und dann das Buch gelesen habe und es ganz toll fand, hab ich gesagt, das ist super, das müsst ihr dringend machen, und wurde dann gefragt, ob ich es übersetzen würde und dann hab ich das übersetzt und dann hat das gleich den Jugendliteraturpreis bekommen  Das war ganz toll und natürlich der Einstieg in die Übersetzerei. Zunächst habe ich dann vorrangig Bilderbücher übersetzt und hab dann aber auch immer mehr längere Texte übersetzt, aber meistens aus dem Englischen, da es viele schwedische Übersetzer gab und der englische Markt viel größer ist.

BS: Was war das für ein Gefühl, als Sie das erste Mal Ihr eigenes Buch in den Händen hielten?

SN: Ehrlich gesagt war es kein so besonderes Gefühl, weil ich ja vorher schon so viele Übersetzungen von mir in der Hand hatte und da sehe  ich den Unterschied gar nicht mehr so groß, weil man es eben schon gewohnt ist, dass in einem Buch der Name drin oder drauf steht. Ich hab ja auch mit kleineren Büchern angefangen. Ich habe viele Erstleserbücher geschrieben, das fing schon in den 90ern an, und neu ist, dass ich von 2008 bis jetzt Kinderromane geschrieben habe. Diese langen Formen sind also neu.

BS: Haben Sie Tipps für junge Leute, wie man gut schreibt?

SN: Ich hab viele, aber darüber ich könnte ich Bücher schreiben. Man sollte sich immer bewusst sein, für wen man schreibt, wie alt ist der Adressat, und dass man überhaupt für ein Publikum schreibt. Das unterscheidet einfach Tagebuchtexte von literarischen Texten. Da man ein Tagebuch für sich schreibt, gibt es kein Publikum. Andersherum sollte es dann eben einen Plot geben und die Sprache stimmen, damit die Leute in einer bestimmten Altersklasse eben auch angesprochen werden. Und was häufig noch falsch gemacht wird, ist, dass Sprache und Inhalt oft nicht zusammenpassen. Also, wenn ich stilistisch eine Geschichte für einen 16-jährigen schreibe, was schon recht anspruchsvoll ist, und die Geschichte dann aber von Feen oder Kobolden handelt, geht das natürlich nicht. Wenn ich für kleine Kinder schreibe, muss ich die Sprache natürlich sehr vereinfachen, und dann darf ich aber natürlich auch nicht über die Probleme eines Architekten schreiben, sondern dann müssen es eben auch fantastischere Themen sein. Das sind häufige Fehler. Ein anderer Tipp, den ich geben kann, ist, dass man die Figuren sich gegenseitig charakterisieren lässt. Dass man dem Leser eben nicht alles erklärt, sondern dies den Figuren überlässt. Dass die sich gegenseitig zeigen, was sie voneinander halten oder wie sie sind, und dass einer etwas über den anderen sagt oder eben auch auf die andere Person reagiert. Daran soll der Leser ablesen können, wie die Figuren ticken. An der Art, wie sie sprechen, was sie tun und was andere Personen in dem Buch darüber denken. Das heißt, man muss als Erzähler nicht alles erklären, sondern lässt die Figuren sich gegenseitig charakterisieren. Außerdem sind die Dialoge sehr wichtig. Also, wenn man als Autor weiß, dass die Figur soundso alt ist und dieses oder jenes Geschlecht hat, muss man das berücksichtigen und meinetwegen einen Jungen anders als ein Mädchen sprechen lassen oder eine Oma anders als einen jungen Mann. Man muss als Autor vielleicht ein bisschen schizophren sein, um multiple Figuren zu erschaffen, und Spaß daran haben, verschiedene Typen zu schaffen.

BS: Was hat für Sie eine blaue Seite?

SN: Ich denke an Blaue Stunde. Das ist ein blaues Licht, abends kurz vor der Dämmerung.

RedakteurRedakteur: Saskia
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