Der 32-seitige Klassiker von Gerhart Hauptmann handelt von dem Bahnwärter Thiel, dessen tiefe Trauer um seine verstorbene Frau nur während der Arbeit und in seiner Liebe für ihren gemeinsamen Sohn Tobias sichtbar wird. Als seine neue Frau und Kind jedoch in Berührung mit seinem Totenkult kommen, werden die Konflikte in seinem emotionalen Doppelleben sichtbar.
Der naturalistisch geprägte Schreibstil Hauptmanns erfasst den erst verborgenen, dann jedoch immer offensichtlicher werdenden Wahnsinn des Bahnwärtetrs auf eine Weise, die eine erst harmlos wirkende Novelle klammheimlich in einen Psychothriller verwandelt.
Die albtrauminduzierende Geschichte von Thiel ist wohl dafür prädestiniert, Gänsehaut ebenso wie sehr viel tiefer gehende Gefühle und Gedanken zu wecken.
Der Autor hat auf nur wenigen Seiten ein erstaunliches Spektrum an Facetten der Liebe aufgeschlagen. Jedoch besticht das Buch nicht so sehr, wie man es sich wünschen würde. Hauptmann lässt sich selbst zu wenig Zeit, um die Tiefe der Emotionen sowie sehr viele der zwischen den Zeilen liegenden Botschaften überhaupt und vor allem nachhaltig zu vermitteln. Aus Thiel hätte eine tolle und tiefgründige Figur für einen ein- oder zweihundertdeitigen Roman werden können, so bleiben die an seinem Beispiel angedeuteten emotionalen Asekte jedoch flach und nur wenig erforscht.
Alles in allem ist Gerhart Hauptmanns Werk zwar lesens-, für mich aber nicht kaufenswert.