Interview mit Jörg Hilbert

Interview

Im Rahmen des Bücherpiratenfestivals hatte Rina das Glück Jörg Hilbert, den Schaffer von Ritter Rost zu interviewen.

Blaue Seite: Ich habe gelesen, dass Sie erst einen groben Plot entwickeln und dann erst weitergemacht wird, wenn Sie das mit Herrn Janosa [Komponist der Ritter-Rost-Reihe, Anm. d. Red.] besprochen haben. Wie schwer ist das, diese Hürde zu überwinden?


Hilbert: Es gibt ganz verschiedene Wege bei der Ideenfindung. Bei Ritter Rost ist es so, dass die Musik eine sehr wichtige Rolle spielt. Das heißt, dass die Geschichte zusammen mit der Musik funktionieren muss. Andersherum: Die Geschichten werden ein bisschen anders aufgebaut als normale Kinderbuchgeschichten: Die Musik wird von vornherein eingeplant und das ist ein Abstimmungsprozess. Manchmal geht das einfach, da ist sofort alles klar. Manchmal ist das ein Prozess, der sich über Monate oder Jahre hinwegzieht, bis wir eine Lösung haben, mit der wir beide einverstanden sind. Es liegt uns natürlich beiden, so zu arbeiten. Weil wir beide von der musikalischen Seite kommen und auch gerne texten. Bei manchen Büchern haben wir gerungen ohne Ende, manche Bücher sind uns einfach so aus der Feder geflossen. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass die Konstruktion von so einer Geschichte schwieriger ist, als man meint. Man schreibt es nicht einfach und fertig, sondern es ist ein Gefeile und Gehobel und Umgebaue ohne Ende.


Blaue Seite: Damit haben Sie gleich meine nächste Frage beantwortet. Sie sagten einmal, Sie hätten zu Anfang Ihres Studiums Ritter Rost als Figur für sich selbst behalten und sozusagen beschützt gegenüber ihren Professoren. Haben Sie immer noch Angst, dass Erwachsene Sie irgendwie verurteilen?


Hilbert: Das ist nicht ganz richtig. Ritter Rost hat überraschender Weise erstaunlich viele Fans, ebenso das Burgfräulein Bö. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass sie so ist, wie man sagt, dass Mädchen sein sollen: selbstbewusst und stark. In meiner Vorstellung leidet Bö auch manchmal unter dem Druck, alles perfekt machen zu müssen.

Diese drei Hauptfiguren, der Ritter Rost, Koks und das Burgfräulein Bö, sind zusammengenommen ich selbst – was die untereinander ausmachen, sind vielleicht die Gespräche, die ich mit mir selber führe. Das ist einmal Bö, die versucht, alles richtig zu machen. Dann Koks, der eine sehr spontane Figur ist, sehr bauchgesteuert, kindlich. Und Ritter Rost, der ein bisschen ein Angsthase ist, aber gleichzeitig groß tut. Ich habe aber keine Botschaft, die ich damit verbinde.


Blaue Seite: Haben Sie Angst, dass Ritter Rost irgendwann aus den Köpfen der Kinder verschwindet?


Hilbert: Also, ich lebe sehr stark von Ritter Rost und hoffe sehr, dass es noch weitergeht. Ansonsten ist es natürlich ganz normal, dass Kinderbücher irgendwann nicht mehr da sind. Die wenigsten Kinderbücher halten ewig. Ich habe zum Beispiel mit Erstaunen gehört, dass die Bücher von Astrid Lindgren sich heute nicht mehr besonders gut verkaufen. Ich dachte, die werden noch zu Millionen verkauft. Aber ich glaube, das ist der Weg, den alle Dinge gehen. Dann muss etwas Neues kommen.


Blaue Seite: Was bedeutet es Ihnen persönlich, wenn ein Kind auf Sie zukommt und sagt: „Ich finde Ihre Bücher toll“ oder „Burgfräulein Bö ist mein Vorbild“?


Blaue Seite: Macht Ihnen das noch genauso viel Spaß wie beim ersten Buch?

Hilbert: Ja. Ritter Rost ist keine kalkulierte Geschichte, wo ich sage: „Jetzt muss da wieder ein Buch raus!“ Sondern das ist ein Kosmos, in dem es ganz viele Dinge zu erzählen gibt. Die Art und Weise, wie Ritter Rost erzählt wird, eben diese dichterische Weise, mit der die Lieder gestaltet werden. Das ist mein Kosmos, der ist auch aus meiner Kindheit erwachsen. Meine Brüder und ich haben uns schon als Kinder Rittergeschichten mit sehr viel fantastischen Elementen und einem Haufen Quatsch dabei erzählt. Das war zwar alles ein bisschen anders, aber daraus ist Ritter Rost gewachsen, das gehört zu mir.


Blaue Seite: Wenn Sie zum Beispiel an einem Haufen Rost vorbeifahren, würden Sie darin Ritter Rost erkennen?


Hilbert: Nein, aber ich gucke ihn mir natürlich an. Mich hat Rost und Schrott schon immer fasziniert: was man da sieht und was man daraus machen kann. Man könnte sagen, um es modern auszudrücken: Nachhaltigkeit (lacht). Aber das ist eigentlich Quatsch.


Blaue Seite: Was bedeutet bei Ihren Geschichten und Liedern das Medium? Ist Ihnen zum Beispiel ein Buch wichtiger oder eine CD? Das gibt es ja zum Beispiel auch als MP3.


Hilbert: Ob CD oder MP3 ist mir egal. Wichtig ist, dass die Geschichten in ihrer Gesamtheit zu den Lesern kommen. Zu Ritter Rost gehört die Musik. Man kann die Bücher nicht einfach ohne CD oder ohne Musik verkaufen oder die CD gesondert von den Büchern. Es gibt zwar kleinere Produkte, da haben wir das gemacht. Aber diese Einheit von Buch und Musik, also Buch als Text und Bilder, die mehr mein Bestandteil sind, und die Musik von Felix Janosa, die ist einzigartig. Es ist auch nie wirklich gelungen, das zu kopieren, obwohl es ganz viele Versuche gab. Erfolgreiche Kopierversuche von Ritter Rost kenne ich nur wenige.


Blaue Seite: Wenn Sie die Chance hätten, eine der Ritter-Rost-Geschichten mitzuerleben, welche wäre es?

Hilbert: Ja, Mr. Werwolf! Das ist sozusagen der Spießbürger schlechthin, der immer alles blöd findet, aber selber vollkommen destruktiv ist und ungebildet und ungehobelt – um nicht zu sagen: sehr gefährlich. Er hat einen Vorzug, der ihn sehr mit mir verbindet: nämlich, dass ich ihn selbst sprechen und singen darf. Felix arbeitet nur mit Profis zusammen, mit der Patricia Prawit zum Beispiel, die eine ganz fantastische Sängerin ist. Aber den Werwolf darf ich selbst sprechen und deshalb steht er mir sehr nahe.


Blaue Seite: Und zum Schluss habe ich noch eine Frage, die wir allen unseren Interviewpartnern stellen: Was bedeutet für Sie der Begriff Blaue Seite?


Hilbert: Seite? oder Seide?


Blaue Seite: Seite!


Hilbert: Ich interpretiere jetzt vermutlich ein bisschen falsch, aber ich mache sehr viel Musik und spiele historische Lauteninstrumente. Für die gibt es viele unterschiedliche Saiten und es gibt tatsächlich auch Saiten, die blau sind. Ich habe vergessen, wie die heißen. Die werden auf besondere Weise hergestellt und irgendwelche komischen Metalle sind da eingearbeitet. Das assoziiere ich spontan damit.


Blaue Seite: Das ist mal was Neues, das hatten wir so noch nicht (alle lachen).


Hilbert: Ich kann auch etwas anderes Erzählen.


Blaue Seite: Nein, wir freuen uns über alle Interpretationen. Ich bedanke mich auf jeden Fall bei Ihnen für das Interview.


Hilbert: Ja, ich mich auch. Morgen bin ich ja nochmal da. Ein weißes Blatt Papier, ein unbeschriebenes Blatt. Mal so gefragt: Was bedeutet Blaue Seite für jemanden der dort schreibt?

Blaue Seite: (erster Redakteur) Ich interpretiere das etwa so: Eine blaue Seite ist eine Seite, die mit blauer Tinte beschrieben ist.
(Zweiter Redakteur:) Eine Seite mit sämtlichen Blautönen, die wir uns ausgedacht haben.
(Erster Radakteur) Himbeerblau finde ich besonders schön.


Hilbert: Der Blues. Für alle die den Blues haben. Ja, darf ich jetzt gehen? (Lacht auf)

RedakteurRedakteur: Rina
FotosFotos: Kathrin, Julia
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