Interview mit Marvin Burgees

Interview

Stell dir vor, es gäbe eine Droge, die dir die beste Woche deines Lebens beschert. Der einzige Haken: Nach dieser Woche musst du sterben. Melvin Burgess hat darüber ein Buch geschrieben. Auf der Leipziger Buchmesse im März hatte Estelle die Möglichkeit, ihm ein paar Fragen zu seinem neuen Buch „Death“ zu stellen.

Blaue Seite: Ihr neuer Roman heißt „Death“. Woher stammt die Idee für das Buch?

Melvin Burgess: Das war nicht meine Idee. Sie stammt von meinem Verleger in England, Barry Cunningham –der übrigens auch J. K. Rowling entdeckt hat. Er wurde von zwei Philosophieprofessoren angesprochen, die ein Buch über das „große Ganze“ schreiben wollten: das Leben, das Universum und alles andere.

Der Verleger hat das Buch gelesen und fand es nicht so gut. Aber am Ende des Buches fand er einen Ansatz, den er sehr mochte: Die Idee, dass es eine Droge gibt, die dich umbringt – und die Leute nehmen sie freiwillig, nur um zu sterben. Also hat er die beiden aufgefordert, ein Buch über diese Droge zu schreiben. Das hat ihm dann auch nicht gefallen. Daraufhin hat er mit ihnen die Vereinbarung getroffen, dass ich dieses Buch schreiben würde. Man kann also noch so viele Ideen haben und weiß trotzdem nicht, ob sie wirklich Erfolg haben werden.

Blaue Seite: Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine „To-Do-Liste“ für den Rest Ihres Lebens. Was würde darauf stehen?

Melvin Burgess: Reisen. Das Problem bei einer Woche (die Zeit, die den Figuren bleibt, wenn sie die Droge Death genommen haben, Anm. d. Red.) ist, dass man aufpassen muss, dabei nicht die ganze Zeit im Flugzeug zu verschwenden. Außerdem würde ich gerne Drehbücher schreiben und auch politischere Sachen verfassen. Und am Ende geht es mir wahrscheinlich wie den meisten: Ich würde alles dafür tun, dass es den Menschen, die ich liebe, vor allem meinen Kindern, gut geht.

BS: Auf Ihrer Website kann man lesen, dass Sie schon durch Afrika gereist sind.

Melvin Burgess: Ja, das ist einer der Vorteile an meinem Beruf: Du wirst an interessante Orte eingeladen. Ich durfte mit der Organisation „Save the Children“ in den Kongo reisen. Da habe ich verschiedene Volkserzählungen gesammelt. Das war sehr interessant. Ich war letztes Jahr auch in Brasilien, in Moskau, in Sibirien und in Nepal. Ich bin also schon viel herumgereist. Und jetzt bin ich gerade in Deutschland!

BS: Gibt es einen Ort, an dem Sie noch nie gewesen sind, aber immer schon mal hin wollten?

Melvin Burgess: Ja, es gibt viele Orte. Ich war auch noch nie im tropischen Teil Australiens, noch nie in Neuseeland, China und an vielen anderen Orten in Südamerika.

BS: Sie haben gesagt, dass Sie gerne etwas Politisches schreiben würden. Ist Ihr letzter Roman nicht schon in gewisser Weise politisch?

Melvin Burgess: Er handelt ein bisschen von Politik. Das stimmt.

BS: Wollen Sie mit Ihrem Buch etwas verändern?

Melvin Burgess: Das ist ein großes Ziel, nicht wahr, etwas verändern zu wollen? Ich würde es gerne tun. Ich würde gerne politischere Romane schreiben. Aber das ist schwierig. Politische Romane sind die größte Herausforderung. Und sehr wenige Leute haben damit Erfolg und schreiben so, dass es nicht langweilig wird. Aber ich denke, ich habe ein paar Ideen, mit deren Umsetzung ich im Mai anfangen werde. Ihr könnt also gespannt sein, das ist mein nächstes Projekt.
Ich weiß, dass jeder Dystopien schreibt, die in der Zukunft spielen. Aber ich möchte eine zeitgenössische schreiben, welche hier und jetzt existiert und realistisch ist. Aber trotzdem eine Art Dystopie .

BS: Einige Autoren suchen sich eine Nebenfigur aus ihrem Roman heraus und setzen sie als Hauptfigur ihres nächsten Romans ein. Können Sie sich vorstellen, ein weiteres Buch über Janet bzw. Anna zu schreiben?

Melvin Burgess: Ja, könnte ich, denn sie ist ein sehr interessanter Charakter, sehr romantisch veranlagt.

BS: Haben Sie schon mal einen Roman angefangen, aber nie beendet?

Melvin Burgess: Ja, da gibt es einige. Vor ein paar Jahren habe ich viele Geschichten geschrieben, die ich nie beendet habe. Vielleicht kehre ich irgendwann zu denen zurück. Es geht da um einen Jungen, der sich in ein Mädchen verliebt, welches sich als Mörderin entpuppt. Aber er liebt sie trotzdem. Vielleicht schreibe ich es mal zu Ende, denn es ist eine interessante Idee.

BS: Schreiben Sie am liebsten an einem bestimmten Ort?

Melvin Burgess: Ja, ich habe ein kleines Sommerhaus in meinem Garten mit meinem Computer, meinem Schreibtisch und allen möglichen Sachen. Da ist es sehr gemütlich, mit Fröschen im Tümpel davor und Vögeln. Ich schreibe nicht gerne irgendwo. Ich bin lieber für mich allein.

BS: Glauben Sie, dass Ihre Gefühle Sie stark beim Schreiben beeinflussen und so den Verlauf der Handlung z. B. zum Schlechten wenden, wenn Sie traurig sind?

Melvin Burgess: Natürlich, man benutzt diese Gefühle sogar fürs Schreiben. Wenn man also etwas Trauriges schreiben will und traurig ist, ist das super. Es ist aber wohl eher so, dass diese Gefühle eine tiefere Ebene des Buches beeinflussen, den Grundton des Buches. Wenn man also schwere Zeiten durchmacht, verliebt ist oder die Liebe gerade zerbricht, beeinflusst das alles in gewisser Weise das Gesamtbild eines Romans.
Es ist fast unmöglich, das zu vermeiden. Und wenn du gut in deiner Arbeit bist, solltest du in der Lage sein, frühere Erfahrungen zu nutzen.

BS: Haben Sie etwas Autobiografisches geschrieben?

Melvin Burgess: Nein, habe ich noch nie. Man benutzt aber immer Teile von sich selbst. Wenn du über irgendeinen Charakter schreibst, musst du dir immer vorstellen, was du tun würdest, wenn du diese Figur wärst. Als ich über Lizzie schrieb, überlegte ich, was ich tun würde, wenn ich ein 17-jähriges Mädchen zu dieser bestimmten Zeit an diesem Ort wäre. Man muss sich also immer in diese Person hineinversetzen.
Und ich habe sehr oft Teile meines Selbst einfließen lassen. In „Junk“ oder „Doing it“ z. B. habe ich bis zu einem gewissen Grad eigene Erfahrungen eingebracht. Aber ich habe nie etwas wirklich Autobiografisches geschrieben.

BS: Jetzt kommt unsere letzte Frage: Was assoziieren Sie mit der Blauen Seite?

Melvin Burgess: Wenn ich mir eine blaue Seite vorstelle, sehe ich darauf Stifte liegen. Wahrscheinlich habe ich selbst mal darauf ein Bild gemalt. Als ich ein Kind war, faltete ich auch viel in Origami-Technik. Das Papier, das man dafür benutzt, ist oftmals farbig und es gibt wunderbares blaues Papier in allen möglichen hübschen Abstufungen. Eine blaue Seite hat etwas sehr Beruhigendes.

BS: Vielen Dank. 

Melvin Burgess: Ebenfalls danke.

RedakteurRedakteur: Estelle
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