In dem Roman „der Fremde“ von Albert Camus werden wir als Leser mit einem ganz und gar antriebslosen Hauptcharakter konfrontiert, der der Welt mit einer gewissen Distanz gegenübersteht. Er bringt der Nachricht über den Tod seiner Mutter kaum mehr Aufmerksamkeit entgegen, als dem alltäglichen Akt des Rasierens und sieht auch die darauffolgende Beerdigung eher als eine Pflichtveranstaltung an. Dem Heiratswunsch seiner Freundin steht er gleichgültig gegenüber und die Misshandlungen seines Nachbarn an dessen Freundin unterstützt er. Durch Zufall, aber auch durch seine fehlende Emotionalität verwickelt er sich in eine Reihe von Ereignissen, an deren Ende er einen fremden Araber erschießt, weil dieser mit seinem Nachbarn im Streit liegt. Nun wandelt sich die Geschichte und wendet sich dem Gerichtsprozess zu, bei welchem es mehr um seine fehlende Trauer dem Tod der Mutter gegenüber, als um die eigentliche Tat zu gehen scheint.
In dem Roman „der Fremde“ stellt Camus eine Distanz zwischen uns Lesern und seinem Charakter her, gewichtet keine Handlung, kein Ereignis mehr als ein anderes und stellt so den Sinn der Welt und die Beziehung des Menschen zu ihr in Frage. Die kalte Emotionslosigkeit der Erzählung lässt uns die alltäglichsten Handlungsabläufe vollkommen fremd erscheinen und ermöglicht keinerlei Identifikation mit Meursault, dem Hauptcharakter. Auf diese Weise nimmt er dem Alltäglichen das Alltägliche und dem Dramatischen seine Dramatik. Zurück bleibt das Skelett der Geschichte, die sich, einerseits durch Zufall, andererseits auch durch die fehlende Emotionalität des Charakters, immer weiter zuspitzt und spannend wird, ohne dass aktiv durch eine stark veränderte Erzählweise Spannung aufgebaut würde. Vielmehr ist es gerade die Neutralität und die Distanziertheit des Meursault zu seiner eigenen Tat, die den Leser an das Buch fesselt.
Gleichzeitig werden der Gerichtsprozess, der Journalismus und alle unbekannten Personen ins Lächerliche gezogen, wodurch „der Fremde“ schließlich abgekapselt und alleine dasteht, sich letztendlich ganz in seine eigne Welt zurückzieht und verrückt wird. Ganz am Ende, als Meursault sich selbst mit seinem nahenden Tod konfrontiert sieht, ergibt sich noch eine weitere spannende Überlegung darüber, wie der Mensch als endliches Wesen diesem gegenüberstehen sollte.
Dieser Roman zeigt, wie wichtig uns Menschen Emotionen sind und wie merkwürdig es uns erscheint, wenn diese ausbleiben. Man schafft es während der gesamten Geschichte nicht, in eine „Beziehung“ mit dem Hauptcharakter zu treten und merkt schon auf der ersten Seite, dass irgendetwas hier definitiv nicht stimmt. Auch der Zusammenhang zwischen Moral und Emotionen wird dadurch sehr klar deutlich. Meursault´s Handlungen sind den größten Teil der Geschichte unverantwortlich und moralisch definitiv nicht vertretbar, allerdings empfindet er keine Empathie und hat er somit kein Gespür für „richtig“ und „falsch“. Man beginnt so als Leser unweigerlich, über die eigenen moralischen Maßstäbe nachzudenken.
Alles in allem handelt es sich hierbei um ein sehr spannendes Buch mit vielen Dimensionen. Wer Hoffnung sucht, wird zwar wahrscheinlich enttäuscht werden, aber ansonsten ist es definitiv sehr empfehlenswert!