Die Therapie
Die Therapie
02. November 2017
von Rina
5 Sterne
Rina Jahrgang 2003 Redaktion Lübeck
hat 5 Sterne vergeben

Fitzeks Debüt-Psychothriller bestätigt eindeutig seinen Ruf als „Meister des Wahns“. Ex-Starpsychiater Dr. Viktor Larenz zieht sich vier Jahre nach dem ungeklärten Verschwinden seiner Tochter alleine auf die kleine Nordseeinsel Parkum zurück, um diesen Verlust mit einem Interview zu verarbeiten. Doch auch kurz vor dem Abgabetermin macht er bei den Antworten weder für die Zeitschrift noch bei seinen eigenen Problemen Fortschritte. Da überrascht ihn eine Frau, die von seinem Nachfolger an ihn verwiesen wurde, obwohl Viktor nicht mehr praktiziert. Mit ihrem außergewöhnlichen Fall erweckt die schizophrene Kinderbuchautorin Anna Spiegel jedoch unerwartetes Interesse in Viktor. Denn Annas Buchcharaktere erscheinen, kaum geschrieben, leibhaftig in ihrem Leben – und eine davon ist Viktors Tochter Josy. Um Anna ranken sich jedoch noch einige Geheimnisse, und die wenigsten scheinen harmlos zu sein. Selbst der gutmütige Bürgermeister der Insel fürchtet um Viktors Leben und überlässt ihm gar eine Pistole, um sich vor Anna zu schützen. Doch es gibt ein Problem: Anna Spiegel ist schon längst tot. Wer also ist seine neue Patientin und was weiß sie über Josy?

Fitzeks Talent wird besonders in der Raffinesse der Handlung deutlich. Er schafft es, die hochkomplizierte Psyche eines Menschen in all seinen Dimensionen mit bloßen Worten zu erfassen, ohne an Tiefe zu verlieren. Viktor Larenz und Anna Spiegels Charaktere sind ausführlich ausgearbeitet und scheinen aus der realen Welt stammen zu können.
Mit subtilen Andeutungen schafft Sebastian Fitzek eine Metaebene, die am Ende aus dem tollen Buch ein spektakuläres Gesamtwerk macht. Dabei werden Stück für Stück, manchmal aber auch auf einen Schlag, die Rätsel gelöst und ein völlig neues Licht auf die Szenen und Informationen geworfen. Trotz der unwirklichen Ereignisse ist das Buch ein Erlebnis für alle Sinne; den Wind des Sturmes in den Haaren und die Kälte in den Gliedern scheint man selbst auf Parkum die Wahrheit ergründen zu wollen. Man verliert sich in Larenz‘ Geschichte, ohne sich selbst zu verlieren.

Der geschickt und detailliert konzipierte Thriller lässt den Leser in einen geordneten Strudel aus Unerklärlichkeiten fallen, nur um ihn letzten Endes mittels Logik und Fakten daraus zu befreien. Dieses Meisterwerk aus Andeutungen, Drohungen und glasklaren, doch scheinbar unvereinbaren Fakten lässt sich selbst beim Klingeln der Schulglocke fast gar nicht aus der  Hand legen.

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