Interview

Interview mit Janne Teller

Was würden Sie den Leuten sagen, die das Buch so sehr kritisieren? Würden Sie ihnen sagen, dass Jugendliche damit umgehen können?

Ja, ich würde auch sagen, jetzt wo es elf Jahre alt ist und ich mit so vielen Jugendlichen aus aller Welt gesprochen habe, dass nie einer dabei war, der das Buch deprimierend fand. Es gibt vielleicht Erwachsene, die das Buch deprimierend finden, aber keine jungen Leute. Denn in eurem Alter stellt man sich diese große Frage und man kann noch alle Wege wählen und dafür ist es wichtig dieses Thema anzusprechen. Aber für ältere Leute kann es ein bisschen schwierig sein, weil man vielleicht Fehler gemacht hat, man kann nicht alles wieder machen. Deshalb glaube ich, dass das Buch vielmehr provozierender für Erwachsene ist als für Jugendliche.

Jetzt gehört „Nichts“ zur Schullektüre in Dänemark.

Es hat eine lange Zeit gedauert. Da waren immer viele Personen gegen das Buch, aber auch viele Lehrer für das Buch. Sie haben dafür gekämpft und ich glaube, dass diese Lehrer gute Erfahrungen im Unterricht mit dem Buch gemacht haben, die sie dann mit anderen Lehrern geteilt haben. Stück für Stück.

Was ist das für ein Gefühl, wenn man in der Presse mitkriegt, dass das eigentlich eine Kontroverse ist. Fühlten Sie sich da nicht ein bisschen angegriffen?

Ja, am Anfang. Es war schockierend, weil es für mich ja nur eine Geschichte war. Ich konnte nicht verstehen, warum die Leute so aufgeregt waren, über ein Buch, eine Fiktion. Aber ich konnte ja nichts machen. Mit der Zeit hat es sich dann verändert, ich hab mich ein bisschen defensiv gefühlt, denn ich finde es war eine gute Geschichte. Jetzt hab ich mich daran gewöhnt, und ich glaube es hat sich jetzt auch geprüft.

Nun ein paar Fragen zur Handlung. Wie sind Sie auf den Charakter Pierre Anthon gekommen und das „Nichts eine Bedeutung hat“?

Das war eine kleine Stimme in meinem Ohr. Ich wurde von einem Verlag gefragt, ob ich ein Buch für Jugendliche schreiben wolle, aber das wollte ich nicht, denn ich schreibe für Erwachsene. Aber dann hatte ich diese Stimme im Ohr, die die ersten vier Sätze von Pierre Anthon gesagt hat. „Nichts bedeutet etwas, das weiß ich seit Langem. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden.“ Und dann musste ich sehen, was sollte ich mit seinen Freunden machen. Das war ein logisches Gedankenexperiment: Was macht er? Was machen seine Freunde? Was finden sie? Wie soll es enden?

Wenn Sie selber in dem Buch mitspielen würden, welche Rolle würden Sie übernehmen wollen?

Ich möchte eigentlich nicht mitspielen, aber ich habe große Sympathie für Sophie und auch für Pierre Anthon selber, obwohl ich nicht mit ihm einig bin.

Für Sophie hat ihre Unschuld die größte Bedeutung, für Pierre Anthon „Nichts“. Was hat für Sie die größte Bedeutung?

Zwischenmenschliche Beziehungen und Liebe sind sehr wichtig für mich. Aber auf den „Berg der Bedeutungen“ würde ich nichts legen. Das Schreiben von dem Buch hat mein Leben verändert. Ich bin viel froher und nachdenklicher als früher, weil ich denke, dass ich vielleicht nicht Pierre Anthon antworten kann, aber das macht doch nichts. Er hat sich von dem Leben zurückgezogen, als er in den Baum geklettert ist und er sieht alles in dieser großen Perspektive. Ja er hat Recht damit, dass die Welt 4,2 Milliarden Jahre alt ist und wir leben maximal 100, aber wir leben unsere hundert Jahre. Und wenn wir diese fokussieren dann bedeutet alles etwas: Kaffee zu trinken, hier zu reden und dann ist es genau fantastisch, dass man hier sein kann ohne zu wissen warum wir hier sind.

Wann beschließen Sie ein neues Buch zu schreiben und wie machen Sie das dann?

Ich habe immer ein Thema, das mich interessiert: Bei „Nichts“ war es der Sinn des Lebens, bei „Krieg“ war es, was es bedeutet ein Flüchtling zu sein. Und dann hör ich irgendwann eine Stimme, so soll ich es schreiben. Dann fange ich von vorne an zu schreiben, und wenn ich es einmal geschrieben habe, dann schreibe ich es noch 300-mal um.

Warum schreiben Sie überhaupt?

Weil ich ohne Schreiben nicht leben kann. Das ist ganz einfach und ich habe immer geschrieben seit ich ganz jung war.

Haben sie Tipps für junge Autoren?

Drei Sachen habe ich: Viel leben, alles was ihr könnt, viel lernen und lesen, auch so viele Bücher wie möglich. Findet heraus, was ihr mögt, was nicht und warum. Und dann kann man schreiben. Versuch nicht jemand anderen zu kopieren, finde die eigene Stimme und die hat man, wenn man viel gelebt, gelernt und gelesen hat.

Was hat für Sie eine blaue Seite?

Einmal das Cover meines neuen Buches, weil da auch viel blau ist und das Buch selbst, weil es in einer Nacht beginnt, wo es schneit und ich finde das ist ein blaues Gefühl. Das ist für mich eine blaue Seite.

RedakteurRedakteur: Saskia, Ilka
FotosFotos: Daria
Nach oben scrollen