Interview mit Ursula Poznanski
Lina Ostertag hat die Autorin Ursula Poznanski auf der Frankfurter Buchmesse 2012 getroffen und sich mit ihr über ihren, mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2011 ausgezeichneten, Jugendroman „Erebos“ unterhalten.
Blaue Seite: Wo steht denn Ihre Momo Figur [d.i. die Preisfigur des Deutschen Jugendliteratur-preises]?
Ursula Poznanski: Die steht in meinem Arbeitszimmer in einer Vitrine, die aussieht wie eine englische Telefonzelle.
BS: Und was war das für ein Gefühl, als Sie im Publikum saßen und hörten, dass Sie den Deutschen Jugendliteraturpreis gewonnen haben?
Ursula Poznanski: Das war so ein richtig guter positiver Schock! Ich stand ein bisschen neben mir, denn ich habe in dem Moment nicht wirklich damit gerechnet. Ich brauchte dann erstmal ein paar Sekunden, damit ich das begreifen konnte. Aber es war einfach richtig toll!
BS: Und was war Ihr erster Gedanke in dem Moment?
Ursula Poznanski: Ich glaube, da war kein wirklich erster Gedanke. Sondern nur Begeisterung und Freude. Aber kein formulierter Gedanke.
BS: Was hat sich für Sie seitdem verändert?
Ursula Poznanski: Für mich persönlich ist es zum einen eine Bestätigung, dass das, was ich mache, okay ist und in die richtige Richtung führt. Und dass ich ankomme bei den Lesern. Und dass es auch nett ist, mal abseits vom Mainstream zu schreiben, denn „Erebos“ war ja wirklich mal was ganz anderes als immer nur Vampire. Und es ist auch ein bisschen so was wie ein Ritterschlag. Den hat man dann und das ist schon klasse.
BS: Vor allem, da „Erebos“ Ihr erster Jugendroman war.
Ursula Poznanski: Ja, vorher habe ich ja nur Kinderbücher geschrieben.
BS: Wie kam es, dass Sie sich dann entschieden haben, Jugendromane zu schreiben?
Ursula Poznanski: Das wollte ich grundsätzlich immer schon, also habe ich während ich Kinderbücher geschrieben habe, auch schon an einem Jugendroman gearbeitet, der allerdings Fantasy war. Ich wollte mir dann eine Agentur suchen und habe das dann auch gemacht. Den Roman mag ich auch immer noch sehr gerne. Aber zu dem Zeitpunkt haben meine Agenten mir auch gesagt, dass sie mich gerne unter Vertrag nehmen, aber dieses Buch im Moment nur schwer unterzukriegen ist. Das ist zwar gut, aber eben das klassische Fantasy und das kauft und liest ja im Moment niemand. Aber dann haben sie mich gefragt, ob ich nicht noch was anderes habe. Da habe ich gesagt, dass ich noch etwas im Sinn habe, wo es um Computerspiele geht und habe das so ein bisschen geschildert. Dann habe ich das geschrieben und zwar sehr schnell, denn die Zeit war knapp.
BS: Haben Sie denn auch die anderen nominierten Bücher gelesen?
Ursula Poznanski: Den Großteil. Also ich habe z.B. „Numbers“ gelesen und „Nichts“ … Ich glaube insgesamt habe ich, bis auf zwei, alle gelesen.
BS: Haben Sie eigentlich Mitspracherecht bei Ihren Covern? Ihr neues ist ja schon sehr ausgefallen …
Ursula Poznanski: Es ist so, dass ich Vorschläge zugeschickt bekomme. Meistens sind das so drei bis vier. Und dann kann ich sagen, das hätte ich gerne oder das finde ich nicht so gut. Ich habe aber nicht die endgültige Entscheidung. Das entscheidet der Verlag, weil die auch wissen, was die Buchhändler und die Leser mögen.
BS: Aber sind Sie zufrieden damit?
Ursula Poznanski: Das neue finde ich total schön. Es fällt auf, weil es nicht so ist, wie die anderen.
BS: Haben Sie viel an Erfahrungen mit Computerspielen sammeln müssen, um das Buch schreiben zu können?
Ursula Poznanski: Ich habe ohnehin schon früher viel gespielt, so als Kind, das fand ich cool. Aber ich habe nie so extrem gespielt. Ich war nie jemand, der nur am Computer hing. Aber ich habe sehr gerne gespielt und hatte auch sehr coole Spiele. Ich habe so manche Abende nett damit verbracht zu spielen, aber bin dem Ganzen nie komplett verfallen, ich habe halt auch schon immer gerne gelesen … Aber ich weiß, wie einen so ein Computerspiel packen kann, ich hatte selbst schon solche Erfahrungen, und ich habe einen Sohn, der dreizehn ist und der auch schon immer gerne gespielt hat. Das ist mir also nicht gänzlich fremd. Ich musste deshalb nicht großartig Erfahrungen sammeln. Was ich allerdings nicht kenne, sind diese Multiplayer-Online-Spiele. So etwas habe ich nie gemacht und deshalb habe ich kurz überlegt, ob ich mich da mal anmelde, aber habe dann mich dann dagegen entschieden, weil ich auch nicht wollte, dass mein Buch einem Spiel ähnlich wird. Ich glaube, es wäre tatsächlich noch ähnlicher geworden, wenn ich mir ein Spiel angeschaut hätte. Ich wollte einfach mein eigenes Spiel machen.
BS: Haben Sie das Spiel eigentlich auch komplett geplant?
Ursula Poznanski: Ich hatte eine Vorarbeit. Die Stadt spiegelt sich ja wieder und darauf habe ich natürlich geachtet im Spiel. Aber was da dann genau passiert, ob es Trolle oder Orks sind, mit denen sie kämpfen, das nicht.
BS: Glauben Sie, dass ein Computerspiel wirklich eine solche Macht kriegen könnte?
Ursula Poznanski: Ich glaube schon, dass es möglich wäre, dass ein Spiel in das wahre Leben übergreift, insbesondere bei so einem Spiel wie Erebos. Ich glaube auch, dass es eine Alternative werden könnte, die wichtiger ist als das Leben. Das finde ich nicht so unvorstellbar.
BS: Welche Rolle spielt der Computer in Ihrem Alltag?
Ursula Poznanski: Er ist mein Arbeitsplatz. Der Computer ist quasi mein Werkzeug. Ich schreibe auch nur auf dem Computer. Ich recherchiere sehr viel über den Computer und ich halte auch Kontakt zu meinen Lesern über den Computer. Ich verbringe sehr viel Zeit davor und arbeite.
BS: Sie sagten, Sie haben einen Sohn – ist das ein Grund dafür, warum Ihre Hauptcharaktere oft männlich sind?
Ursula Poznanski: Nein, bei „Erebos“ und „Saeculum“ hat sich das so ergeben. Ich glaube, die Entscheidung war irgendwie unbewusst, ich habe geschaut, was halt zu der Geschichte gut passt. Es stellt sich immer die Frage, ob sich eine Geschichte besser aus einer weiblichen oder männlichen Perspektive erzählen lässt. Ich glaube, es würde das Buch ganz stark verändern, wenn die Hauptfigur nicht Nick wäre, sondern Nicola. Ich glaube, es kommt dabei immer auf den Stoff an.
BS: Wie und wo schreiben Sie?
Ursula Poznanski: Am Computer und früher habe ich immer in meiner Küche geschrieben. Da ist auch „Erebos“ entstanden. Inzwischen habe ich ein Arbeitszimmer, was sehr schön ist, weil ich da auch mal die Tür zumachen kann und dann kommt keiner rein. Und da habe ich einen Schreibtisch und so eine Relaxliege und meinen Computer kann ich auf ein Tablett auf meine Knie legen, sodass ich halb im Liegen schreiben kann. Das mache ich sehr gerne. Unter so einer Dachschräge mit Fenster. Sehr gemütlich.
BS: Schreiben Sie immer oder müssen Sie sich das vornehmen?
Ursula Poznanski: Ich schreibe jeden Tag, besonders in letzter Zeit, wo ich viele Bücher geschrieben habe. Und ich werde immer gerne so gegen 14 Uhr fertig, aber manchmal fange ich auch erst um 14 Uhr an. Weil ich vorher Emails beantworte oder einfach irgendwo hängenbleibe im Netz. Das passiert mir auch. Oder dass ich mich immer wieder einstellen muss auf das Buch. Manchmal geht das ganz schnell, da lese ich die letzte Seite und bin sofort wieder drin, aber manchmal dauert das und es will einfach nicht. Das ist ganz unterschiedlich.
BS: Was wollen Sie mit Ihren Büchern erreichen?
Ursula Poznanski: Ich mag diesen erhobenen Zeigefinger nicht. Auch so was wie die „Moral der Geschichte“ will ich gar nicht transportieren. Ich will wenn, dann zum Denken anregen. Zu den eigenen Gedanken. Wenn das Buch dazu führt, dass der Leser zu eigenen Gedanken kommt oder auf irgendeine Weise Stellung bezieht, dann finde ich das schon sehr gut. Das ist sogar wünschenswert. Und davon abgesehen will ich natürlich auch unterhalten.
BS: Dann hab ich nur noch ein paar kurze Fragen zum Schluss:
Kaffee oder Tee?
Ursula Poznanski: Da kann ich mich nicht entscheiden, eindeutig morgens Kaffee und den restlichen Tag Tee.
BS: Computer oder Hand?
Ursula Poznanski: Eindeutig Computer.
BS: Woher kriegen Sie Ihre Ideen?
Ursula Poznanski: Von überall. Manchmal ist es ein einziges Wort oder eine Melodie. Das ist unterschiedlich.
BS: Ihr Lieblingswort?
Ursula Poznanski: Das ist schwierig – Mein Lieblingswort? Freude!
BS: Was hat für Sie eine blaue Seite?
Ursula Poznanski: Eine blaue Stunde, so die Stunde zwischen Abend, Dämmerung und Nacht. Wo man sich mit einem Glas Wein zurücklehnt, aus dem Fenster guckt und denkt: „Ja, das war ein guter Tag!“
BS: Vielen Dank für das Gespräch!