Interview mit Josephine Angelini
Auf der Leipziger Buchmesse 2013 hatte die Blaue Seite die Chance, die amerikanische Autorin Josephine Angelini zu einem Auf der Leipziger Buchmesse 2013 hatte die Blaue Seite die Chance, die amerikanische Autorin Josephine Angelini zu einem Interview zu treffen. Im September 2014 konnte das Gespräch per Skype weitergeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits hochschwanger, nur fünf Tage später kam ihr Kind zur Welt.
Blaue Seite: Zunächst einmal danke für das Interview. Ich weiß, dass Ihr Baby auf dem Weg ist und bin wirklich sehr dankbar, dass Sie sich trotzdem Zeit für mich nehmen.
Josephine Angelini: Das ist so süß von dir. Ja, ich bin wirklich sehr, sehr schwanger. Es kann jeden Tag kommen. Aber ich fühle mich super, also macht es mir nichts aus, aufzustehen um mit dir zu sprechen.
Blaue Seite: Das ist gut. Ihr neues Buch heißt „Everflame“. Woher kam die Idee zu diesem Roman?
Josephine Angelini: Die Idee für „Everflame“ hatte ich eines Nachts, als ich einfach nicht schlafen konnte. Da kam der Gedanke: Was würde passieren, wenn ich mich selbst treffen könnte? Und ich habe mir vorgestellt, dass ich mit dieser anderen Version von mir richtig aneinander geraten würde und wir sogar schlimmste Feinde werden könnten. Außerdem habe ich dabei an Magie gedacht und daran, dass mein zweites Ich eine Hexe sein könnte – eine böse Hexe noch dazu! Von da an hat die Geschichte sich entwickelt.
Blaue Seite: In dem Roman gibt es eine unendliche Anzahl paralleler Universen. Trotzdem leben in jedem die gleichen Personen, nur mit anderen Charakterzügen. Was würden Sie hoffen, dass Ihre Doppelgängerin besser macht?
Josephine Angelini: Ich wünschte, sie könnte besser mit Skype umgehen (lacht). Nein, ich dachte dabei nicht an böse oder gute Menschen. Lillian ist z. B. zunächst eine teuflische Hexe. Aber es geht mehr um die Umstände, darum, was für eine Wahl einem eigentlich bleibt. Die Frage, wo man herkommt und wo man hingeht. Es ist wie ein Kampf zwischen Charakter und Erziehung. Und es geht darum zu verstehen, dass selbst schreckliche Entscheidungen, die Menschen treffen, vielleicht die einzige Wahl sein kann, die ihnen noch bleibt. Es ist einfach, zu sagen: „Du sollst nicht stehlen!“, oder: „Gewalt ist keine Lösung!“. Ich wünsche mir eine differenziertere Sicht auf diese Dinge. Verstehst du?
Blaue Seite: Ja! Glauben Sie also, dass jede Person gut sein kann, wenn sie in entsprechenden Umständen leben?
Josephine Angelini: Ich glaube grundsätzlich daran, dass die Menschen versuchen, gut zu sein. Nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung ist wirklich böse. In meinem Roman habe ich zwei Bösewichte: Gideon und Carrick. Aber die einzig wirklich böse Person ist Carrick. Und er ist böse, weil er nicht mit Menschen mitfühlen kann. Er kann auch keine Beziehungen zu Menschen aufbauen.
Vielleicht bin ich auch einfach nur ein Optimist. Aber ich glaube, dass Menschen, denen die Wahl freisteht und das auch erkennen, den richtigen Weg wählen würden.
Blaue Seite: Welches Buchcover magst du lieber: das amerikanische oder das deutsche?
Josephine Angelini: Ich habe die deutsche Version sogar hier stehen! (Holt das Buch hervor.) Ich glaube, mir gefällt das amerikanische besser. Schau mal, die Schrift ist so schön. Ich mag einfach Dinge, die so funkeln (lacht). Aber ich mag auch die Art und Weise, wie die deutschen Bücher der Trilogie alle zusammenpassen. Siehst du? (Zeigt alle drei Bücher der „Everflame“-Trilogie.)
Blaue Seite: Ist die Trilogie also schon fertig geschrieben?
Josephine Angelini: Das zweite Buch ist fertig, ja. Gerade arbeite ich am dritten Band. Aber der Verlag hat mir Vorlagen geschickt, damit ich sehen kann, wie es nachher optisch aussehen soll.
Blaue Seite: Ihr Roman ist gerade erst erschienen und hatte bereits großen Erfolg. Was sind Ihre Pläne für das zweite Buch? Können Sie schon etwas verraten?
Josephine Angelini: Ich bin sehr glücklich darüber, dass der erste Band so gut ankommt. Okay, meine Pläne für das zweite Buch: Kann ich euch ein paar Spoiler verraten? Es wird sehr düster. Lilly wird durch sehr schwere Zeiten gehen, sie muss sehr große Herausforderungen meistern und erst einmal verstehen, wer sie selbst wirklich ist. Sie muss sich selbst finden, bevor sie weitergehen und ihre Probleme und Ängste besiegen kann. Ich werde euch nichts Genaues verraten, aber sie muss wirklich viele Herausforderungen bestehen. Sie wird von einer Person verraten, der sie das niemals zugetraut hätte. Das alles ist sehr sehr traurig. Es tut mir selbst leid! Es wird viele Tränen geben, deshalb heißt es im Englischen auch „Trail of Tears“ (dt.: Pfad der Tränen) heißen.
Blaue Seite: Ich freue mich schon sehr darauf. Wie organisieren Sie sich beim Schreiben?
Josephine Angelini: Ich habe hier meinen Kaffee und meinen Laptop. (Hält ihre Kaffeetasse hoch und lacht.) Mein Arbeitsplatz ist ansonsten wirklich langweilig. Manchmal stehe ich auf und laufe auf und ab. Oder ich rufe Freunde an. Außerdem muss ich mir immer fest vornehmen, an welchem Tag ich welche Szene schreibe, sonst würde ich niemals fertig werden.
Blaue Seite: Benutzen Sie auch Post-it-Zettel?
Josephine Angelini (lacht): Ja, tue ich. Ich hatte vorher überall in diesem Raum Post-it-Zettel in verschiedenen Farben kleben – sogar auf meinem Laptop. Mein Mann sagte: „Das ist lächerlich! So kannst du nicht arbeiten.“ Also hat er mir ein Programm für Notizen auf meinem Laptop installiert.
Blaue Seite: Die Protagonistin Ihres Romans hat große gesundheitliche Probleme. Haben Sie persönlich Erfahrungen mit solchen starken Allergien?
Josephine Angelini: Nein, ich hatte niemals Allergien. Aber ich habe viele Freunde, die welche haben. Und ich glaube, dass sich viele Menschen mit diesen Problemen identifizieren können, denn Allergien oder Laktoseintoleranz z. B. sind weit verbreitet. Und ich habe mir überlegt, dass, wenn ein Mensch Magie ausüben kann – die Art von Magie, wie ich sie in meinen Büchern beschreibe – er die Auswirkungen bestimmt an seinem Körper spüren würde. Er wäre also sehr anfällig.
Blaue Seite: Lily trägt Anti-Atomkraft-T-Shirts und ist Vegetarierin. Unterstützen Sie diese Wertvorstellungen?
Josephine Angelini: Ich weiß nicht genau, wo ich bei diesem Thema stehe. Ich glaube einerseits, dass gerade an einer großen Zahl alternativer Energiegewinnungsmethoden gearbeitet wird. Andererseits glaube ich nicht, dass wir schon die eine Lösung haben. Nur Solarenergie oder nur Wasserkraft werden nicht alle Probleme lösen. Aber wir müssen eine Alternative finden. Denn das, was wir gerade tun, funktioniert offensichtlich nicht. Ich verstehe, dass Atomkraft im Moment noch ein notwendiges Übel ist, aber das muss sich ändern. Vegetarierin bin ich schon seit Langem. Einige Jahre lang war ich sogar Veganerin. Allerdings hat mich das krank gemacht, sodass ich so nicht weitermachen konnte. Ich versuche aber immer noch, mindestens zwei Mahlzeiten am Tag vegan zu gestalten.
Blaue Seite: Was ist Ihr Lieblingsessen?
Josephine Angelini: Spaghetti. Ich liebe Spaghetti. Das ist mein Wohlfühl-Essen.
Blaue Seite: Wann, glauben Sie, wird diese Welt so weit sein, ohne Atomkraft auszukommen?
Josephine Angelini: Ich weiß nicht, ob sie jemals so weit sein wird. Es beunruhigt mich sehr, dass der Atommüll noch fünfzigtausend Jahre lang strahlt. Wir sollten das diesem Planeten nicht antun. Trotzdem glaube ich kaum, dass wir einen Weg finden werden, mit dem wir zufrieden sind. Ich hoffe es nur.
Blaue Seite: Ich hoffe es auch. Engagieren Sie sich in einer Umweltorganisation?
Josephine Angelini: Als ich jünger war, war ich Mitglied. Heute versuche ich ein Leben zu führen, das verantwortungsvoll gegenüber meiner Umwelt ist. Ich recycle und versuche, kein Wasser zu verschwenden. Man muss nicht jeden Tag sein Auto waschen oder lange duschen.
Blaue Seite: Ihre beiden Trilogien finden in Massachusetts statt. Sie haben sogar die Insel Nantucket, auf der Helen aus „Göttlich“ wohnt, in „Everflame“ erwähnt. Auch Sie wurden in Massachusetts geboren, wohnen jetzt aber in Kalifornien. Vermissen Sie Ihre alte Heimat?
Josephine Angelini: Ich habe mal gehört, dass ein Autor über das schreiben soll, was er kennt und worin er sich auskennt. Ich habe Ideen für eine Geschichte, die in Manhattan spielt oder eine in Los Angeles, weil ich hier schon sehr lange lebe. Aber ich glaube, man sollte nur über das schreiben, was man kennt. Und Massachusetts ist der Ort, an dem ich aufgewachsen bin.
Blaue Seite: Gibt es einen Ort auf dieser Welt, an dem Sie noch nie waren, und den Sie gerne besuchen würden?
Josephine Angelini: Lustig, dass du mich das fragst, weil ich vor kurzem Bilder von Grönland und Island gesehen habe und dachte: „Da muss ich hin.“ Es sieht so wunderschön aus. Doch es gibt viele Orte, an denen ich noch nicht war: Thailand und Russland zum Beispiel. Und ich liebe es, zu reisen.
Blaue Seite: Haben Sie zwischendurch auch Zeit, Bücher von anderen Autoren zu lesen?
Josephine Angelini: Neben meinem Bett steht ein hoher Stapel an Büchern, die ich noch lesen will. Nur bin ich schon lange nicht mehr dazu gekommen, etwas zu lesen, was nicht mit Babys zu tun hat. Ein Buch, das ich gerade gelesen habe, ist der zweite Band von „Blackbird“ der Autorin Anna Carey. Der erste Band ist erst vor einer Woche erschienen.. Ich durfte schon den zweiten Teil lesen, weil ich eine Freundin von ihr bin. Es ist genial!
Blaue Seite: Haben Sie einen Lieblings-Leseplatz?
Josephine Angelini: Ich lese gerne in meinem Bett, bevor ich schlafen gehe. In meinem Wohnzimmer habe ich einen riesigen Ledersessel, das ist auch der perfekte Ort zum Lesen.
Blaue Seite: Sie haben diese Frage bereits beim letzten Interview beantwortet, aber vielleicht möchten Sie jetzt eine andere Antwort geben: Woran denken Sie, wenn Sie von der „Blauen Seite“ hören?
Josephine Angelini: Bei der Farbe Blau denke ich sofort an den Himmel.
Blaue Seite: Das klingt schön. Vielen Dank also für Ihre kostbare Zeit!
Josephine Angelini: Danke auch dir, es war schön, mit dir zu skypen.
Blaue Seite: Und alles Gute für Ihr Baby!
Josephine Angelini: Danke. Hab einen schönen Tag. Oder besser eine schöne Nacht!
Zuvor hatte die Blaue Seite Josephine Angelini bereits für ein Interview getroffen.
Blaue Seite: Du hast Theaterwissenschaften studiert. Warum hast du dich dafür entschieden, obwohl man mit diesem Studium nicht die besten Zukunftschancen hat?
Josephine Angelini: Man kann damit wirklich nichts anfangen. Im Prinzip ist es ein nutzloser Abschluss. Interessant ist aber, dass mich viele Leute fragen, was sie studieren sollen, um Schriftsteller zu werden. Und dann antworte ich: „Studiert alles!“ Ich habe an der NYU (New York University, Anm. d. Red.) studiert und mein Hauptfach war Klassische Theaterwissenschaft. Aber an der Uni haben sie mir erlaubt, alle Fächer zu besuchen, die ich mochte. Ich habe von Philosophie über Kunstgeschichte bis zu Physik jede Art von Fächern besucht, die mich interessiert haben. Und alles hat mich auf bestimmte Weise weitergebracht. Je mehr du über das Leben lernst, desto mehr musst du darüber schreiben. Mich fragen die Leute auch immer, ob man nicht ausschließlich wegen des späteren Berufes zur Schule oder Uni geht. Es ist überraschend, aber John Grisham zum Beispiel war zunächst Anwalt – dann fing er an, Kriminalromane und über das Anwaltsein zu schreiben. Studiert alles, egal was! Wenn du Kunst liebst, studier Kunst. Wenn du später Schriftsteller sein willst – warum nicht? Das Problem ist nur: Wenn man wie ich als Abschluss einen Bachelor of Fine Arts hat, kann man damit nichts anfangen. Damit wird man nie einen sicheren Beruf erlangen. Also ist es jedem selbst überlassen, wie viel er riskieren will.
Blaue Seite: Führst du eigentlich Tagebuch?
Josephine Angelini: Ich hatte eine sehr lange Zeit ein Tagebuch. Damals habe ich viel Zeit mit Schreiben verbracht, ein großer Teil war Kommunikation über Facebook, Twitter und so weiter. Das ist sowas wie ein öffentliches Tagebuch, was total seltsam ist. Als ich Teenager war, gab es Facebook und Twitter noch gar nicht. So habe ich gelernt, mich mit meiner eigenen Stimme auszudrücken oder wahrzunehmen, wie ich mich in bestimmten Situationen fühle. Tagebuchschreiben ist für mich also weniger schreiben, als etwas über mich selbst zu lernen. Und jeder, der Schriftsteller werden will, sollte genau dort anfangen. Man muss sich zuerst selbst kennen, bevor man einen fiktiven Charakter verstehen kann. Zuerst musste ich mich auch zwingen, aber irgendwann wurde es zur Gewohnheit, jeden Tag in mein Tagebuch zu schreiben. Besonders, als ich zur Uni ging, schrieb ich auf dem Hinweg in der U-Bahn, wie müde oder ängstlich ich war. Das hat mich gelehrt, worum es geht, wenn ich etwas fühle. Viele Leute wissen gar nicht mehr, was genau sie fühlen. Und heutzutage benutze ich das für die Entwicklung meiner Charaktere. Man muss seine eigenen Emotionen benutzen, wenn man einen fiktiven Charakter entwickelt.
BS: Liest du im Nachhinein noch einmal, was du geschrieben hast?
Josephine Angelini: Das ist das Dümmste, was man machen kann. Lies niemals im Leben dein Tagebuch! Es ist nur peinlich.
BS: Tagebuch schreibst du mit der Hand. Ändert sich dein Schreibstil, wenn du dagegen am Computer schreibst?
Josephine Angelini: Ja, ich glaube, das ist tatsächlich so. Bei diesen beiden Arten des Schreibens hat man eine unterschiedliche Beziehung zum Geschriebenen. Zum einen kann man nicht so schnell schreiben, wenn man mit der Hand schreibt und man will auch nicht so viel durchstreichen. Am Computer schreibt man schneller und kann alles wieder löschen. Manchmal schreibe ich auch „Blablablabla Ich weiß nicht was ich schreiben soll“. Das kann man nicht machen, wenn man per Hand schreibt. Man muss zuerst wissen was man erzählen will. Also hat sich mein Schreibstil schon verändert, seit ich am Computer arbeite.
BS: Wie viel schreibst du am Tag?
Josephine Angelini: So zwei bis drei Stunden morgens. Dann mache ich eine Pause und denke darüber nach, was ich geschrieben habe, und am Abend schreibe ich dann nochmal so zwei bis drei Stunden. Also schreibe ich fünf bis sechs Stunden täglich – länger kann ich nicht sitzen.
BS: Hast du denn das Privileg, vom Schreiben leben zu können oder arbeitest du, wie während des Studiums, nebenbei?
Josephine Angelini: Ich kann inzwischen vom Schreiben leben. Ich habe mir das alles hart erarbeitet. Während des Studiums habe ich u. a. als Kellnerin gearbeitet. Aber solche Nebenjobs muss ich jetzt seit einiger Zeit nicht mehr machen.
BS: Wie lange hast du an der Göttlich-Trilogie geschrieben?
Josephine Angelini: Beim ersten Buch habe ich in etwa acht Monate zum Schreiben gebraucht, dann ungefähr drei bis vier Monate zum Nachbearbeiten. Ich brauche ein Jahr, um ein Buch zu beenden. Das schließt auch schon die Zusammenarbeit mit dem Lektor ein.
BS: Passiert es dabei oft, dass du einen geliebten Part deiner Geschichte streichen musst?
Josephine Angelini: Ja, ständig. Manchmal hat man eine Szene im Kopf und man überlegt, wie man sie am besten schreibt. Wenn man es dann macht, stellt man fest, dass sie überflüssig ist. Man muss sich dann davon verabschieden. Das geht jedem Autor so.
BS: Die griechische Mythologie spielt eine große Rolle in deinen Büchern. Warst du selbst schon einmal in Griechenland?
Josephine Angelini: Nein, leider noch nie. Aber Griechenland steht als Nächstes auf meiner Liste – gleich nach Deutschland. Ich habe eine Menge griechisches Theater gesehen und deshalb fühle ich mich, als wäre ich schon dort gewesen. War ich aber leider noch nicht.
BS: Woher stammt dann die Faszination dafür?
Josephine Angelini: Ich habe schon sehr jung angefangen, über die griechische Mythologie zu lesen. Und als ich älter wurde, liebte ich Fantasy und Science Fiction. Als ich dann ein Thema zum Schreiben suchte, wollte ich etwas wählen, mit dem ich mich gut auskannte. Und das war definitiv die griechische Mythologie. Ein anderer Grund war, dass ich die Ilias nie wirklich verstanden habe. Wie konnte ein zehnjähriger Krieg entfesselt werden, weil eine Frau mit einem anderen Mann davonlief? Deshalb wollte ich ein Buch schreiben, dass von einem Krieg erzählt, der durch Liebe ausgelöst wird. Das fand ich eine interessante Idee und war mir auch fremd – außer, dass ich eben in der Ilias darüber gelesen hatte.
BS: Die Charaktere der griechischen Mythologie existieren ja schon. Inwieweit schränkt dich das in der Charakterentwicklung ein?
Josephine Angelini: In keinster Weise. Die historischen Charaktere sind lediglich der Ausgangpunkt der Geschichte. Es gibt eine Liste von Dingen, die Helena wirklich getan hat. Sie ist zum Beispiel mit Paris durchgebrannt. In der Ilias wird nur erzählt, was Helena getan hat, aber nicht, wer sie war. Und deshalb war die Charakterentwicklung für mich komplett offen. Ich konnte schreiben, was ich wollte. Ich habe die historischen Charaktere als Ausgangpunkt genutzt und alles weitere selbst entwickelt.
BS: Wird es eine Filmadaption von der „Göttlich“-Trilogie geben?
Josephine Angelini: Für Lionsgate, dasselbe Studio, das auch schon "Die Tribute von Panem" gemacht hat, entwerfe ich gerade eine Fernsehsendung. Die erzählt von dem Morden und Kämpfen der Generation, die vor der Handlung der „Göttlich“-Bücher gelebt hat. Als Lucas‘ Eltern noch jung waren. Wie Helens Mutter Daphne Ajax kennenlernt und sich verliebt.Gleichzeitig wird auch an der Verfilmung der „Göttlich“-Trilogie gearbeitet.
BS: Bist du auch daran direkt beteiligt? Zum Beispiel am Drehbuch?
Josephine Angelini: Ich habe die Pilotfolge der Fernsehsendung mit meinem Ehemann Albert Leon geschrieben. Er ist Drehbuchautor. Und wir hoffen natürlich, dass wir die Filmadaption für „Göttlich“ schreiben dürfen. Die Frage ist, ob das Studio das möchte.
BS: Fans finden es natürlich toll, wenn der Autor selbst das Drehbuch schreibt.
Josephine Angelini: Wenn der Autor es selbst schreibt, wird nicht viel an der Geschichte geändert. Und wenn er wenigstens mit einbezogen wird, behält die Handlung das Grundgefühl. Ich kenne das ja selbst: Manchmal sehe ich Film-Adaptionen und denke: „Das ist im Buch nie geschehen, warum passiert das jetzt im Film?“ Beim „Percy Jackson“- Film haben sie zum Beispiel vieles geändert, was große Auswirkungen auf die Handlung hatte. Es war deshalb auch nicht mein Lieblingsfilm. Aber ich liebe die Bücher.
BS: Wurdest du denn auch schon einmal mit der Percy Jackson- Reihe verglichen? Beide handeln ja schließlich von der griechischen Mythologie.
Josephine Angelini: Ein wenig. Einige Leute beschreiben mein Buch so: „Es ist wie Percy Jackson, nur für Mädchen. Aber für ältere Mädchen“. Und dann versuchen sie, es zu beschreiben: „Aber es ist anders, es handelt von der Ilias und nicht wirklich von der Mythologie“. Dann geht es weiter mit: „Eigentlich ist es gar nicht wie Percy Jackson“. Ich finde, wir erzählen einfach komplett andere Storys.
BS: Wir haben gelesen, dass du neben der Ilias Romeo und Julia gelesen hast. Als du dann die erste Idee für die „Göttlich“-Bücher hattest, meinte dein Ehemann, es sei deine Aufgabe, darüber zu schreiben.
Josephine Angelini: Ja, das stimmt. Ich sagte zu ihm: „Schatz, die Ilias ist wie die Story von Romeo und Julia. Warum hat noch niemand die Ilias aus Sicht der zwei Liebenden erzählt, die den Krieg ausgelöst haben?“ Und er antwortete: „DU solltest darüber schreiben.“ Manchmal hilft es, kreative Menschen in seinem Leben zu haben. Es ist nicht so, dass sie dir mit Ideen helfen. Aber sie unterstützen dich und ermutigen dich, etwas Bestimmtes zu schreiben. Und das funktioniert, weil sie kreative Menschen sind und deine Ziele verstehen. Wer Autor werden will, muss sich mit vielen verschiedenen kreativen Menschen umgeben. Menschen, die verstehen, was kreative Arbeit bedeutet.
BS: Glaubst du, es existiert so etwas wie eine Bestimmung im Leben?
Josephine Angelini: Da bin ich hin und her gerissen. Haben wir ein Schicksal? Ich meine, in meinem Buch geht es sehr viel um Schicksal und Glaube. Viele meiner Charaktere kämpfen gegen ihr Schicksal. Sie wollen nicht daran glauben, dass sie eine Bestimmung haben, denn wofür lebt man dann? Wenn es etwas gäbe, zu dem du bestimmt wärst und das würde egal was passiert ohnehin eintreten: Wofür wäre das dann alles? Man muss mutig sein und sich seiner unbekannten Zukunft stellen. Kennt ihr dieses seltsames Gefühl, wenn man denkt: „Moment mal! Genau dazu wurde ich geboren. Und das ist die Person, mit der ich mein Leben verbringen soll.“ Wenn es sich wie Schicksal anfühlt? Dann gibt es etwas in mir, das dieses Gefühl bekämpft und sagt: „Nein! Ich suche mir mein Leben aus und niemand anders!“ Es ist wirklich schwierig.
BS: Die Familie spielt für deine Hauptcharaktere Helen und Lukas eine große Rolle. Wie sieht das bei dir aus? Du hast ja auch eine ziemliche große Familie und bist die Jüngste von deinen sieben Geschwistern.
Josephine Angelini: Ja, genau. Ich habe sechs Schwestern und einen Bruder. Jeder fragt mich immer, warum in meinen Büchern so viele Charaktere vorkommen. Und ich meine dann immer: „Das ist nicht viel. Zwanzig Leute in der Familie sind doch normal.“ Ich übernehme aber auch immer wieder Details aus meiner Familie in meine Bücher. In meinem ersten Buch war eine Szene, in der Noel aus der Küche geschrien hat, dass das Abendessen fertig sei. Und sie war so beschäftigt, dass sie sich an Lukas Namen nicht erinnern konnte und ihn mit dem Namen seines Bruders rief – genauso ist meine Mutter.
BS: Sehen sich deine Familienmitglieder ähnlich?
Josephine Angelini: Nein, überhaupt nicht. Wir sind alle groß und haben dasselbe Lachen, aber das war's auch schon. Selbst mein Mann meint immer: „Deine Familie sieht sich überhaupt nicht ähnlich. Seid ihr sicher, dass ihr alle dieselben Eltern habt?“ Und wir dann immer: „Ja, auf jeden Fall.“ Ich habe „Familie“ zu einem Hauptthema in meinen Büchern gemacht, nicht nur, weil es für mich selber wichtig ist, sondern auch, weil es zur griechischen Mythologie passt. Denn dort sind alle Götter miteinander verwandt – sie sind also eine große Familie. Und sie bekämpfen sich sehr oft und verstehen sich überhaupt nicht. Deshalb geht es für mich eher um einen Familienkonflikt. Hector, Jason und Lukas bekämpfen und streiten sich andauernd. Doch ich denke, dass dies auch im echten Leben so ist. Familien streiten sich nun einmal. Aber sie halten auch zusammen.
BS: Also würdest du sagen, dass es sich auf dich positiv ausgewirkt hat, in einer Großfamilie aufzuwachsen?
Josephine Angelini: Es war in dem Sinne positiv, dass ich das überlebt habe (lacht). Als ich ungefähr vierzehn war, habe ich meine ganze Familie gehasst. Nein – ich habe sie nicht wirklich gehasst. Aber ich war das Balg, ich war die Jüngste, und meine älteren Schwestern hätten mich am liebsten erwürgt. Aber ich habe es überstanden, also war es schlussendlich gut (lacht).
BS: Wir haben eine Frage zu deinem Namen: Josephine Angelini. Ist das italienisch?
Josephine Angelini: Ja, mein Vater ist Italiener. Ich wurde nach seinem Bruder benannt, der „Joseph“ heißt. Und „Angelini“ ist der Nachname meines Vaters, das bedeutet „Kleiner Engel“. Mittlerweile mag ich meinen Namen sehr gerne, aber früher war das anders. Denn er ist so lang und er hat für mich immer wie ein Name für alte Frauen geklungen. Aber nun schätze ich ihn wirklich und bin meinen Eltern dankbar dafür.
BS: Warst du dann auch oft in Italien?
Josephine Angelini: Wir haben noch Cousins dort und einige meiner älteren Geschwister sind nach Italien gezogen. Denen hat mein Vater auch Italienisch beigebracht, aber bei mir hatte er dann nach sieben Kindern keine Lust mehr (lacht). Aber irgendwann werde ich mal hinfahren.
BS: Gibt es denn irgendetwas, das du hier in Deutschland sehen möchtest?
Josephine Angelini: Leider werde ich mir nicht so viel ansehen können, wie ich möchte. Ich bin nur hier bei der Messe und muss dann gleich weiter nach Köln. Aber ich würde gerne Berlin und noch so viel mehr sehen. Ich werde sicherlich noch einmal nach Deutschland kommen. Aber jetzt muss ich meine Arbeit machen (lacht).
BS: Was hat für dich eine blaue Seite?
Josephine Angelini: Aus irgendeinem Grund habe ich „Jazz“ im Kopf. Ich glaube, das ist eine kulturelle Sache.